Die Ukraine fordert eine Sondersitzung des UN-Sicherheitsrats zur Ankündigung des russischen Präsidenten Wladimir Putin, taktische Atomwaffen in Belarus zu stationieren. Die Pläne seien ein "weiterer provokativer Schritt des kriminellen Regimes" des Kremlchefs, erklärte das Außenministerium am Sonntag in Kiew. Damit würden die Grundsätze des Atomwaffensperrvertrags, die nukleare Abrüstungsarchitektur und das internationale Sicherheitssystem insgesamt untergraben.
Die Regierung in Kiew appellierte an die vier anderen ständigen Mitglieder des Sicherheitsrates und offiziellen Atommächte, also die USA, Frankreich, Großbritannien und China, gegen die "nukleare Erpressung" durch Russland vorzugehen. Vor wenigen Tagen hatte Putin zusammen mit dem chinesischen Staats- und Parteichef Xi Jinping zu dessen Besuch in Moskau noch eine gemeinsame Erklärung veröffentlich, in der die beiden forderten, die offiziellen Atommächte sollten "darauf verzichten, Atomwaffen im Ausland zu stationieren und im Ausland stationierte Atomwaffen abziehen".
Die Ukraine warf Putin vor, Belarus als nukleare Geisel zu nehmen. Der Vorsitzende des Nationalen Sicherheits- und Verteidigungsrats in Kiew, Oleksij Danilow, schrieb auf dem Kurznachrichtendienst Twitter, die Ankündigung sei ein weiterer Schritt, das Land im Inneren zu destabilisieren und werde die Ablehnung Putins in der Gesellschaft verfestigen.
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Die Bundesregierung wies Putins Ankündigung, die er in einem Interview mit dem Staatsfernsehen gemacht hatte, am Samstag als "weiteren Versuch der nuklearen Einschüchterung" zurück. "Wir weisen solche Versuche zurück und werden uns davon in unserem Kurs nicht beirren lassen", hieß es aus dem Auswärtigen Amt. Belarus habe sich in mehreren Erklärungen international verpflichtet, frei von Atomwaffen zu sein.
Frankreich verurteilte das Vorhaben des Kreml. Nach der Verletzung des INF-Vertrags zum Verbot nuklearer Mittelstreckensysteme durch Russland, die zu dessen Ende geführt habe, und der Ankündigung Russlands, seine Teilnahme am New-Start-Vertrag über die Begrenzung strategischer Atomwaffen auszusetzen, trage die Vereinbarung mit Belarus zur Stationierung zusätzlich dazu bei, die internationale Architektur der Rüstungskontrolle und die strategische Stabilität in Europa zu untergraben.
Polen kritisierte die Ankündigung scharf: "Wir verurteilen diese Verstärkung der Bedrohung des Friedens in Europa und der Welt", sagte ein Sprecher des Außenministeriums in Warschau. Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell sprach von einer "unverantwortlichen Eskalation und Bedrohung der europäischen Sicherheit". Er rief Belarus auf, das Vorhaben zu stoppen. "Die EU steht bereit, mit weiteren Sanktionen zu antworten", fügt er hinzu.
Putin hatte angekündigt, in Belarus bis zum 1. Juli eine Lagerstätte für taktische Atomwaffen zu errichten und Soldaten im Umgang damit auszubilden. Russland habe Belarus bereits nuklearwaffenfähige ballistische Raketen vom Typ Iskander überlassen und zehn Kampfjets so umgerüstet, dass sie Atomwaffen einsetzen könnten, sagte Putin am Samstag im Staatsfernsehen.
Bereits im Juni 2022 hatte er mit dem belarussischen Diktator Alexander Lukaschenko die Stationierung vereinbart. Lukaschenko hatte im Februar ein Referendum abhalten lassen, um eine Verfassungsklausel zu streichen, die Atomwaffen auf dem Gebiet der ehemaligen Sowjetrepublik ausgeschlossen hatte. Die Waffen würden weiter unter Kontrolle Russlands stehen, machte Putin deutlich, ohne Details über die Sprengköpfe oder den Zeitplan für ihre Verlegung zu nennen.
Russland tue nur, was die Nato "schon seit Jahrzehnten" mache, sagt der russische Präsident
Das Auswärtige Amt in Berlin wies den von Putin angeführten Vergleich zur nuklearen Teilhabe in der Nato als "irreführend" zurück. Er könne "nicht dazu dienen, den von Russland angekündigten Schritt zu begründen". Die USA haben etwas mehr als hundert taktische Atomwaffen in europäischen Nato-Ländern stationiert, darunter Deutschland. Sie unterstehen der alleinigen Kontrolle durch den US-Präsidenten, würden aber im Kriegsfall durch die Luftwaffen der europäischen Verbündeten auf Befehl des Nato-Oberkommandieren für Europa eingesetzt.
Die Bundesregierung hat beschlossen, an diesem Arrangement festzuhalten und die dafür vorgesehenen alternden Tornado-Jagdbomber der Bundeswehr durch neue F-35-Tarnkappenjets aus US-Produktion zu ersetzen. In Umfragen unterstützte zum ersten Mal seit Jahrzehnten vergangenen Sommer eine Mehrheit den Verbleib der US-Waffen in Deutschland.
Putin argumentierte, Russland tue nur, was die Nato "schon seit Jahrzehnten" mache, und verletze damit auch nicht seine Verpflichtungen aus dem Atomwaffensperrvertrag. Die USA hatten die Sowjetunion vor Abschluss des Sperrvertrags über die nukleare Teilhabe informiert. Russland hat erstmals 2014 dagegen protestiert, als der Streit über Moskaus Aufrüstung bei nuklearwaffenfähigen Mittelstreckenwaffen schon begonnen hatte.
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In den USA reagierte man zurückhaltend auf die Ankündigung aus Moskau. Vom Nationalen Sicherheitsrat im Weißen Haus hieß es, man beobachte die Auswirkungen von Putins Ankündigung. "Wir sehen keine Gründe, unsere eigene strategische Haltung zu ändern, oder irgendwelche Hinweise darauf, dass Russland den Einsatz von Atomwaffen vorbereitet", teilte eine Sprecherin mit. Die USA überwachen die zentralen Lagerstätten für taktische Atomwaffen in Russland.
Ähnlich äußerte sich die Nato. Sie bezeichnete die russische Rhetorik als "gefährlich und unverantwortlich". Die Allianz sei wachsam und beobachte die Situation genau, sagte ein Sprecher. Man habe aber keine Veränderungen bei Russlands nuklearen Streitkräften gesehen, die das westliche Bündnis veranlassen würden, seine eigene Haltung zu verändern.
Moskau ist auch ohne die Verlegung nach Belarus, das an die Nato-Staaten Polen, Litauen und Lettland sowie an die Ukraine grenzt, in der Lage, jeden Ort in Europa von seinem Territorium aus mit Atomwaffen zu erreichen. Litauens Verteidigungsminister Arvydas Anušauskas reagierte entsprechend gelassen. Mit seiner Ankündigung ziele Putin darauf ab, die Länder einzuschüchtern, die die Ukraine unterstützen, schrieb er auf Facebook.
Nach Anušauskas' Ansicht sollte es keine besondere Reaktion auf die russischen Pläne geben. "Die Verteidigung eines Nato-Landes gegen die Bedrohung durch Atomwaffen ist gewährleistet, unabhängig davon, ob diese Waffen westlich unserer Grenzen (Gebiet Kaliningrad), östlich (Belarus) oder nördlich (Gebiet Leningrad) stationiert sind", schrieb er. Litauen grenzt wie auch Polen an die russische Exklave Kaliningrad. Nach Einschätzung der Geheimdienste der baltischen Staaten hat Russland auf dem Gebiet nicht nur atomwaffenfähige Raketensysteme vom Typ Iskander stationiert, sondern auch Sprengköpfe.