Süddeutsche Zeitung

Energieversorgung:Das sind die drei Alarmstufen im "Notfallplan Gas"

Lesezeit: 3 Min.

Bundeswirtschaftsminister Habeck ruft die zweite von drei Stufen aus. Was bedeutet das - und was passiert jetzt? Der Notfallplan der Bundesregierung im Überblick.

Von Jana Anzlinger und Ayça Balcı

Weil Russland die Gaslieferungen nach Europa und Deutschland stark gedrosselt hat, hat Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck nun die zweite von drei Eskalationsstufen des Notfallplans Gas ausgerufen. Die Versorgung sei zwar "aktuell gewährleistet", Deutschland dürfe sich aber nicht in falscher Sicherheit wiegen. Es müssten Vorbereitungen getroffen werden, um im Winter vorbereitet zu sein. Aber was genau hat es mit diesem Notfallplan auf sich und was bedeutet die Ausrufung der aktuellen Stufe?

Der aktuelle Notfallplan Gas der Bundesregierung von 2019 basiert auf einer EU-Verordnung von 2017. Er sieht drei Stufen vor, die aber nicht nacheinander ausgerufen werden müssen: Frühwarnstufe, Alarmstufe und Notfallstufe.

Frühwarnstufe

Das ist die Stufe, die Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck am 30. März 2022 - zum ersten Mal in der Geschichte des Notfallplans - ausgerufen hat. Diese sah noch keinen Eingriff des Staates vor.

  • Wann tritt sie in Kraft? Nach der EU-Verordnung dann, wenn es "konkrete, ernstzunehmende und zuverlässige Hinweise" auf ein mögliches Ereignis gibt, das die Gasversorgungslage erheblich verschlechtern könnte. Das sah Habeck Ende März als gegeben: Damals sagte er, die Versorgungssicherheit sei zwar gewährleistet, aber man müsse "die Vorsorgemaßnahmen erhöhen, um für den Fall einer Eskalation seitens Russlands gewappnet zu sein". Hintergrund war die Forderung der Regierung in Moskau, sich Gaslieferungen nur noch in Rubel bezahlen zu lassen. Deutschland und andere westliche Staaten lehnten das ab.
  • Was passiert dann? Beim Bundeswirtschaftsministerium trat ein Krisenstab zusammen, der Behörden und Energieversorger umfasst. Versorger und Betreiber der Gasleitungen mussten nun regelmäßig die Lage für die Bundesregierung einschätzen. Der Staat griff dabei aber noch nicht in den Gasmarkt ein - vielmehr sollten die Marktteilnehmer dafür sorgen, die Gasversorgung zu sichern. Dies kann etwa durch einen Rückgriff auf die Gasspeicher geschehen.

Alarmstufe

Das ist die Stufe, die Robert Habeck am Donnerstag in einer Pressekonferenz verkündet hat. Diese Stufe geht immer noch davon aus, dass der Markt die Störung noch alleine bewältigen kann. Dass Habeck die Alarmstufe ausruft, war erwartet worden, allerdings nicht so schnell. Dies könnte für Unternehmen und Verbraucher erhebliche Konsequenzen bedeuten.

Hintergrund von Habecks Schritt ist die drastische Reduzierung der russischen Erdgaslieferungen durch die Ostsee-Pipeline Nord Stream 1 in der vergangenen Woche um etwa 60 Prozent. Außerdem könnte eine anstehende, etwa zehntägige Wartung der Pipeline die Situation auf dem Gasmarkt noch weiter anspannen.

  • Wann tritt sie in Kraft? Das Wirtschaftsministerium ruft sie aus, wenn eine Störung der Gasversorgung oder eine außergewöhnlich hohe Nachfrage nach Gas vorliegt, die zu einer erheblichen Verschlechterung der Gasversorgungslage führt. Die Indikatoren sind also die gleichen wie bei der Frühwarnstufe, nur wird die Lage als noch gravierender eingestuft.
  • Was passiert jetzt? Der Markt ist noch in der Lage, diese Störung oder Nachfrage zu bewältigen, ohne dass staatliche Maßnahmen ergriffen werden müssen. Die Bundesnetzagentur will offenbar noch nicht die sogenannte Preisanpassungsklausel aktivieren, mit der Versorger höhere Preise direkt an ihre Kunden weiterreichen könnten. Die Regulierungsbehörde werde die dafür erforderliche "erhebliche Reduzierung der Gesamtgasimportmengen" noch nicht feststellen, schreibt Reuters unter Berufung auf zwei Insider.

Notfallstufe

Dies ist die gravierendste Stufe, bei der die Lage so ernst ist, dass - anders als bei den anderen Stufen - der Staat in den Markt eingreift. Die Bundesnetzagentur regelt die Gasverteilung.

  • Wann tritt sie in Kraft? Diese Stufe muss per Verordnung der Bundesregierung ausgerufen werden - im Fall einer außergewöhnlich hohen Nachfrage nach Gas, einer erheblichen Störung der Gasversorgung oder einer anderen erheblichen Verschlechterung der Versorgungslage.
  • Was passiert dann? Dann müssen dem Regelwerk zufolge "nichtmarktbasierte Maßnahmen ergriffen werden", um insbesondere die Gasversorgung der geschützten Kunden sicherzustellen - der Staat greift also ein. Die Bundesnetzagentur wird nun dem Wirtschaftsministerium zufolge zum "Bundeslastverteiler": Sie regelt die Verteilung von Gas. Dabei sind bestimmte Verbrauchergruppen besonders "geschützt" - diese sind möglichst bis zuletzt mit Gas zu versorgen. Dazu gehören private Haushalte, aber auch Krankenhäuser, die Feuerwehr und die Polizei oder Gaskraftwerke, die zugleich der Wärmeversorgung von Haushalten dienen.

Mit Material der Nachrichtenagenturen dpa und Reuters.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen für 0,99 € zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.5557335
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ/dpa/rtr/jsa/ayba
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.