Bundesregierung:Neuer Streit um die Grundrente

Lesezeit: 2 Min.

SPD-Finanzminister Scholz will sie aus einer Aktiensteuer bezahlen. Doch der Widerstand beim Koalitionspartner wächst.

Von Daniel Brössler, Cerstin Gammelin und Alexander Hagelüken, Berlin/München

Die Bundesregierung steuert auf einen neuen Streit über die Grundrente zu. Nachdem die Finanzierung über eine Aktiensteuer wackelt, mehren sich aus der Union wieder kritische Stimmen. Der CDU-Bundestagsabgeordnete Christian von Stetten hat eine scharfe Bedürftigkeitsprüfung gefordert, um die Kosten zu senken. Zuvor hatte der CDU-Politiker Carsten Linnemann verlangt, das Modell völlig zu verwerfen. Die SPD lehnt diese Änderungen ab. "Die Grundrente muss kommen, und sie kommt - und zwar am 1.1.2021", sagte Parteichef Norbert Walter-Borjans der Süddeutschen Zeitung.

Die Grundrente soll die finanzielle Lage von etwa 1,5 Millionen Bürgern im Alter aufbessern, die wenig verdienten. Bezahlen will SPD-Finanzminister Olaf Scholz die Rente über eine europaweite Steuer auf Aktienkäufe, die in Deutschland 1,5 Milliarden Euro pro Jahr bringen soll. Dagegen regt sich in der Union schon länger Widerstand, weil die Steuer anders als im Koalitionsvertrag vereinbart statt hochspekulativer Derivate nur Aktien treffen soll. Europa verhandelt bereits seit rund zehn Jahren über deren Einführung, nun schert auch Österreich aus den Reihen der Unterstützer aus.

Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) bekräftigte zum Abschluss seines Deutschlandbesuchs seine Kritik an Scholz' Vorschlag: "Wir sind für die Finanztransaktionssteuer. Wir wollen eine Besteuerung der Spekulanten. Was wir ablehnen, gerade in einer Zeit der Niedrigzinspolitik, ist eine Besteuerung von Kleinstaktionären, die noch dazu relativ wenig bringen würde." Er gehe davon aus, dass Scholz neue Vorschläge machen werde. Damit unterstützen nur noch neun EU-Staaten das Modell. Zieht noch ein Staat zurück, steht die Steuer vor dem Aus.

Scholz' Vorschlag habe weder im Bundestag noch bei den europäischen Partnern eine Mehrheit, kritisierte der CDU-Politiker von Stetten, der den Parlamentskreis Mittelstand anführt. Karl-Josef Laumann, Chef des CDU-Arbeitnehmerflügels, forderte, die Finanzierungsfrage zu klären: "Wir wollen die Grundrente! Wir brauchen ein schlüssiges Konzept zur Finanzierung. Das muss die zuständige SPD nun liefern. Sollte die Finanztransaktionssteuer scheitern, darf es nicht dazu kommen, dass die Grundrente aus Rücklagen der Rentenversicherung gezahlt wird." Radikalerer Widerstand kommt von Carsten Linnemann, der wie Stetten dem Wirtschaftsflügel der Union angehört. Er schlug vor, das jahrelang ausgetüftelte Grundrentenmodell komplett fallen zu lassen und durch Freibeträge zu ersetzen.

Bei der SPD war das Bemühen zu erkennen, die Union abtropfen zu lassen. Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) ließ erklären, er arbeite mit Hochdruck daran, dass die Grundrente in Kraft trete. Er gehe "davon aus, dass alle Beteiligten konstruktiv mitarbeiten". Kanzlerin Angela Merkel (CDU) bat Heil und Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU), offene Fragen bei der Umsetzung zu klären.

© SZ vom 05.02.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: