Bundestag:Einig in der Uneinigkeit

Das Parlament ist zu groß, doch die Regierung macht wenig Hoffnung auf eine Reform des Wahlrechts, die das ändern könnte. Nun hat Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble an die Kompromissbereitschaft von Union und SPD appelliert.

Von Mike Szymanski, Berlin

Vor der Sitzung des Koalitionsausschusses an diesem Dienstag hat Regierungssprecher Steffen Seibert die Hoffnung auf eine Lösung im Streit um eine Wahlrechtsreform gedämpft. Solche Fragen seien "traditionell und auch zu Recht Sache des Deutschen Bundestages und der Fraktionen", betonte er am Montag in Berlin. Nachdem sich die Fraktionen von SPD und Union vor der Sommerpause nicht auf einen gemeinsamen Vorschlag verständigen konnten, wie ein weiteres Anwachsen des Bundestages auf womöglich bald mehr als 800 Abgeordnete verhindert werden kann, hatte Unionsfraktionschef Ralph Brinkhaus gefordert, dieses Streitthema im Koalitionsausschuss zu behandeln. Dazu soll es auch kommen. Aber auch in der SPD wird bezweifelt, dass dies der richtige Ort ist, um zu einer Lösung zu kommen.

Das Parlament hat eine Normgröße von 598 Sitzen. Mittlerweile gibt es aber 709 Abgeordnete, Tendenz steigend. Dies liegt an der steigenden Zahl an Überhangmandaten samt den vielen Ausgleichssitzen für die jeweils anderen Parteien. Die von SPD und Union vorgelegten Konzepte zur Reform liegen so weit auseinander, dass die Chancen für eine Einigung als gering eingestuft werden. Die Unionsfraktion schlägt etwa vor, dass sieben Überhangmandate überhaupt nicht ausgeglichen werden. Das will die SPD nicht akzeptieren. Nach dem Modell der SPD kann es Direktkandidaten passieren, dass sie zwar ihren Wahlkreis gewinnen, aber trotzdem kein Mandat erhalten. Das lehnt die Union ab. Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble (CDU) rief am Montag alle Beteiligten zu Kompromissbereitschaft auf. "Es liegt in der Verantwortung der Fraktionen, jetzt endlich einen Kompromiss zu finden, der dann auch von der vom Bundesverfassungsgericht geforderten breiten Mehrheit im Bundestag getragen wird", sagte er der Deutschen Presse-Agentur. Es gehe "um die Handlungsfähigkeit des Parlaments" und um "das Vertrauen der Bürger" in die parlamentarische Demokratie.

Auch im Koalitionsausschuss sei die Verkleinerung des Parlaments kaum zu erreichen, sagt die SPD

Deutlich leichter dürften sich die Koalitionspartner damit tun, bei den Corona-Hilfen für die Wirtschaft nachzusteuern. Sie hatten verabredet, nach der Sommerpause zu entscheiden, wie es etwa beim Kurzarbeitergeld und mit den Überbrückungshilfen für kleine und mittelständische Unternehmen weitergehen soll. Beide Instrumente haben sich nach Ansicht von SPD und Union bewährt. Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) will dem Koalitionsausschuss vorschlagen, die Laufzeit von Kurzarbeit von zwölf auf bis zu 24 Monate im einzelnen Betrieb auszuweiten. Auch die vereinfachten Regeln zum Erhalt von Kurzarbeitergeld will Heil zunächst bis ins Jahr 2021 fortschreiben - um sie dann wieder zurückzufahren. Hier dürfte sich die Diskussion darauf beschränken, wie die Verlängerung im Detail ausgestaltet wird. Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) macht sich derweil für eine Verlängerung der Überbrückungshilfen für Unternehmen bis Ende des Jahres stark. Weil von den ursprünglich eingeplanten 25 Milliarden Euro etwa zehn Milliarden noch zur Verfügung stünden, zeigt sich die SPD dafür offen.

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