Bundesregierung:Ampel weist Zweifel an Ukraine-Hilfe zurück

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Ukrainische Soldaten feuern in der Region Donezk auf russische Stellungen. Kiews Militär ist auf Hilfe auf den Westen angewiesen. (Foto: HANDOUT/AFP)

Ein Brief aus dem Finanzministerium weckt den Verdacht, die Solidarität Deutschlands stehe infrage. Die Regierung weist das zurück. Vom kommenden Jahr an sollen Zinserlöse aus eingefrorenen russischen Vermögen als Geldquelle zur Verfügung stehen.

Von Daniel Brössler, Claus Hulverscheidt, Georg Ismar, Berlin

Die Bundesregierung ist Berichten über ein mögliches Versiegen der deutschen Waffenhilfe für die Ukraine entgegengetreten und hat sich zugleich um Schadensbegrenzung bemüht. An der Entschlossenheit und dem Engagement Deutschlands ändere sich nichts, betonte Vize-Regierungssprecher Wolfgang Büchner am Montag in Berlin. „Wenn es Medienberichte gibt, die anderes insinuieren, weise ich die hiermit zurück“, sagte er. Es sei „fast schon infam, der Bundesregierung oder dem Kanzler zu unterstellen, sie würden ein Signal aussenden, die Ukraine weniger unterstützen zu wollen wegen irgendwelcher innenpolitischer Aspekte“. Am Montagabend schrieb Olaf Scholz auf der Plattform X, Deutschland sei und bleibe „der stärkste Unterstützer der Ukraine in Europa“. Der Stopp der Waffenlieferungen an die Ukraine wird von der AfD und Sahra Wagenknechts BSW gefordert. Das Thema spielt eine zentrale Rolle in den ostdeutschen Landtagswahlkämpfen.

Das Auswärtige Amt zeigte sich besorgt wegen des internationalen Echos auf die in Deutschland laufende Debatte. „Es ist schon so, dass insbesondere in Mittel- und Osteuropa das Vertrauen in die deutsche Ukraine-Politik ein eher zartes Pflänzchen ist, das immer gut gepflegt und gegossen werden muss“, sagte der Sprecher von Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne). Umso wichtiger sei die Klarstellung, dass Deutschland „nicht wackelt“. Auslöser der Debatte war ein Brief von Finanzminister Christian Lindner (FDP) an Baerbock und Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD). Darin betont Lindner, dass im laufenden Jahr neue Maßnahmen mit Zahlungsverpflichtungen nur noch ergriffen werden dürfen, wenn „eine Finanzierung gesichert ist“ und die Obergrenzen eingehalten würden.

Pistorius habe wegen des hohen Verschleißes in der Ukraine als überplanmäßige Ausgabe 3,8 Milliarden Euro mehr für das laufende Jahr erbeten, hieß es am Montag in Haushälterkreisen. Kanzleramt und Finanzministerium hätten das bisher aber blockiert, was zu Planungsunsicherheit führe. „In einem Krieg brauche ich einen kontinuierlichen Nachschub“, sagte ein Haushälter der SZ. Allerdings ist das Finanzministerium inzwischen bemüht, Kompromissbereitschaft zu signalisieren. Diese Signale nehme man „wohlwollend zur Kenntnis“, sagte ein Sprecher von Pistorius. Es gehe darum, neben der langfristigen Planung die Ukraine auch kurzfristig etwa mit Munition unterstützen zu können.

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Als „unzutreffend“ bezeichnete Büchner, dass wegen der Finanzierungsengpässe bereits ein kurzfristig von einem Drittstaat angebotenes Iris-T-System mit kürzerer Reichweite (Iris-T SLS) des Herstellers Diehl nicht für die Ukraine finanziert werden konnte. Zweifel waren allerdings auch daran aufgekommen, ob im Haushalt für 2025 genügend Mittel für die Ukraine bereitgehalten werden. Bisher sind dort nur etwa vier Milliarden für die militärische Unterstützung eingeplant, knapp die Hälfte der 7,1 Milliarden Euro bisher im laufenden Jahr. Hintergrund ist die Annahme, dass vom kommenden Jahr an eine neue Geldquelle für die Ukraine zur Verfügung stehen wird, und zwar ein Kredit in Höhe von 47 Milliarden Euro, der aus Zinserlösen eingefrorenen russischen Vermögens bedient wird. Auf diesen Kredit verwies auch Scholz in seinem Beitrag auf X: „Damit kann die Ukraine in großem Umfang Waffen beschaffen. Darauf kann sie bauen.“

Vize-Regierungssprecher: „Nur recht und billig, dass der Aggressor Russland“ herangezogen werde

Die Bundesregierung gehe davon aus, dass dieses Instrument wie von den führenden westlichen Staaten (G7) beschlossen bis Jahresende auf den Weg gebracht werden könne, versicherte Büchner. Dann werde es der Ukraine bereits im kommenden Jahr zur Verfügung stehen. Es sei „nur recht und billig, dass der Aggressor Russland“ herangezogen werde. Im Übrigen bleibe Deutschland größter europäischer Helfer der Ukraine.

Die russische Notenbank hat Wertpapiere im Volumen von umgerechnet rund 260 Milliarden Euro im Ausland geparkt, etwa 200 Milliarden davon liegen in der EU. Mit Beginn des Angriffskriegs gegen die Ukraine wurden die Konten eingefroren, Moskau kann seither nicht mehr darauf zugreifen. Vor allem die US-Regierung drang lange darauf, das Vermögen zu beschlagnahmen und an die Ukraine auszuzahlen. Deutschland und andere Staaten lehnten dies jedoch als völkerrechtswidrig ab. Stattdessen ist nun geplant, die Zinserträge dieser Wertpapiere in Höhe von drei bis vier Milliarden Euro jährlich zu nutzen, um den Kredit zu tilgen. Die EU ist bereit, sich etwa die Hälfte der Summe am Kapitalmarkt zu leihen und über eine Aufstockung der bereits laufenden sogenannten Makrofinanzhilfe an die Ukraine weiterzuleiten.

Diese Konstruktion wäre in der EU per Mehrheitsentscheid durchsetzbar, russlandfreundliche Regierungen wie etwa die ungarische könnten sie also nicht verhindern. Voraussetzung ist allerdings, dass der Beschluss noch in diesem Jahr fällt. Die G-7-Staaten stehen somit gehörig unter Zeitdruck. Aus G-7-Kreisen verlautete am Montag, es gebe bei den Verhandlungen noch Arbeit, man gehe aber weiter davon aus, dass der Kredit spätestens zum Jahresende ausgezahlt werden könne. Nicht nur Finanzminister Lindner, sondern auch Bundeskanzler Olaf Scholz drängten auf einen Erfolg, hieß es.

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