Umwelt- und Klimapolitik:Deutschland bekommt einen Plan gegen Dürre und Flut

Umwelt- und Klimapolitik: Was Bayern macht, soll bald ganz Deutschland machen: Wasser aus regenreichen in trockene Gegenden bringen. Hier am Altmühlsee in Franken passiert das schon.

Was Bayern macht, soll bald ganz Deutschland machen: Wasser aus regenreichen in trockene Gegenden bringen. Hier am Altmühlsee in Franken passiert das schon.

(Foto: Daniel Karmann/dpa)

Die neue "Wasserstrategie" soll Folgen der Klimakrise vorbeugen. Wasser soll in trockene Regionen gepumpt werden, die Pharmaindustrie für Verschmutzungen zahlen. Auch für Landwirte könnte es teuer werden. Doch Kritikern geht das nicht weit genug.

Von Kassian Stroh, Berlin

Auf der einen Seite Dürrejahre, die Wäldern und Landwirtschaft zusetzen. Auf der anderen Seite heftige Regengüsse, die wie im Ahrtal 2021 viele Menschen um ihr Hab und Gut bringen, manche sogar um ihr Leben. "Die Folgen der Klimakrise für Mensch und Natur zwingen uns zum Handeln", sagt Bundesumweltministerin Steffi Lemke (Grüne). Sie hat sich am Mittwoch vom Kabinett Deutschlands erste "Nationale Wasserstrategie" absegnen lassen. Es gehe um Vorsorge, sagt sie - "vor zu viel und vor zu wenig Wasser".

Noch gebe es "glücklicherweise keine schlimme Mangelsituation", sagt Lemke. Doch weil das nicht immer und überall so bleiben muss, will ihr Ministerium zusammen mit den Ländern prüfen, wo Wasser durch Leitungen oder Kanäle in regenarme Gebiete umgeleitet werden kann. Das ist einer der vielen Punkte, die das bis zum Jahr 2050 ausgelegte Papier enthält. So etwas gibt es mancherorts bereits, in Bayern etwa werden jedes Jahr etwa 150 Millionen Kubikmeter Wasser vom Süden in das trockenere Maingebiet gepumpt - genug, um den heimischen Verbrauch von etwa drei Millionen Menschen zu decken.

Auch will Lemke eine Leitlinie erarbeiten, wer im Falle einer Knappheit zuerst Zugriff bekommt: Die Trinkwasserversorgung der Bevölkerung, aber auch von Einrichtungen wie Kliniken oder Schulen müsse hier Vorrang vor Betrieben haben. Eine weitere Anforderung der Wasserstrategie, die konfliktträchtig ist, zumindest dann, wenn es konkret wird: Wer Wasser aus dem Boden entnimmt, etwa für Industrie oder Landwirtschaft, soll dafür zahlen - als Anreiz, damit sparsam umzugehen. Auf Betriebe und Bauern könnten also höhere Kosten zukommen.

Städte sollen so umgebaut werden, dass der Boden mehr Regen aufnehmen kann

Auch wegen eines zweiten großen Themas, der Qualität des Wassers: Hier will die Regierung Verschmutzer stärker an den Kosten der Reinigung beteiligen, Pharma- oder Kosmetikfirmen müssten dann zum Beispiel für Kläranlagen mitbezahlen. Dafür setzen sich nicht zuletzt die Abwasserwirtschaft und die Kommunen ein. Im Einklang mit ihnen will Lemke nun auf europäischer Ebene diese sogenannte Herstellerverantwortung ausweiten - an diesem Donnerstag berät sie mit ihren EU-Kollegen erstmals in Brüssel darüber. Lemke sagt, es sei "klar, dass die Mitverantwortung tragen müssen, die Schadstoffe einbringen".

Um sich für das andere Extrem zu rüsten, also Starkregen und Fluten, sollen Kommunen und Länder künftig per Gesetz dazu gezwungen werden, "Gefahren- und Risikokarten" zu erstellen. Diese müssen sie dann auch bei der Ausweisung von Wohngebieten berücksichtigen. Städte sollen zugleich so umgebaut werden, dass sie mehr Regenwasser nutzen und dass ihr Boden mehr Wasser aufnehmen und speichern kann.

Eine solche Wasserstrategie zu entwickeln, ist auch in anderen Ländern Thema - aktuell etwa in Italien, das eine außergewöhnliche Trockenperiode erlebt. In Deutschland wurde das Projekt bereits vor fünf Jahren von Lemkes Vorgängerin Svenja Schulze (SPD) angestoßen. Das 120 Seiten starke Papier enthält auch 78 einzelne Maßnahmen, die nun angegangen werden sollen. Nicht alle sind sonderlich konkret, weder was genaue Zielvorgaben betrifft, noch viel weniger bei der Finanzierung.

Das gibt zum Beispiel Karsten Rinke vom Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung zu bedenken. Er lobt gleichwohl, dass die Regierung nun die Notwendigkeit zur Klimaanpassung anerkannt und dabei alle Bereiche in den Blick genommen habe, nicht nur Teile wie die Trinkwasserversorgung. Dass Letztere immer Vorrang haben müsse, dieser Grundsatz sei verwässert worden, bemängeln Kritiker wie die Kampagnenorganisation Campact hingegen - zugunsten der Interessen von Industrie und Landwirtschaft.

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