Bundestag:"Wir nehmen den Kampf an gegen die Feinde unserer Verfassung"

Bundestag AfD Fraktion

Die AfD geriet in der Aktuellen Stunde im Bundestag stark in die Kritik.

(Foto: Kay Nietfeld/dpa)

Die anderen Parteien gehen die AfD hart an und werfen ihr einen "Angriff auf die parlamentarische Demokratie" vor. Deren Fraktionsvorsitzender Gauland entschuldigt sich und geht zum Gegenangriff über.

Von Philipp Saul und Lea Weinmann

Der Bundestag hat in einer Aktuellen Stunde über die Vorgänge rund um die Abstimmung über das Infektionsschutzgesetz am Mittwoch debattiert. Dabei waren auf den Fluren des Reichstagsgebäudes Abgeordnete von Besuchern bedrängt, gefilmt und beleidigt worden. Dies passierte unter anderem Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) und dem FDP-Innenpolitiker Konstantin Kuhle. Im Fall von Altmaier filmten die Störer die Aktion und stellten das Video ins Internet.

In der aufgeheizten Debatte machten die anderen Fraktionen der AfD schwere Vorwürfe. Der AfD-Fraktionsvorsitzende Gauland entschuldigte sich, bekam aber starken Gegenwind.

Der Erste Parlamentarische Geschäftsführer der CDU/CSU-Fraktion, Michael Grosse-Brömer, warf der AfD-Fraktion "Schleusertätigkeit" vor, weil diese Besucher unerlaubt ins Reichstagsgebäude gebracht habe. Es gehe der AfD darum, den Bundestag schlechtzumachen und das Ansehen "in den Dreck" zu ziehen. Das sei "nicht weniger als ein Angriff auf das freie Mandat und ein Angriff auf die parlamentarische Demokratie", sagte Grosse-Brömer und zog historische Parallelen. Die AfD möge zwar vielleicht die Methoden der Weimarer Zeit anwenden, doch die Demokratie sei standhaft und habe gelernt.

Der Fraktionsvorsitzende der AfD, Alexander Gauland, erwiderte, dass gewählte Volksvertreter bedrängt worden seien, sei "unzivilisiert" und gehöre sich nicht. "Dafür entschuldige ich mich als Fraktionsvorsitzender." Hier sei etwas aus dem Ruder gelaufen, die aufgeheizte Stimmung von draußen habe sich auf innen übertragen. "Das hätten wir verhindern und diese Besucher beaufsichtigen müssen."

"Wir konnten nicht damit rechnen, dass so was passiert", sagte Gauland. Die Unterstellung, die Vorfälle seien beabsichtigt gewesen, sei jedoch "infam". Es seien auch Besucher in die Büros von AfD-Abgeordneten eingedrungen. Die Gäste würden nicht mehr eingeladen. Das Verhalten der anderen Abgeordneten gegenüber der AfD sehe er als heuchlerisch an.

Gauland und die AfD versuchten, die Debatte von den Vorfällen im Bundestag wegzudrehen. Er vermisse das "Fair Play", sowohl von Parlamentariern als auch von Journalisten, sagte Gauland. Während der Demonstration rund um das Brandenburger Tor sei der AfD-Abgeordnete Karsten Hilse festgenommen worden - darüber rege sich keiner auf. Hilse kritisierte auch das Vorgehen von Polizisten gegen Demonstranten.

Das Geschehen am Mittwoch sei kein zufälliger Einzelfall gewesen, sagte der stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende Dirk Wiese. Die Rechtfertigung von Gauland sei "scheinheilig". Es handle sich um eine "bewusste Grenzüberschreitung".

Marco Buschmann, der Erste Parlamentarische Geschäftsführer der FDP-Fraktion, sagte, die AfD habe zum Ziel gehabt, ein "Klima der Bedrohung" ins Haus zu tragen. "Sie wollen die Institutionen in den Schmutz ziehen, weil Sie sie hassen", sagte Buschmann in Richtung der AfD. Man werde alle rechtlichen Mittel nutzen, um sich dagegen zu wehren, und wenn diese nicht ausreichten, werde man sie erweitern. Gauland vergieße "Krokodilstränen". "Unsere Demokratie ist stärker als Ihr Hass", sagte Buschmann.

Petra Pau von der Linksfraktion sagte, im Parlament hätten Feindbilder mit dem Einzug der AfD großen Einfluss erhalten. Wer das Gesetz zur Minderung der Corona-Folgen mit dem Ermächtigungsgesetz aus der Zeit des Nationalsozialismus gleichsetze, verharmlose den Faschismus. Einige AfD-Politiker, Pau nannte Thüringens AfD-Chef Björn Höcke, sähen sich offenbar selbst in der Nachfolge der Nationalsozialisten. Die demokratische Gesellschaft müsse das Land "vor der AfD schützen".

Als "Tabubruch" bezeichnete die Erste Parlamentarische Geschäftsführerin der Grünen, Britta Haßelmann, die Vorfälle. Die Strategie der Störer sei jedoch gescheitert: Das Parlament habe ordnungsgemäß abstimmen können. Sie forderte, Sanktionsmöglichkeiten gegenüber Abgeordneten zu prüfen. "Die Abgeordneten wussten ganz genau, wen sie einladen." Die Personen seien nicht zum ersten Mal eingeladen gewesen. Man lasse sich von Rechtsextremen nicht auf der Nase herumtanzen. Die Strategie der AfD müsse entlarvt werden.

"Die Feinde der Demokratie kommen nicht nur von außen, die Feinde der Demokratie sitzen auch hier in diesem Plenarsaal", sagte Stefan Müller von der CSU. Die AfD erzeuge ein Klima der Angst. "Wir werden Ihre Einschüchterungsversuche nicht zulassen." Die Aktion vom vergangenen Mittwoch sei "die offizielle Austrittserklärung der AfD aus dem parlamentarischen Diskurs" gewesen.

"Wir wissen, dass in Ihren Reihen Nazis sind", sagte Barbara Hendricks von der SPD und beschrieb, wie sich die Atmosphäre im Bundestag seit 2017 verändert habe. Immer wieder provozierten Abgeordnete und Mitarbeiter der AfD, teilweise gingen auch Bedrohungen von ihnen aus. Die AfD reagierte während der Rede mit lautstarken Zwischenrufen. Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble rief den AfD-Abgeordneten Armin-Paul Hampel zur Ordnung.

Die AfD habe sich demaskiert, dabei sei die "Fratze der Undemokraten" zum Vorschein gekommen, sagte Patrick Schnieder, Parlamentarischer Geschäftsführer der CDU/CSU-Fraktion. "Wir nehmen den Kampf an gegen die Feinde unserer Verfassung."

Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble erwägt juristische Schritte. Er habe die Verwaltung gebeten, "alle rechtlichen Möglichkeiten zu prüfen, gegen die Täter und diejenigen vorzugehen, die ihnen Zugang zu den Liegenschaften des Bundestages verschafft haben", heißt es in einem Schreiben Schäubles an alle Abgeordneten. Schäuble wertete das Geschehen als "ernste Vorfälle" und schrieb: "Sie haben unter Kolleginnen und Kollegen sowie bei Mitarbeitern vielfältige Befürchtungen und Ängste ausgelöst und können eine Atmosphäre schaffen, die einer freien und offenen Diskussion entgegensteht. Das dürfen wir im Deutschen Bundestag nicht zulassen."

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