Bundesregierung:Kabinett beschließt Rekord-Neuverschuldung

Weitere Kredite: Die Bundesregierung hat den zweiten Nachtragsetat für dieses Jahr gegen die Krise gebilligt. Der Entwurf sieht eine Neuverschuldung von mehr als 47 Milliarden Euro vor.

Die Bundesregierung hat den zweiten Nachtragsetat für dieses Jahr mit weiteren Milliardenkrediten gegen die Krise gebilligt.

Bundesregierung: Frank-Walter Steinmeier und Angela Merkel

Frank-Walter Steinmeier und Angela Merkel

(Foto: Foto: dpa)

Der am Mittwoch vom Kabinett beschlossene Entwurf von Finanzminister Peer Steinbrück (SPD) sieht eine Rekord-Neuverschuldung von 47,6 Milliarden Euro vor - 10,7 Milliarden Euro mehr als bislang veranschlagt. Damit sollen die dramatisch wegbrechenden Steuereinnahmen und deutliche Mehrkosten vor allem für den Arbeitsmarkt und die Sozialkassen in Folge der Wirtschafts- und Finanzkrise aufgefangen werden.

Das gesamte Ausmaß der Neuverschuldung des Bundes wird damit allerdings noch nicht abgebildet. Es kommen noch weitere Milliardenlasten für das zweite Konjunkturpaket und die Banken-Hilfen hinzu. Auch die Kosten für die jüngsten Steuerentlastungen für Bauern und Unternehmen sind in dem Kabinettsentwurf noch nicht enthalten. Der Umfang neuer Schulden könnte in diesem Jahr somit auf bis zu 80 Milliarden Euro steigen. Die Opposition geht sogar von 100 Milliarden Euro aus. Wie viele Schulden der Bund tatsächlich machen wird, ist wegen des unsicheren weiteren Verlaufs der Krise und wegen des Ausmaßes staatlicher Hilfen nicht absehbar.

Steinbrück ließ offen, wie groß das Defizit am Ende sein könnte. "Das weiß keiner, weil die Folgen aus der Finanzmarktkrise erst am Schluss abgerechnet werden", sagte er im ARD-"Morgenmagazin". Dann erst werde sich zeigen, ob die staatlichen Garantien fällig werden oder nicht. "Das kann ich nicht jetzt sagen. Nicht, weil ich was verschweigen will, sondern weil danach abgerechnet wird."

Die neuen Schulden ergeben sich vor allem wegen der Steuerausfälle und Mehrausgaben für Langzeitarbeitslose. Allein die Mehrbelastung für das Arbeitslosengeld II und die Unterkunftskosten der Hartz-IV-Empfänger beträgt 1,6 Milliarden Euro. Hinzu kommt ein Darlehen von vier Milliarden Euro für den Gesundheitsfonds. Die Bundesagentur für Arbeit erwartet, dass ihr Finanzpolster bis Jahresende aufgezehrt sein wird. Auch für 2010 zeichnen sich nochmals steigende Schulden ab.

Die bisher höchste Nettokreditaufnahme des Bundes gab es mit rund 40 Milliarden Euro im Jahr 1996 unter dem damaligen Finanzminister Theo Waigel (CSU). Die nun geplante Neuverschuldung übersteigt die geplanten Investitionen von rund 32,8 Milliarden Euro um etwa 14,8 Milliarden Euro. Das sei zur Überwindung der "ernsthaften und nachhaltigen" Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts zulässig, heißt es im Entwurf. Um die Krise nicht zu verschärfen, nimmt die Regierung also ein steigendes Defizit in Kauf.

Die schwerste Rezession in der Geschichte der Bundesrepublik mache eine nochmalige Erhöhung der Nettokreditaufnahme unvermeidlich, heißt es im Finanzministerium. Einnahmeverluste und zusätzliche Ausgaben könnten nicht durch Kürzungen an anderer Stelle kompensiert werden: "Das wäre in der jetzigen Situation konjunkturpolitisches Gift." Steinbrück sagte in der ARD: "Wir haben die schlimmste Wirtschaftskrise seit dem Krieg und wir können die Hände ja nicht in den Schoß legen."

Kabinett beschließt schärferes Waffenrecht

Desweiteren beschloss das Kabinett ein schärferes Waffenrecht. Als Konsequenz aus dem Amoklauf von Winnenden sollen Waffenbesitzer künftig schärfer kontrolliert und schwere Verstöße mit Gefängnis bestraft werden. Allerdings droht nach diesen Plänen nur dann eine Strafe, wenn vorsätzlich gegen die Aufbewahrungspflicht verstoßen wird. Jugendliche unter 18 Jahren dürfen nicht mehr mit großkalibrigen Waffen schießen. Innenminister Wolfgang Schäuble (CDU) sagte, das Ziel sei, Jugendlichen den Zugang zu Waffen zu erschweren. Nur Berechtigte sollten an Waffen kommen können.

Schäuble verteidigte die Maßnahmen. Die geplanten Gesetzesänderungen bildeten "einen tragfähigen Interessenausgleich zwischen dem Sicherheitsinteresse des Staates und der Allgemeinheit einerseits und den berechtigten Interessen der legalen Waffenbesitzer andererseits", erklärte er nach dem Kabinettsbeschluss. Deutschland habe bereits jetzt eines der strengsten Waffengesetze in Europa. "Mit den nun vorgesehenen Änderungen im Waffenrecht verfolgen wir das Ziel, gerade Jugendlichen den Zugang zu Waffen zu erschweren und sicherzustellen, dass nur der Berechtigte Zugang zu Waffen hat", erklärte Schäuble. Die Regelungen dienten auch dazu, das Verantwortungsbewusstsein der Waffenbesitzer zu stärken.

Außerdem hat das Bundeskabinett den Entwurf für die Mandatserweiterung der Anti-Piraten-Operation Atalanta vor der somalischen Küste beschlossen. Das verlautete aus Regierungskreisen. Die Kriegsschiffe sollen damit im Rahmen der EU-Mission bis zu den Seychellen fahren können. Damit wäre ein Seegebiet von 5 statt bislang 3,5 Millionen Quadratkilometern einbezogen. Das sei nötig, weil sich die Piraten immer weiter von den Küstengewässern entfernten. Derzeit ist Deutschland mit zwei Fregatten beteiligt. Der Bundestag wird sich am Freitag mit der Mandatsänderung befassen, die Entscheidung ist für 19. Juni geplant.

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