Die Bundesregierung zieht ein äußerst besorgniserregendes Zwischenfazit ihres politischen und militärischen Engagements in der Sahelzone in Westafrika. Die Sicherheitslage sowie die humanitäre und politische Lage hätten sich "trotz langjährigen und erheblichen internationalen Engagements seit 2021 deutlich verschlechtert", heißt es in der überarbeiteten Sahel-Strategie, die das Auswärtige Amt, das Entwicklungshilfeministerium und das Verteidigungsministerium jetzt vorgelegt haben. Anfang 2023 seien 2,7 Millionen Menschen im Sahel auf der Flucht und fast 18 Millionen auf humanitäre Hilfe angewiesen gewesen.
Der Terrorismus in Mali, Burkina Faso sowie in Teilen Nigers habe weiter zugenommen. Die Sicherheitskrise breite sich auf andere Länder aus und habe das Potenzial, "große Teile Westafrikas zu destabilisieren", heißt es weiter in dem Konzeptpapier der drei Ministerien, das der Süddeutschen Zeitung vorliegt. Auch der weitere Ausblick gerät düster: "Selbst in den günstigsten Szenarien werden die Effekte der Klimakrise und das demographische Wachstum die vielfältigen, sich überlappenden und gegenseitig verstärkenden Krisen im Sahel mittel- bis langfristig weiter verschärfen." Bis zum Jahr 2040 werde im Sahel etwa eine Verdopplung der Bevölkerung auf 160 Millionen Menschen erwartet.
Die bisherige Strategie ist weggebrochen
Die Bundesregierung muss ihre Hilfe für die Sahelzone grundlegend überarbeiten. Die bislang geleistete militärische Unterstützung vor allem in Mali bricht wegen veränderter politischer Rahmenbedingungen weitgehend weg. Deutschland hatte sich in Mali zwischenzeitlich mit bis zu etwa 1400 Soldaten in zwei Militärmissionen engagiert. Insgesamt belaufen sich die Kosten für den zehnjährigen Bundeswehreinsatz auf etwa 4,3 Milliarden Euro.
Unter dem Dach der EU hatte Deutschland geholfen, malische Soldaten für den Anti-Terror-Kampf auszubilden. Dieser Einsatz wurde beendet, nachdem die malischen Machthaber russische Söldner der "Gruppe Wagner" zur Unterstützung im Kampf gegen islamistische Terrorgruppen ins Land geholt hatten. "Der russische Anti-Terror-Einsatz in Mali wird begleitet von zum Teil schweren Menschenrechtsverletzungen und wirkt damit destabilisierend", heißt es im neuen Strategiepapier.
Nur noch bis Mai 2024 sollen sich Bundeswehrsoldaten an der UN-Blauhelmmission "Minusma" in Mali beteiligen. Mit allein 1100 Soldaten liegt darin der Schwerpunkt des militärischen Engagements Deutschlands in der Sahelzone. Das Ende der Mission ist eingeleitet worden, weil die Militärregierung in Mali die Bundeswehr darin behindert, ihrem Auftrag adäquat nachzukommen. Sie lässt den Einsatz von Aufklärungsdrohnen nicht mehr zu.
Künftig will man sich auf "vergleichsweise stabile Staaten" konzentrieren
Schon jetzt zeigt sich, wie vor allem Russland und China aber mittlerweile auch die Türkei versuchen, sich Mali als Partner anzubieten, teils durch entsendete Soldaten, teils durch zur Verfügung gestelltes Militärgerät. Bei einer gemeinsamen Reise ins Krisengebiet im April haben Verteidigungsminister Boris Pistorius und Svenja Schulze, Ministerin für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (beide SPD), klargemacht, dass Deutschland die Region nicht im Stich lassen wolle.
Der überarbeiteten Sahelstrategie zufolge wolle man sich künftig auf "vergleichsweise stabile Staaten" als Partner konzentrieren. "Insbesondere in Niger wird die Bundesregierung ihr Engagement daher ausbauen." In dem Nachbarland von Mali unterhält die Bundeswehr ein Luftdrehkreuz, über das der Einsatz in Mali versorgt wird. Es soll nach dem Willen von Verteidigungsminister Pistorius auch bleiben, wenn die Truppen aus Mali abgezogen sind.
Die militärische und entwicklungspolitische Zusammenarbeit mit Niger war in den vergangenen Jahren ausgebaut worden. Auch dieses Land steht im Kampf mit terroristischen Gruppen, die Lage im Land bleibe "fragil", heißt es im Konzeptpapier. Ganz den Kontakt zu Mali abbrechen werde man nicht. "Wir werden jedoch mit allen Regierungen im Sahel Gesprächskanäle und notwendige Arbeitskontakte erhalten", heißt es weiter.
Wo eine Zusammenarbeit mit autoritären Regierungen nicht oder nur eingeschränkt möglich ist, will sich die Bundesregierung darauf konzentrieren, direkte Unterstützung für die Bevölkerung zu leisten. Zudem soll die Zusammenarbeit mit der Afrikanischen Union und anderen regionalen Zusammenschlüssen, wie der Accra-Initiative ausgebaut werden.