Süddeutsche Zeitung

Bundesregierung:Saarlandization

Der Heiko, der Peter und nun es Annegret - Deutschlands zweitkleinstes Bundesland stellt nun gleich drei wichtige Minister im Berliner Kabinett.

Von Detlef Esslinger

Interesse am Saarland? Hinfahren wäre natürlich eine Form, die Gegend kennenzulernen. Es gibt dort Wald und Wein (an der Mosel, nicht an der Saar), Dörfer, die quasi aus Eternit gezimmert sind, sowie Bewohner, die einem männlichen Vornamen den männlichen Artikel voranstellen, Frauen aber den sächlichen. "Der Heiko", sagen sie also, und "es (= das) Annegret". Wer eine Fahrt derzeit nicht plant, aber zumindest eine Ahnung bekommen will, kann hilfsweise zur Saarbrücker Zeitung greifen. Am Mittwoch zum Beispiel: "Saarländerin Annegret Kramp-Karrenbauer ist jetzt Verteidigungsministerin", formulierten die Kollegen.

Das Saarland war im 20. Jahrhundert deutsch, französisch, deutsch, autonom und wieder deutsch. Es hat weniger Einwohner als Köln. Von Merzig im Westen bis Homburg im Osten ist es kürzer als von Köln nach Essen. Vom Eindruck, im Reich (so sprechen sie hier, ernsthaft) etwas zu gelten, kann man gar nicht genug bekommen. "Drei Saarländer in drei bedeutenden Ressorts der Bundesregierung", schrieb Ministerpräsident Tobias Hans (CDU) am Mittwochmorgen, 9.02 Uhr, hinweisend auf seine Parteikollegen Kramp-Karrenbauer sowie Peter Altmaier im Wirtschafts- und den Sozialdemokraten Heiko Maas im Außenministerium. "Dies hat es bislang noch nie gegeben." Wenn's ums Saarland geht, kennen Saarländer keine Parteien mehr, sie kennen nur noch Saarländer. Ein Spiegel-Redakteur gab neulich dem Saarländischen Rundfunk ein Interview; der Moderator führte ihn den Hörern so ein: "Nils Minkmar, das wissen Sie, ist im Saarland aufgewachsen." Einen Spiegel-Redakteur aus dem Saarland kann man im Saarland als bekannt voraussetzen. Und "Saarländerin Kramp-Karrenbauer", das schreibt man natürlich nicht, um die Frau vorzustellen. Es ist ein Ausruf.

Was Saarländer stolz macht: wenn Leute aus großen Städten sie für wichtig erklären. "The Saarlandization of German Politics", schrieb der Economist aus London, mit Blick auf die drei Politiker plus den Generalinspekteur der Bundeswehr (Geburtsort: Saarbrücken) sowie die Chefin der EU-Generaldirektion Handel, aufgewachsen bei Saarlouis. Was Saarländer hingegen bekümmert: wenn Leute aus großen Städten sich mokieren. "Spiegel-TV" aus Hamburg brachte am Montag einen Beitrag über Drogen und Armut in Saarbrücken, im üblichen uncharmanten Ton. Pffft. Aber hier? "Jedem echten Saarbrücker blutet das Herz, wenn seine Stadt so verzerrt dargestellt wird", erklärte der neugewählte OB Uwe Conradt laut Saarbrücker Zeitung. Es Annegret musste zur Ernennung, vielleicht sagte es nur deshalb nichts dazu.

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SZ vom 18.07.2019/cat
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