Unions-Antrag zur Asylpolitik:Wer hat wie abgestimmt?

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Vor der denkwürdigen Abstimmung: die Debatte im Bundestag am Mittwoch, der Kanzler spricht. (Foto: Liesa Johannssen/Reuters)

Zum ersten Mal bekam ein Antrag im Bundestag nur durch Mithilfe der AfD eine Mehrheit. Aber es brauchte dafür auch die Stimmen der FDP. Wie das Ergebnis der Asyl-Abstimmung am Mittwochabend zustande kam.

Von Robert Roßmann, Berlin

Es war eine Abstimmung, wie es sie in der Geschichte des Deutschen Bundestages noch nie gegeben hat. Zum ersten Mal hat ein Antrag nur durch Mithilfe der AfD eine Mehrheit erzielt. Bei der Bekanntgabe des Ergebnisses am Mittwochabend kam es deshalb im Bundestag zu empörten Zwischenrufen.

Die Fraktionschefs von SPD und Grünen gingen sofort ans Redepult. „Heute sind zum ersten Mal Mehrheiten gesucht und billigend in Kauf genommen worden jenseits der demokratischen Mitte“, klagte Britta Haßelmann (Grüne). Die Union sei „aus der politischen Mitte dieses Hauses ausgebrochen“, schimpfte Rolf Mützenich (SPD). Der parlamentarische Geschäftsführer der AfD-Fraktion, Bernd Baumann, triumphierte dagegen. „Jetzt und hier beginnt eine neue Epoche, jetzt beginnt etwas Neues – und das führen wir an, das führen die neuen Kräfte an, das sind die Kräfte von der AfD“, sagte Baumann.

Krisenstimmung: Robert Habeck (li.), Fraktionsvorsitzende Britta Haßelmann und weiteres Führungspersonal der Grünen. (Foto: Kay Nietfeld/dpa)

Angesichts dieser Dramatik lohnt ein genauer Blick auf den Antrag und das Abstimmungsergebnis. Der Antrag enthält die fünf Forderungen, die CDU-Chef Friedrich Merz nach der tödlichen Messerattacke in Aschaffenburg vor einer Woche aufgestellt hat. Dazu gehören dauerhafte Grenzkontrollen und die Zurückweisung ausnahmslos aller Versuche illegaler Einreise. Die Union will „ein faktisches Einreiseverbot für Personen, die keine gültigen Einreisedokumente besitzen und die nicht unter die europäische Freizügigkeit fallen“.

Außerdem sollen Personen, die vollziehbar ausreisepflichtig sind, nicht mehr auf freiem Fuß sein dürfen. „Sie müssen unmittelbar in Haft genommen werden“, heißt es in dem Antrag. Ausreisepflichtige Straftäter und Gefährder sollen künftig in einem zeitlich unbefristeten Ausreisearrest bleiben, bis sie freiwillig in ihr Heimatland zurückkehren oder die Abschiebung vollzogen werden kann. „Aus diesem Arrest ist die freiwillige Ausreise ins Herkunftsland jederzeit möglich. Nicht mehr möglich darf hingegen eine Rückkehr nach Deutschland sein“, heißt es in dem Antrag.

Das BSW enthielt sich, bei der Union gab es eine Abweichlerin

Die Union stellt im Bundestag aktuell nur 196 der 733 Abgeordneten, sie ist von einer Mehrheit also sehr weit entfernt. An der Abstimmung über den Antrag beteiligten sich 702 der 733 Parlamentarier. 348 stimmten mit Ja, 344 mit Nein. Zehn enthielten sich. Die 200 SPD-Abgeordneten, die an der Abstimmung teilnahmen, votierten geschlossen mit Nein, genauso wie die 115 anwesenden Grünen-Vertreter und die 26 von der Linkspartei. Die acht anwesenden Abgeordneten des BSW enthielten sich.

Die Fraktionen von CDU/CSU und FDP stimmten dagegen nicht völlig einheitlich ab. Bei der FDP votierten 80 der 82 anwesenden Abgeordneten mit Ja. Anikó Glogowski-Merten und Ulrich Lechte enthielten sich. Bei der Union stimmten 187 der 188 anwesenden Parlamentarier mit Ja, nur die CDU-Abgeordnete Antje Tillmann votierte mit Nein.

Damit hat die Unionsfraktion angesichts der Kritik am neuen Kurs von Merz, die es auch in der CDU gibt, erstaunlich geschlossen abgestimmt. Auch die Zahl der abwesenden Abgeordneten bewegte sich im Rahmen. Marco Wanderwitz, der vehement für ein Verbot der AfD eintritt, nahm nicht an der Abstimmung teil, ebenso wie Frauen-Union-Chefin Annette Widmann-Mauz, Roderich Kiesewetter, Monika Grütters und Bundestagsvizepräsidentin Yvonne Magwas. Sie gelten als Kritiker des Vorgehens von Merz. Auch die Abgeordneten Thomas Heilmann, Sabine Weiss und Astrid Timmermann-Fechter fehlten bei der Abstimmung.

Triumphgefühle gab es bei der AfD-Fraktion. (Foto: Michael Kappeler/dpa)

Die 75 anwesenden AfD-Abgeordneten stimmten geschlossen mit Ja. Uneinheitlich war das Bild dagegen bei den fraktionslosen Abgeordneten. Bundesverkehrsminister Volker Wissing (früher FDP) und Stefan Seidler vom Südschleswigschen Wählerverband (SSW) stimmten mit Nein. Sechs andere fraktionslose Abgeordnete, die früher in der AfD-Fraktion waren, votierten mit Ja.

Das Abstimmungsergebnis zeigt damit aber auch, dass ohne Unterstützung der FDP der Antrag der Unionsfraktion keine Mehrheit im Bundestag bekommen hätte – trotz der Hilfe der AfD. FDP-Vize Wolfgang Kubicki sagte dazu, seine Fraktion werde „ihre Entscheidungen immer davon abhängig machen, was in der Sache richtig ist und nicht, wer sich wie verhält“. Sozialdemokraten und Grüne machten durch ihr Verhalten die AfD stärker statt schwächer – weil sie Probleme zwar beschrieben, aber nicht lösten.

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) schrieb dagegen auf der Plattform X, das Abstimmungsergebnis sei „ein schlechtes Zeichen. Für das Parlament. Und auch für unser Land.“ Er werde „noch eine Zeit brauchen, zu verarbeiten, was wir heute gemeinsam erlebt haben“. Dieser Tag werde „sicherlich von manchen als historisch beschrieben werden“.

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