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Bundestag:CSU wirft Ampel-Parteien stilloses Verhalten vor

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Die Christsozialen lernen die Härten der Opposition kennen: Mit der Forderung nach einem Bundestagsvize blitzten sie ab, auch bei der Sitzordnung sieht es finster für sie aus.

Von Robert Roßmann, Berlin

Die CSU ist seit 16 Jahren Teil der Bundesregierung, in der Zeit sind manche Abgeordnete ziemlich bequem geworden. Eigene Initiativen oder die Kontrolle der Regierung standen nicht unbedingt im Mittelpunkt ihres Wirkens, man lebte eher in einer symbiotischen Beziehung mit den unionsgeführten Ministerien. Jetzt geht es in die Opposition. Und die Abgeordneten müssen lernen, wie das geht.

Der Großteil seiner Abgeordnetenkollegen hätte bisher zum Beispiel gar nicht gewusst, wie man parlamentarische Anfragen stellt, sagt CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt, dabei gehörten diese Anfragen zum "Werkzeugkasten" und zum "Waffenarsenal" der Abgeordneten.

Viele in der CSU realisieren erst jetzt, wie hart das Leben als Minderheit sein kann. Bisher ging nichts gegen die Christsozialen, jetzt sind sie auf einmal Spielball der anderen. Die CSU will wieder einen Bundestagsvizepräsidenten stellen - aber das hat ihr die neue Mehrheit im Parlament verweigert. Die FDP will im Plenarsaal nicht mehr neben der AfD sitzen, dort sollen ihrer Ansicht nach künftig CSU und CDU Platz nehmen - und es zeichnet sich ab, dass die FDP sich durchsetzen wird. Außerdem befürchtet die CSU, dass auch die in der ersten Bundestagssitzung geforderte Wahlrechtsreform zu ihren Lasten gehen könnte.

Dobrindt hätte sich mehr erwartet von SPD, Grünen und FDP

Keine rosigen Aussichten also. Dobrindt, er hat am Anfang seiner Karriere im Bundestag noch drei Jahre Opposition erlebt, sagt jetzt, das sei "nicht in allen Fällen vergnügungssteuerpflichtig", sondern "in weiten Teilen auch deprimierend" gewesen. Das wird in den nächsten Jahren vermutlich kaum anders werden.

Man könne bereits jetzt erkennen, dass SPD, Grüne und FDP "ihre neue Macht eindrucksvoll gegenüber den Oppositionsparteien ausüben", sagt Dobrindt. Gerade zu Beginn einer Wahlperiode hätte er sich etwas mehr Entgegenkommen erwartet. Er halte den Umgang der künftigen Koalitionspartner mit den Themen Bundestagsvizepräsident und Sitzordnung jedenfalls "für keinen guten Stil".

Der Gedanke, der hinter dem Plan zur Änderung der Sitzordnung stehe, sei "ungehörig und vollkommen unangemessen", sagt der CSU-Landesgruppenchef. Man wolle "die Union in die Nähe der AfD rücken". Auch den Ausschluss der CSU aus dem Bundestagspräsidium hält Dobrindt für "unfreundlich".

Seit Gründung der Bundesrepublik hat die CSU fast immer einen Vizepräsidenten stellen dürfen, mit Richard Stücklen sogar einen Präsidenten. Zuletzt war Ex-Innenminister Hans-Peter Friedrich für die CSU Vizepräsident. Doch diesmal kam die Partei nicht zum Zug. Zu Stellvertretern der neuen Bundestagspräsidentin Bärbel Bas (SPD) wurden am Dienstag Aydan Özoğuz (SPD), Yvonne Magwas (CDU), Claudia Roth (Grüne), Wolfgang Kubicki (FDP) und Petra Pau (Linkspartei) gewählt. Der Kandidat der AfD erhielt nicht die erforderliche Mehrheit.

Die Gescholtenen sind nicht beeindruckt

Dobrindt hält die Verteilung der Ämter nicht für gerecht. Er verweist darauf, dass die Unionsparteien bei der Bundestagswahl nur knapp hinter der SPD gelegen haben, die Sozialdemokraten jetzt aber deutlich besser im Bundestagspräsidium vertreten seien. Außerdem liege das Verhältnis Regierungsfraktionen zu Oppositionsfraktionen im Präsidium künftig bei vier zu zwei. Dabei hätten die drei Ampel-Parteien bei der Bundestagswahl nur gut die Hälfte der Stimmen erhalten.

Doch SPD, Grüne und FDP beeindruckt die Klage Dobrindts nicht. Sie verweisen auf die Geschäftsordnung des Bundestags, in der es heißt: "Jede Fraktion des Deutschen Bundestages ist durch mindestens einen Vizepräsidenten oder eine Vizepräsidentin im Präsidium vertreten." Und die Unionsfraktion sei ja durch Yvonne Magwas vertreten. Die Geschäftsordnung würde es zwar auch erlauben, zwei Vizepräsidenten aus der Unionsfraktion zu wählen - aber dann würde das ohnehin schon große Bundestagspräsidium noch größer.

Normalerweise profitiert die CSU von der Fraktionsgemeinschaft mit der CDU, doch in diesem Fall gereicht sie ihr ausnahmsweise einmal zum Nachteil.

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