Bundesregierung:Schwarz-Grün im Bund? Mit der CSU bleibt das ein Hirngespinst

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Kanzlerin Merkel im Gespräch mit Katrin Göring-Eckardt. (Foto: REUTERS)

Eine schwarz-grüne Bundesregierung erschien Kanzlerin Merkel einst sehr unwahrscheinlich. Doch es hat sich viel verändert: 2017 würde dieses Bündnis wohl weder an den Grünen scheitern noch an der CDU. Der Gegner sitzt in Bayern.

Analyse von Thorsten Denkler, Berlin

In Hessen läuft es schon länger so, in Baden-Württemberg geht es jetzt los und in Sachsen-Anhalt, wenn auch aus der Not geboren, regieren sie ebenfalls zusammen. Die Schwarzen und die Grünen. Den gescheiterten Versuch in Hamburg eingerechnet ist das schwarz-grüne respektive grün-schwarze Experiment bisher viermal realisiert worden.

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In Hamburg ist es übrigens nicht daran gescheitert, dass die von der CDU nicht mit denen von den Grünen gekonnt hätten. Im Gegenteil. Gerade grüne Vertreter in der Regierung waren überrascht, dass sie, anders als sie es oft mit Sozialdemokraten erlebt haben, auf Augenhöhe behandelt wurden.

Vor allem aber das hessische Bündnis zwischen dem Knochen-Konservativen Volker Bouffier und dem grünen Pragmatiker Tarek al Wazir zeigt seit 2013, dass CDU und Grüne entspannt und fair miteinander regieren können.

Die staatspolitische Verantwortung in den Genen

In Sachsen-Anhalt und zuvorderst in Baden-Württemberg müssen die Partner zwar erst noch beweisen, dass sie miteinander können. Aber so geräuschlos, wie schon die Koalitionsverhandlungen gelaufen sind, steht da kaum etwas zu befürchten. Zumal alle Partner - in Sachsen-Anhalt zusätzlich die SPD - zeigen müssen, dass sie ihrer staatspolitischen Verantwortung gerecht werden können.

In der CDU ist diese staatspolitische Verantwortung quasi in den Genen verankert. Die Grünen haben erst lernen müssen, dass es manchmal sinnvoller ist, einen Kompromiss zu schlucken, als in aller Pracht und Schönheit auf den Oppositionsbänken vor sich hin zu welken. Die Grünen, so scheint es, sind heute bereit, auch im Bund mit der Union zu regieren.

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Kanzlerin Angela Merkel ist es ohnehin schon. Auf einem CDU-Parteitag hat sie schwarz-grün 2010 noch als "Hirngespinst" abgetan. Heute sind die Vorzeichen andere. Sie hat sich mit Peter Altmaier einen Kanzleramtschef an ihre Seite geholt, der als Teil der Pizza-Connection schon zu Bonner Zeiten die Gemeinsamkeiten mit den Grünen ausgelotet hat. Auch Gesundheitsminister Hermann Gröhe hatte mitgemischt. Auf grüner Seite waren die heutige Fraktionsvorsitzende Katrin Göring-Eckardt und der heutige Parteichef Cem Özdemir dabei.

Zudem haben sich nun führende CDU-Politiker gegen ein erneutes Bündnis mit der SPD nach der Bundestagswahl 2017 ausgesprochen. "Eine Fortsetzung der großen Koalition sollte es nach der nächsten Wahl möglichst nicht geben, auch wenn wir nach wie vor gut mit der SPD regieren", sagte Unionsfraktionschef Volker Kauder der Rheinischen Post vom Samstag. Den Regierungsfraktionen solle wieder eine stärkere Opposition gegenüberstehen. Das sei der Regelfall in einer Demokratie.

Ähnlich argumentiert Präsidiumsmitglied Jens Spahn. "Was ich nicht will, sind vier weitere Jahre eine große Koalition", hatte er dem Magazin Focus gesagt und für ein schwarz-grünes Bündnis im Bund geworben: "Wir brauchen mehr als eine Koalitionsoption. Das ist am Ende auch gut für die Demokratie und die politische Kultur."

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Merkel wird ja gerne unterstellt, der Machterhalt alleine sei es, der sie auch vor ungewöhnlichen Bündnissen nicht zurückschrecken lässt. Merkel hat diesen Willen zur Macht. Aber eher nicht im Sinne eines Gerhard Schröder, der in jungen Jahren als Juso an den Gitterstäben des Bonner Kanzleramts rüttelte und rief "Ich will da rein!". Merkel ist Pragmatikerin. Wer etwas verändern will, wer Politik gestalten will, der braucht die Macht. Und geteilte Macht ist immer besser als keine Macht. Nur mit der AfD und den Linken würde sie wohl in keinem Fall regieren wollen.

Ginge es nur um Grüne und CDU, die Sache wäre geritzt. Inhaltlich sind die größten Hürden längst abgeräumt. Merkel hat nach der Kernschmelze in Fukushima den rot-grünen Atomausstieg bestätigt und die Energiewende eingeläutet. Sie hat sich als Klimakanzlerin feiern lassen. Und würde dies wohl auch wieder tun, wenn ihr das opportun erscheinen würde. Selbst in gesellschaftspolitischen Fragen wie der Homoehe sind Grüne und CDU nicht so weit voneinander entfernt. Allein das Adoptionsrecht trennt Homo-Ehen noch von der völligen Gleichstellung mit Hetero-Ehen.

Merkels Kurs der Modernisierung wird auch von Meinungsforschern wie Matthias Jung gestützt. Er stellte in einer CDU-Sitzung mit der Kanzlerin fest, die Gesellschaft insgesamt sei fortschrittlicher als der gemeine Unionsanhänger oder Parteigänger.

Die Grünen von heute wiederum haben kein Problem damit, mehr Polizisten zu fordern und stellen auch die Geheimdienste nicht mehr grundsätzlich in Frage. Innere Sicherheit ist grünes Thema geworden, genau wie die Versöhnung von Wirtschaft und Ökologie.

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Keine unüberbrückbaren Gegensätze

Unüberbrückbares gibt es auf beiden Seiten nicht mehr. Im Bundesrat tragen die Grünen jetzt sogar die Ausweitung der sicheren Herkunftsländer mit. Merkel gilt unter Grünen als Heldin, seit sie sich in der Flüchtlingsfrage offen auf die Seite der Notleidenden gestellt hat.

Nur in der Steuerpolitik gibt es noch große Unterschiede. Die Grünen wollen mehr Umverteilung von oben nach unten. Die CDU lässt lieber alles wie es ist. Die Grünen haben allerdings im Wahlkampf 2013 gemerkt, dass die Umverteilungsfrage keine ist, die grüne Wähler massenhaft umtreibt.

Wenn die Konstellation es nach der Wahl 2017 zulässt, stünde einem schwarz-grünen Bündnis eigentlich nichts im Wege. So müsste diese Konstellation aussehen:

  • Schwarze und Grüne müssten zusammen eine satte Mehrheit haben. Irgendein knappes Ding mit zwei drei Sitzen Vorsprung wäre allen Beteiligten zu heikel.
  • Die SPD wäre noch einmal deutlich abgerutscht auf einen Wert, der ein Weiterregieren schon aus Gründen des Anstandes nicht mehr möglich machen würde.
  • Andere Zweier-Bündnisse als Union mit SPD oder Grünen sind nicht möglich. Sobald die FDP mit im Spiel ist und ernsthaft mitregieren wollen würde, wird es schwer, Schwarz-Grün durchzusetzen.

Die Sache hat nur einen Haken. Und der heißt: CSU.

Wer glaubt, Schwarz-Grün sei schon so gut wie sicher, der muss sich nur den aktuellen Kurs der von Parteichef Horst Seehofer geführten CSU anschauen. Maximale Abgrenzung zu Merkel und ihrem freundlichen Gesicht gegenüber Flüchtlingen. Alexander Dobrindt, Verkehrsminister und Seehofers Statthalter im Kabinett Merkel, spekuliert offen darüber, ob CDU und CSU 2017 überhaupt noch gemeinsam in den Wahlkampf ziehen.

Seehofer droht, selber als Spitzenkandidat auf Bundesebene anzutreten, um den Bayern zu zeigen: Wer CSU wählt, der wählt womöglich auch Merkel. Aber keinesfalls Merkels Flüchtlingspolitik. Eine eher technische Einigung über den verlängerten Einsatz von Bundespolizisten an der deutschen Außengrenze wertete Seehofer als vollen Sieg über die Kanzlerin, als notariell besiegeltes Ende von Merkels Willkommenskultur.

Eine CSU, die sich in der Frage schon der eigenen Schwesterpartei gegenüber als schwer kompromissfähig zeigt, die wird mit den Grünen noch weniger anfangen können.

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Aus Sicht der CSU muss die Union die rechte Flanke wieder zumachen, um die Rechtspopulisten von der AfD kleinzukriegen. Merkel denkt daran nicht mal. Sie will sich möglichst breit machen in der Mitte. Von dort aus kann nicht gegen sie regiert werden. Weder von links noch von rechts. Verlässt sie die Mitte, verschafft sie der SPD möglicherweise wieder Raum für neue Stärke. Merkel will die Union dauerhaft als stärkste Kraft etablieren.

Dieser Kernkonflikt innerhalb der Union würde sich in einem Bündnis mit den Grünen noch verschärfen. Die Soll-Bruchstelle für so eine Koalition wäre nicht die grüne Partei - sondern die CSU.

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