Holocaust-Gedenkstunde:„Nehmt die Feinde der Demokratie ernst“

Lesezeit: 2 Min.

Bundespräsident Steinmeier bei seiner Rede im Bundestag. (Foto: Liesa Johannssen/REUTERS)

80 Jahre nach der Befreiung des Vernichtungslagers Auschwitz findet Bundespräsident Steinmeier im Bundestag mahnende Worte. Neben ihm spricht auch der ukrainische Holocaust-Überlebende Roman Schwarzman.

Mit einer Gedenkstunde erinnerte der Bundestag an diesem Mittwoch an die Opfer des Nationalsozialismus, an die Verfolgung und Ermordung von Millionen Menschen durch die Nazis. Anlass war die Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz-Birkenau vor 80 Jahren.

Bundestagspräsidentin Bärbel Bas eröffnete die Gedenkstunde mit einer Rede. „Wir müssen ehrlich mit uns sein. Viele Jüdinnen und Juden fühlen sich nicht sicher in Deutschland“, sagte Bas. Im Kampf gegen Antisemitismus erlebe man „enttäuschende Rückschritte“. Für den Schutz seien jeder und jede gefordert. „Mitmenschlichkeit zu leben, ist keine Aufgabe, die man einfach delegieren kann – etwa an die Politik“, sagte Bas. Man müsse sich fragen: „Was bin ich bereit, für das ‚Nie wieder‘ zu tun?“

Der ukrainische Holocaust-Überlebende fordert, sein Land gegen Putin zu bewaffnen

Nach Bas sprach auch Bundespräsident Steinmeier. Er warnte eindringlich vor Rückschritten der deutschen Demokratie. „Gehen wir nicht zurück in eine dunkle Zeit. Wir wissen es besser. Machen wir es besser!“, sagte Steinmeier im Bundestag. Der Bundespräsident mahnte: „Nehmt die Feinde der Demokratie ernst.“ Deutschland sei in einer Zeit der Entscheidung. „Wir haben es in der Hand, das Errungene zu bewahren und unsere Demokratie zu schützen“, betonte Steinmeier.

Auch der Holocaust-Überlebende Roman Schwarzman hielt eine Rede. Schwarzman engagiert sich seit Jahrzehnten für die jüdischen Überlebenden der Ghettos und Konzentrationslager in der Ukraine. Der 88-Jährige, der in der Hafenstadt Odessa lebt, war im Jahr 1941 als Kind in das Ghetto der ukrainischen Stadt Berschad deportiert worden.

„Damals versuchte Hitler mich zu töten, weil ich Jude bin. Jetzt versucht Putin mich zu töten, weil ich Ukrainer bin“, sagte Schwarzman in seiner Rede. „Ich flehe sie an, uns zu bewaffnen, damit Putin diesen Vernichtungskrieg beendet“, appellierte er und forderte konkret auch Langstreckenflugkörper. Die Erinnerung an die Opfer der Nazis sei zu seiner Lebensaufgabe geworden, sagte Schwarzman. Die historische und moralische Pflicht heute bestehe darin, „dass niemand mehr Leiden und Folter erfährt“.

Der Schriftzug „Arbeit macht frei“ am Eingangstor des sogenannten Stammlagers Auschwitz. (Foto: Kacper Pempel/REUTERS)

Das Parlament gedenkt traditionell rund um den Jahrestag der Befreiung des Vernichtungslagers Auschwitz-Birkenau der Menschen, die während der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft entrechtet, verfolgt und ermordet wurden. Auschwitz steht symbolhaft für diese Verbrechen. Etwa 1,1 Millionen Menschen verloren hier zwischen 1940 und 1945 ihr Leben, die meisten von ihnen waren Juden; sie wurden erschossen, in Gaskammern ermordet oder starben an Hunger und Krankheiten. Am 27. Januar 1945 erreichten sowjetische Soldaten das Lager im von der deutschen Wehrmacht besetzten Polen. Sie fanden etwa 7000 Überlebende.

Am Montag war Steinmeier mitsamt der nahezu gesamten deutschen Staatsspitze beim Festakt zum 80. Jahrestag der Befreiung in Auschwitz. „Erinnerung kennt keinen Schlussstrich und Verantwortung deshalb auch nicht“, sagte er dort und rief dazu auf, das Gedächtnis an die Verbrechen und Opfer der Nationalsozialisten wachzuhalten.

© SZ/dpa/KNA/kast/jael - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

SZ PlusMigration
:Worum es heute im Bundestag geht

Die Union will eine zumindest symbolische Verschärfung des Asylrechts erzwingen. Wer könnte mit ihr stimmen, und was bedeutet das für die sogenannte Brandmauer zur AfD? Antworten auf die wichtigsten Fragen.

Von Georg Ismar, Nicolas Richter und Vivien Timmler

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: