In die deutsche und europäische Migrations- und Sicherheitsdebatte kehrt keine Ruhe ein. Nachdem die Fraktionen von SPD, Grünen und FDP sich am Freitag auf einen Kompromiss zum „Sicherheitspaket“ geeinigt hatten, gab es am Wochenende harsche Kritik an den teilweise abgeschwächten Beschlüssen. Unterdessen kündigte Polens Ministerpräsident Donald Tusk an, das Recht auf Asyl zumindest vorübergehend auszusetzen, um die illegale Migration zu bekämpfen. Das sei eines der Elemente seiner neuen Migrationsstrategie, sagte er laut der Nachrichtenagentur PAP. Er werde „die Anerkennung dieser Entscheidung in Europa einfordern“. Am Donnerstag tagen die Regierungschefs der EU zu diesem Thema.
In Deutschland dreht sich die Debatte einerseits um mehr Befugnisse für die Sicherheitsbehörden und ein strengeres Waffenrecht, andererseits um ein härteres Vorgehen gegen die irreguläre Migration. Das Sicherheitspaket hatte das Kabinett nach dem Terroranschlag in Solingen beschlossen. Es enthält Messerverbote; außerdem soll ein biometrischer Abgleich zur Gesichtserkennung erlaubt sein, um Tatverdächtige schneller zu identifizieren. In der Migrationspolitik sollen ebenfalls biometrische Daten genutzt werden, um die Identität von Geflüchteten festzustellen. Zusätzlich sollen sogenannte Dublin-Fälle, also Migranten, für die ein anderes EU-Land zuständig wäre, keine Sozialleistungen mehr erhalten – allerdings nur, wenn der eigentlich zuständige EU-Staat der Rücknahme zustimmt. Anerkannte Schutzberechtigte, die in ihre Heimatländer reisen, sollen zudem in aller Regel ihren Schutzstatus verlieren.
Änderung an den Leistungsgesetzen
Der Bundestagsbeschluss zum Sicherheitspaket hatte sich zunächst verzögert, nun soll es diese Woche zur Abstimmung kommen. Der Süddeutschen Zeitung liegen die vorläufigen Änderungsanträge vor, die jetzt im Innenausschuss beraten werden sollen. Aus ihnen geht hervor, dass es geringere Leistungen bei Dublin-Fällen nur dann geben soll, wenn die Ausreise „rechtlich und tatsächlich möglich ist“. Eine Reise in die Heimat wiederum soll nicht zum Verlust des Schutzstatus führen, wenn sie „sittlich zwingend geboten“ ist. Wegen der in der Bundestagsanhörung geäußerten Kritik am biometrischen Abgleich soll unter anderem die „Eingriffsschwelle“ dafür auf den „Verdacht einer besonders schweren Straftat“ erhöht werden; auch sonst wurden die Anforderungen für dieses Instrument verschärft.
Parallel zur Einigung beim Sicherheitspaket legte Innenministerin Nancy Faeser (SPD) Gesetzentwürfe vor, mit denen die beschlossene Reform des EU-Asylrechts in Deutschland umgesetzt werden soll. So sollen abgelehnte Asylbewerber im Fall von „Sicherheits- oder Ordnungsrisiken“ schneller abgeschoben werden. Aus Italien hieß es unterdessen, die geplanten Auffanglager für Flüchtlinge in Albanien seien fertiggestellt und sollten nach dem Willen des italienischen Innenministers umgehend in Betrieb genommen werden.
Merz verlangt Zurückweisung an den Grenzen
Unionskanzlerkandidat Friedrich Merz sagte auf dem CSU-Parteitag zum Sicherheitspaket, offensichtlich hätten die Grünen „schon wieder einmal“ große Teile der Beschlüsse abgeschwächt. „Und eines fehlt völlig, nämlich die Zurückweisungen an den Grenzen.“ Auch Andrea Lindholz (CSU), Unionsfraktionsvize und frühere Vorsitzende des Innenausschusses, sagte der SZ, aus einem „halben Schritt nach vorn“ hätten die Ampelfraktionen einen „Trippelschritt im Bereich Sicherheit und Migration“ gemacht. Die Abschwächung sei „verheerend“.
Die Leistungskürzungen bei Dublin-Fällen hätten schon vorher nur begrenzte Wirkung gehabt, jetzt sei das Instrument weiter geschwächt. „Auch bei den neuen digitalen Befugnissen werden die Hürden für die Behörden so erhöht, dass ihre Wirksamkeit für die Praxis infrage steht.“ Die Waffenrechtsänderungen wiederum verursachten überwiegend „Bürokratie und Aufwand, der kaum zu kontrollieren ist“. Lindholz forderte wie Merz „umfassende Zurückweisungen an den Grenzen“ sowie die Speicherung von IP-Adressen zur Kriminalitätsbekämpfung.
Auch der Bundesgeschäftsführer des Deutschen Richterbundes, Sven Rebehn, sagte: „Die Ampelfraktionen wollen das zu klein geratene Sicherheitspaket der Bundesregierung noch weiter zu einem Mini-Päckchen schrumpfen.“ Mit den Messerverboten und neuen Befugnissen der Polizei werde für die innere Sicherheit nicht viel gewonnen, auf eine europarechtskonforme Neuregelung zum Speichern von IP-Adressen hingegen habe sich die Ampel nicht verständigen können.
FDP-Fraktionsvize Konstantin Kuhle verteidigte das Paket hingegen. „Schutzsuchenden, für die ein anderer EU-Mitgliedsstaat zuständig ist, wie beim Täter von Solingen, werden die Sozialleistungen gestrichen“, sagte er der SZ. Dass man seinen Schutzstatus leichter verliert, wenn man in sein Heimatland reist, werde sogar „auch auf die Gruppe der subsidiär Schutzberechtigten ausgeweitet“. Und für die Waffenverbotszonen gebe es einen „einheitlichen Ausnahmekatalog“.