Flüchtlinge:Dieses neue Asylgesetz soll der Bundestag heute beschließen

Flüchtlinge am LaGeSo

Flüchtlinge warten beim Berliner LaGeSo auf ihre Registrierung - auch bei Temperaturen um den Gefrierpunkt.

(Foto: dpa)

Mehr sichere Herkunftsstaaten, zentrale Unterbringung, Gutscheine statt Geld: Hält das neue Asylgesetz Flüchtlinge vom Kommen ab?

Von Jan Bielicki

Der Titel umfasst 35 Buchstaben: Asylverfahrensbeschleunigungsgesetz. Umso kürzer ist die Frist, in der die Koalition den Gesetzentwurf durch Bundestag und Bundesrat jagen will: Schon am 1. November soll das Gesetz in Kraft treten. Die Zeit drängt, denn es kommen immer mehr Flüchtlinge - im September waren es an jedem Tag mehr als 5000. Lässt sich mit den neuen, zum Teil deutlich strengeren Regeln die schiere Zahl der Asylbewerber besser in den Griff bekommen?

Was bringt es, Albanien, Kosovo und Montenegro zu sicheren Herkunftsstaaten zu erklären?

Zunächst wenig. Allein das Etikett "sicherer Herkunftsstaat" verkürzt Asylverfahren kaum. Auch ein Bewerber aus solchen Ländern hat ein Recht auf individuelles Gehör, allenfalls beim Begründen einer Ablehnung spart der Entscheider vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) ein paar Minuten Zeit. Tatsächlich ist die Verfahrensdauer für Albaner seit Jahresanfang von fast sechs auf weniger als zwei Monate zurückgegangen, obwohl Albanien bisher noch nicht auf der Liste der sicheren Länder steht. Der Grund: Das Bundesamt bearbeitete diese Anträge mit Priorität. Bei Anträgen aus Serbien oder Bosnien-Herzegowina, obwohl bereits seit Oktober auf dieser Liste, dauert es seither nur unwesentlich kürzer als vorher. Ohnehin ist die Zahl der Ankömmlinge aus den Balkanstaaten zuletzt sehr stark zurückgegangen. So stellten noch im Februar fast 17 000 Kosovaren einen Asylantrag, im September wurden gerade einmal 476 registriert. Die sechs Nicht-EU-Staaten des Balkan stellten im September nur noch sieben Prozent der Ankommenden. Allerdings kommen erfahrungsgemäß Balkanflüchtlinge in den Wintermonaten meist in größeren Zahlen. Zudem hilft die Einstufung als sicherer Herkunftsstaat im Verfahren zwischen Flüchtlingen mit und ohne Bleibeperspektive zu unterscheiden. So sollen beispielsweise Asylbewerber aus sicheren Herkunftsländern künftig grundsätzlich nicht in Deutschland arbeiten dürfen.

Flüchtlinge sollen künftig zunächst Sachleistungen und Gutscheine statt das bisher übliche Taschengeld von bis zu 143 Euro im Monat erhalten - hält sie das wirklich vom Kommen ab?

Die Bundesregierung hofft, "mögliche Fehlanreize" zu beseitigen. Auch diese Regel zielt vornehmlich auf Asylbewerber vom Balkan, von denen es viele allein aus wirtschaftlichen Gründen nach Deutschland zieht. Syrer, Iraker und Afghanen, die derzeit fast zwei Drittel der Ankommenden stellen, kommen allerdings nicht wegen der Sozialleistungen, sondern wegen der Kriege in ihrer Heimat und in der Hoffnung, hier arbeiten zu können. Das Taschengeld würde schon die hohen Schleuser-Kosten nicht aufwiegen.

Was nützt es, Asylbewerber künftig bis zu sechs Monate oder gar bis zum Ende ihres Verfahrens in Erstaufnahmeeinrichtungen unterzubringen?

Damit will die Bundesregierung nicht nur die Kommunen entlasten, sondern auch die Verfahren beschleunigen. Die zentrale Unterbringung spart den aufwendigen Hin- und Hertransport von Asylbewerbern und Akten - und soll das Abschieben der Abgelehnten vereinfachen. Das Problem dabei: Viele Bundesländer haben schon jetzt längst nicht genug Plätze in diesen Einrichtungen, um Flüchtlinge länger als ein paar Wochen dort zu behalten. Beim Bau der nach amtlichen Schätzungen 150 000 fehlenden Plätze will der Bund den Ländern zwar mit Liegenschaften und Geld unter die Arme greifen. Doch bis sie eingerichtet sind, kann es dauern - auch wenn das neue Gesetz Standards beim Bau von Flüchtlingsheimen herabsetzt.

Erleichtert das neue Gesetz das Abschieben abgelehnter Asylbewerber?

Eindeutig ja. So soll, wer ausreisen muss, also im Amtsdeutsch "vollziehbar ausreisepflichtig" ist, nach dem behördlich festgesetzten Ausreisetermin keine Sozialleistungen mehr erhalten, die über Unterkunft und Essen hinausgehen. Bislang hatten auch Ausreisepflichtige Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz erhalten - nach den neuesten verfügbaren Daten von Ende 2014 waren das aber nur etwa 13 000 Menschen, wie das Bundesinnenministerium der Linken-Abgeordneten Ulla Jelpke antwortete. Insgesamt waren Ende August 53 000 Menschen als ausreisepflichtig erfasst. Im ersten Halbjahr 2015 kam es zu 8178 Abschiebungen. Von den 25 000 im Vorjahr abgelehnten Asylbewerbern aus den Balkanstaaten befand sich Ende Juni noch die Hälfte in der Bundesrepublik.

Womit versucht der Bund noch, der Zahl der Asylbewerber Herr zu werden?

Vor allem mit mehr Geld und Personal. Beides ist nötig, um die Regeln auch umzusetzen. Auch darum beteiligt sich der Bund mit einer Monatspauschale von 670 Euro an den Kosten, die den Ländern mit jedem Flüchtling entstehen. Die Bundespolizei soll 3000 neue Stellen bekommen. Im Bamf sollen zu den 550 Entscheidern 450 weitere hinzukommen; ob das ausreicht, gilt jedoch als äußerst fraglich angesichts der etwa 300 000 Fälle, die das Amt bereits jetzt vor sich herschiebt.

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