Bundesregierung:Jeder gegen jeden

Die Streitereien in der schwarz-gelben Koalition nehmen kein Ende: CSU-Chef Seehofer stänkert gegen FDP-Mann Westerwelle - und CDU-Ministerpräsident Koch widerspricht der Kanzlerin.

Der Dauerstreit in der schwarz-gelben Koalition in Berlin geht in die nächste Runde: Neben CSU-Chef Horst Seehofer stänkert auch Hessens Ministerpräsident Roland Koch (CDU) weiter.

Angela Merkel AP

Kanzlerin Angela Merkel: In ihrer Berliner Koalition gehen die Streitereien weiter.

(Foto: Foto: AP)

Der CSU-Vorsitzende griff die FDP scharf an und machte sie für den Machtverlust der schwarz-gelben Regierung in Nordrhein-Westfalen verantwortlich. Mit der von FDP-Chef Guido Westerwelle begonnenen Sozialstaatsdebatte habe man vor allem dem linken Spektrum einen Gefallen getan, sagte der bayerische Ministerpräsident der Welt am Sonntag. "Das war Mobilisierung der politischen Gegner."

CDU und FDP hätten bei der NRW-Landtagswahl am 9. Mai aus einer sicheren Position heraus verloren. Warum die FDP nach der Regierungsbildung im Bund so lange auf Maximalforderungen beharrt habe, sei ihm unerklärlich, sagte Seehofer. Man habe in der Vergangenheit in der Berliner Koalition zu viele überflüssige und abstrakte Debatten geführt. Im Bundesrat habe man es nach dem Verlust der schwarz-gelben Mehrheit nun faktisch mit einer Allparteien-Koalition zu tun.

Seehofer wandte sich erneut gegen Vorstöße der FDP, eine Kopfpauschale im Gesundheitssystem einzuführen. Abstrakte Diskussionen würden jetzt schaden. Es müsse darum gehen, die steigenden Ausgaben im Gesundheitssektor in den Griff zu bekommen.

Auch Hessens Ministerpräsident Koch bleibt von der Kritik des CSU-Chefs nicht verschont. Seehofer wies die Forderungen seines hessischen Amtskollegen nach Einsparungen bei Bildung und Kinderbetreuung zurück. "Das ärgert mich", sagte Seehofer der Welt am Sonntag. Bildung, Familie und Forschung hätten für die bürgerliche Koalition in Berlin einen hohen Stellenwert. Es sei "weder klug noch richtig", keine Kinderbetreuungsplätze mehr zu bauen und bei der Bildung zu sparen. Und es mache keinen Sinn, "wenn jetzt jeder mit einzelnen Vorschlägen" in der Sparpolitik komme.

Gleichzeitig forderte Seehofer eine "Philosophie des Sparens" ein. Die Menschen würden verlangen: "Bringt eure Finanzen in Ordnung, raus aus den Schulden." So eine Stimmung im Lande habe er "noch nie erlebt".

In der schwarz-gelben Regierung ist die Debatte über einen scharfen Sparkurs angesichts der Euro-Krise und sinkender Steuereinnahmen voll entbrannt. Koch sagte dem Nachrichtenmagazin Spiegel: "Wir können Steuererhöhungen nur vermeiden, wenn wir die staatlichen Ausgaben entsprechend den Vorgaben der Schuldenbremse senken."

Obwohl auch Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) Kochs Vorschläge zurückgewiesen hat, bleibt dieser hart: "Gespart werden muss auch hier", sagte er dem Spiegel. Das Versprechen, ab 2015 rund 13 Milliarden Euro jährlich für Bildung auszugeben, müsse wegen der Wirtschaftskrise abgeschwächt werden. "So schwer es fällt, wir werden das Ziel für Bildung verschieben müssen", sagte Koch.

Denkbar seien zudem Kürzungen bei den Beschäftigungsmaßnahmen für Arbeitslose, den Steinkohlehilfen und den Subventionen für den öffentlichen Personennahverkehr.

Merkel sagte der Süddeutschen Zeitung mit Blick auf Koch, der Einschnitte bei Bildung, Forschung und Kinderbetreuung verlangt hatte: "Wir haben immer gesagt: Der Schwerpunkt für Deutschlands Zukunftsfähigkeit liegt bei Bildung und Forschung." Sie halte auch nichts davon, die Betreuung der Unter-Drei-Jährigen infrage zu stellen.

Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) lehnt Kürzungen im Bildungsbereich ab. Die bayerische FDP-Chefin sagte am Samstag auf dem Kirchentag in München, die Bildung sei "das wichtigste Zukunftsthema". Man dürfe diese Tatsache "auch angesichts einer desaströsen Haushaltslage nicht aus den Augen verlieren".

Leutheusser-Schnarrenberger fügte hinzu, die Bundesregierung müsse allerdings dringend sparen und den Haushalt konsolidieren. Wenn dies nicht zulasten der Bildung geschehe, müsse man "an andere Bereiche gehen". Die FDP-Politikerin betonte zudem mit Blick auf die Steuersenkungsdebatte, im Moment könne man "überhaupt nichts" andenken, was weniger Einnahmen bedeute.

FDP-Generalsekretär Christian Lindner sprach sich für Einsparungen im Verteidigungsetat aus. Rüstungsprojekte wie das Raketensystem Meads seien verzichtbar. Außerdem müssten Subventionen etwa bei der Steinkohle und familienpolitische Leistungen überprüft werden.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: