Bundestag:Abschied von der Alpha-Riege

Politiker wie Franz Müntefering, Michael Glos oder Wolfgang Thierse haben die deutsche Politik über Jahrzehnte geprägt. Bei der Bundestagswahl 2013 treten sie nicht mehr an. Wer bald Politik-Rentner wird - und wer damit so seine Probleme hat: Ein Überblick.

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Bundestag:Franz Müntefering (SPD)

SPD Bundesparteitag

Quelle: dpa

Politiker wie Franz Müntefering, Michael Glos oder Wolfgang Thierse haben die deutsche Politik über Jahrzehnte geprägt. Bei der Bundestagswahl 2013 treten sie nicht mehr an. Wer bald Politik-Rentner wird - und wer damit so seine Probleme hat: Ein Überblick.

Es ist nicht Franz Münteferings erster Rückzug. Im Oktober 2005 kündigte der damalige SPD-Chef an, nicht mehr für den Parteivorsitz kandidieren zu wollen. Der Vorstand hatte ihm die Gefolgschaft verweigert und statt Münterferings Kandidaten für den Posten des Generalsekräters, Kajo Wasserhövel, die Parteilinke Andrea Nahles zur Generalsekretärin gewählt. Im November 2007 trat Müntefering als Bundesarbeitsminister der großen Koalition zurück, um seine erkrankte Ehefrau zu pflegen.

Als Nachrücker zog der heute 73-Jährige 1975 in den Deutschen Bundestag, nur 1992 bis 1998 war er dort kein Abgeordneter. Müntefering hatte in seiner Karriere eine Fülle von Ämtern inne: Parlamentarischer Geschäftsführer der SPD-Bundestagsfraktion, Generalsekretär, Bundesvorsitzender der SPD, Arbeitsminister in Nordrhein-Westfalen, Bundesverkehrs- und Arbeitsminister. Aufsehen erregte Müntefering mit der Kritik am Investitionsverhalten von Hedge-Fonds und Investmentgesellschaften (Heuschrecken-Debatte), der Heraufsetzung des Rentenalters auf 67 Jahre - und seine Heirat mit der um viele Jahre jüngeren Michelle Schumann, heute Müntefering. Franz Müntefering wird nach seiner Politikkarriere Präsident des Arbeiter-Samariter-Bundes (ASB).

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Bundestag:Michael Glos (CSU)

Glos präsentiert Jahreswirtschaftsbericht

Quelle: dpa

Sein Abschied aus dem Deutschen Bundestag ist weniger überraschend als die Berufung in das höchste Amt, das er je bekleiden durfte - oder musste: Nach der Bundestagswahl 2005 wurde Michael Glos zum Wirtschaftsminister der großen Koaltion berufen - und war davon nicht minder überrascht als das komplette politische Berlin. Schließlich räumte der gebürtige Unterfranke ein, dass ihn dieses Ressort nie besonders interessiert habe. Am 7. Februar 2009 durfte er dann seinen Rücktritt erklären.

Nun zieht sich der 68-Jährige nach 37 Jahren als Abgeordneter aus dem deutschen Bundestag zurück. Seit 1976 war der Müllermeister stets als direkt gewählter Abgeordneter des Wahlkreises Schweinfurt ins Parlament eingezogen und führte mehr als zwölf Jahre die CSU-Landesgruppe. Zu Oppositionszeiten galt er als eine Art Cheerleader der Union bei Bundestagsdebatten.

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Bundestag:Wolfgang Thierse (SPD)

Wolfgang Thierse

Quelle: dpa

Einer der großen Querdenker - und auch Sturköpfe - des Parlaments geht. Doch bei Wolfgang Thierse, Vizepräsident des Deutschen Bundestags, muss sich niemand sorgen, es könne allzu ruhig um ihn werden. Der frühere Bürgerrechtler gehörte 1990 der ersten frei gewählten Volkskammer der DDR an und zog als Mitglied der SPD-Fraktion anschließend in den Bundestag ein. Nach dem Erfolg seiner Partei bei der Bundestagswahl 1998 und der Bildung der ersten rot-grünen Koalition wurde Thierse zum Bundestagspräsidenten gewählt und vier Jahre später im zweithöchsten Staatsamt bestätigt. Seit 2005 ist Thierse Vizepräsident des Parlaments.

Thierse engagiert sich besonders im Kampf gegen den Rechtsextremismus. Zuletzt geriet der Berliner aber durch Äußerungen über den Zuzug von Schwaben nach Berlin in die Kritik: Thierse beklagte sich über die vielen Schwaben in seinem Heimatviertel Prenzlauer Berg und deren angeblich mangelnde Anpassungsbereitschaft.

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Bundestag:Wolfgang Gerhardt (FDP)

FDP Bundesparteitag in München

Quelle: action press

Für ihn war das "Projekt 18" kein Thema. Mit dem überzogenen Selbstbewussten seines innerparteilichen Kontrahenten Jürgen Möllemann konnte Wolfgang Gerhardt ohnehin nie etwas anfangen. Der liberale Vordenker war und ist ein Mann ruhigerer Töne, gleichwohl ging der 1943 geborene Hesse Konflikten innerhalb der eigenen Partei nie aus dem Weg. 2001 musste Gerhard nach sechs Jahren an der Spitze der Bundes-FDP das Amt aber an Guido Westerwelle abgeben.

Dem Bundestag gehört Gerhard seit 1994 an, zuvor war er Mitglied des Hessischen Landtags und Landesminister für Wissenschaft und Kunst. Seit 2006 ist Gerhard Vorsitzender der FDP-nahen Friedrich-Naumann-Stiftung. Nun wird er sich auf diese Aufgabe konzentrieren können.

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Bundestag:Hans-Ulrich Klose (SPD)

Hans-Ulrich Klose, MdB, SPD, Vorsitzender Auswaertiger Ausschuss

Quelle: www.marco-urban.de

Geradlinig, überlegt, vornehm zurückhaltend: Diese hanseatischen Charakterzüge sind auch Hans-Ulrich Klose zu eigen, dem Grandseigneur der hamburgischen Sozialdemokratie. 1937 in Breslau geboren, kam er zu während seines Jurastudiums Ende der Fünfziger in die Hansestadt und fand später bei bei der SPD eine politische Heimat. 1970 wurde Klose in die Bürgerschaft gewählt, 1973 erfolgte der Aufstieg zum Innensenator und nur ein Jahr später die Wahl zum Ersten Bürgermeister der Freien und Hansestadt. Dies blieb Klose bis 1981, ehe der Atomkraftgegner aufgrund innerparteilicher Differenzen um den Bau des Kernkraftwerks Brokdorf zurücktrat.

Es folgte 1983 der Wechsel in die Bundespolitik und den Bundestag. Klose stieg in der Folge zum Fraktionsvorsitzenden und später zum Bundestagsvizepräsidenten auf. Er leitete darüber hinaus den Auswärtigen Ausschuss; der bekennende Transatlantiker tat sich dabei als heftiger Kritiker des kategorischen "Nein" der Regierung Schröder zu einer Beteiligung an einem möglichen Irak-Krieg im Jahr 2003 hervor.

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Bundestag:Kerstin Müller (Grüne)

MUELLER, KERSTIN

Quelle: UTE GRABOWSKY

Es waren nicht immer einfache Zeiten für die starke Frau neben einem noch stärkeren Mann. Kerstin Müller gehörte lange Zeit zu den prägenden Figuren der Grünen - und stand doch immer ein wenig im Schatten der Überfigur Joschka Fischer: Erst als Fraktionsvorsitzende an Fischers Seite, dann als dessen Staatsministerin im Außenministerium. Mit nur 49 Jahren beendet Müller nun ihre Karriere als Bundestagsabgeordnete, die 1994 ihren Anfang nahm. Die Kölnerin, seit 1986 Mitglied der Grünen, will der Jugend Platz machen und sich um die Jugend kümmern: Um ihre Tochter, die schulpflichtig wird.

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Bundestag:Norbert Geis (CSU)

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Quelle: oh

"Ministerium für alles, was selbst in der CSU keiner mehr hören, geschweige denn sagen will." So wurde unlängst der Aufgabenbereich von Norbert Geis in der Süddeutschen Zeitung beschrieben. Seine Meinungen behält der 74-jährige Aschaffenburger nur ungern für sich - zuletzt wies er darauf hin, ein Bundespräsident müsse mit seiner Partnerin auch verheiratet sein. Gerne äußert sich Geis, der seit 1987 dem Bundestag angehört, auch zu gesellschaftlichen Fragen, wettert gegen die Gleichstellung homosexueller Partnerschaften, fordert die "gezielte Tötung von potenziellen Aggressoren" und Sicherungsverwahrung von "Gefährdern" auch ohne Prozess oder plädiert dafür, im Biologieunterricht den Schöpfungsglauben zu lehren. Seit mehreren Jahren ist Geis auch als Autor der neurechten Zeitung Junge Freiheit tätig.

Mit 74 Jahren fühlte sich der Rechtsausleger der CSU noch einmal berufen, für den Bundestag zu kandidieren. Doch diesmal spielte die Basis nicht mehr mit: Geis unterlag im parteiinternen Wettstreit um die Kandidatur für das Direktmandat im Wahlkreis seiner Konkurrentin Andrea Lindholz. Die ist erst 42 Jahre alt, verspricht eine "moderne Politik" - und ist Scheidungsanwältin.

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Bundestag:Ruprecht Polenz (CDU)

ZDF-Fernsehrat in Mainz - Pressekonferenz

Quelle: dpa

Der Leutnant der Reserve quittiert seinen Dienst - als Abgeordneter. Seit 1994 - dem Jahr des letzten Wahlsiegs Helmut Kohls - gehört der Münsteraner Ruprecht Polenz dem Parlament an und gilt als einer der treuesten Verbündeten Angela Merkels. Gleichwohl er in zentralen Fragen anderer Meinung ist als die Bundeskanzlerin. So wirbt der 66-jährige Christdemokrat etwa vehement für einen EU-Beitritt der Türkei und steht damit in Opposition zur Grundhaltung der Union.

Polenz war im Jahr 2000 für einige Monate Generalsekretär der CDU und ist Mitglied des ZDF-Fernsehrates. Als Außenpolitiker wird er parteiübergreifend geschätzt. Auf der Münchner Sicherheitskonferenz Anfang Februar kritisierte er beispielsweise den iranischen Außenminister offen und ohne Rücksicht auf diplomatische Gepflogenheiten.

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Bundestag:Oskar Lafontaine (Die Linke)

Die Linke - Bundesparteitag

Quelle: Julian Stratenschulte/dpa

Keine "Realisierungschancen" für ein Konzept zur Neuordnung der europäischen Finanzmärkte, dass gibt Oskar Lafontaine als Hauptgrund für seinen endgültigen Rückzug aus der Bundespolitik an. Bürgermeister von Saarbrücken, saarländischer Ministerpräsident, SPD-Kanzlerkandidat, Finanzminister und Ko-Vorsitzender von Linke-Fraktion und -Partei - Oskar Lafontaine hat einen langen politischen Weg hinter sich. Unvergessen: 1999 legte der damalige Finanzminister unter Kanzler Gerhard Schröder unerwartet alle politischen Ämter nieder - darunter sein Bundestagsmandat. Nach der Gründung der WASG saß er dann ab 2005 für die Linksfraktion als Vorsitzender neben Gregor Gysi im Bundestag.

2009 war er noch einmal in den Bundestag eingezogen, gab aber kurz darauf sein Mandat auf Grund einer Krebserkrankung ab. Die Linke-Westverbände drängten den ehemaligen Bundesvorsitzenden zuletzt dazu, für die Wahl 2013 zu kandidieren, um der Partei mehr Profil zu geben und ihre Chancen zu erhöhen. Trotz des Entschlusses gegen eine Kandidatur ist Lafontaine weiterhin bereit, sich programmatisch und inhaltlich in die Bundespolitik einzubringen. Niemals geht man so ganz - auf kaum einen deutschen Politiker passt dieser Satz so sehr wie auf Lafontaine.

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Bundestag:Dieter Wiefelspütz (SPD)

Dieter Wiefelspütz, 2000

Quelle: IMO

Nach 26 Jahren ist Schluss für den Rechtswissenschaftler Dieter Wiefelspütz. Der langjährige innenpolitische Sprecher der sozialdemokratischen Fraktion im Bundestag tritt nicht zur Wahl 2013 an. Der 66-Jährige war als Abgeordneter von 1990 bis 1998 Vorsitzender des Ausschusses für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung.

Öffentlich sorgte Wiefelspütz vor allem mit seinen Aussagen zu Inlandsschutz und Online-Sicherheit für Aufsehen. So sprach er sich für private Online-Durchsuchungen in begründeten Fällen aus und argumentierte, die Erlaubnis des Abschusses von entführten Passagiermaschienen durch die Bundeswehr sei im Falle eines Terrorangriffes als Landesverteidigung legitimiert. Darüber hinaus gilt Wiefelspütz als starker Befürworter der Vorratsdatenspeicherung.

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Bundestag:Hermann Otto Solms (FDP)

Bundestag

Quelle: ddp

Der Kassenwart geht. Allerdings nicht ganz freiwillig. Hermann Otto Solms verzichtet nach 33 Jahren im Deutschen Bundestag auf eine erneute Kandidatur. Weil sein hessischer Landesverband sich für einen anderen entschied. Der Vizepräsident des Parlamentes - dieses Amt füllt Solms seit 1998 aus - unterlag Ende 2012 in einer Kampfabstimmung Heinrich Kolb. Daraufhin erklärte der 72-jährige Finanzpolitiker, nicht noch einmal auf der Landesliste kandidieren zu wollen.

Der Wirtschaftswissenschaftler gehört dem Bundestag ununterbrochen seit 1980 an. Seiner Partei diente er zudem von 1987 bis 1999 und 2004 bis 2011 als Schatzmeister.

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Bundestag:Ulrich Maurer (Die Linke)

Ulrich Maurer, 2009

Quelle: Karwasz

Es war eine Mischung aus Frustration und Enttäuschung, die Ulrich Maurer eine neue politische Heimat suchen ließ: Frust angesichts der Politik der Agenda 2010 von Kanzler Gerhard Schröder - und Enttäuschung nach der herben Klatsche durch seine Genossen bei der Bewerbung für Platz eins der SPD-Landesliste für die Europawahl 2004. Ulrich Maurer wechselte 2005 das Lager: von der SPD zur Wahlalternative Arbeit und Soziale Gerechtigkeit (WASG), die 2007 in der neu gegründeten Partei Die Linke aufging. 

Der 64-jährige Jurist war von 1980 bis 2005 Mitglied des baden-württtembergischen Landtags, kandidierte 1982 in Stuttgart für das Amt des Oberbürgermeisters, war Vorsitzender der Landes-SPD Baden-Württemberg und Mitglied im Bundesvorstand. Nach dem Bruch mit den Genossen zog Maurer 2005 für das Wahlbündnis Linkspartei in den Bundestag ein und ist seit 2009 stellvertretender Fraktionschef.

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Bundestag:Joachim Hörster (CDU)

JOACHIM HÖRSTER

Quelle: DPA/DPAWEB

Er war ein leiser Arbeiter im Hintergrund auf einer der wichtigsten Schaltstellen seiner Partei: Acht Jahre lang (1992-2000) agierte Joachim Hörster als Parlamentarischer Geschäftsführer der CDU/CSU-Bundestagsfraktion und organisierte die Abstimmungsprozesse innerhalb der Fraktion und mit den anderen Parteien. Nach der Wahlniederlage 1998 musste der Jurist, der seit 1987 im Parlament sitzt, als Geschäftsführer abtreten. In die Schlagzeilen geriet Hörster im Jahr 2000 im Zuge der CDU-Spendenaffäre um schwarze Konten und illegale Geldtransfers: Er musste eine von ihm selbst vorgenommene Bargeld-Transaktion von 1,146 Millionen DM an die Finanzabteilung der Bundespartei erklären, konnte letztlich aber nachweisen, dass es sich um Beiträge der Fraktionsmitglieder handelte.

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Bundestag:Ilse Aigner (CSU)

German Agriculture and Consumer Protection Minister Ilse Aigner

Quelle: Polaris/laif

Nicht nur die alte Garde verlässt nach der Wahl 2013 den Bundestag: Mit Ilse Aigner strebt eine vergleichsweise dienstjunge Abgeordnete kein neues Mandat mehr an. Die amtierende Ministerin für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz ist seit 1998 Bundestags-Mitglied. Nun zieht es sie zurück in die politische Heimat, nach Oberbayern. Die 48-Jährige will sich auf ein Direktmandat bei der bayerischen Landtagswahl diesen Herbst bewerben. Sie gilt als potenzielle Nachfolgerin des CSU-Ministerpräsidenten Horst Seehofer.

© Süddeutsche.de/müh/dpa/josh/joku/lala
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