Süddeutsche Zeitung

Reaktionen in Berlin:"Wir sind an einem gefährlichen Eskalationspunkt"

Lesezeit: 2 min

Von Daniel Brössler, Berlin

Nach der Tötung des iranischen General Qassim Soleimani durch einen US-Luftangriff in der Nähe von Bagdad ist in Berlin durchgängig von "großer Sorge" die Rede, wobei diese Sorge ganz unterschiedlichen Risiken gilt. An erster Stelle steht zunächst die Gefahr, die von der verschärften Situation für die im Irak stationierten Bundeswehrsoldaten ausgeht. Ganz allgemein teilt die Bundesregierung darüber hinaus die Befürchtung, dass die Lage in der Region nun vollends außer Kontrolle geraten könnte. Hinzu kommt allerdings in Zeiten des Donald Trump stets auch die Sorge um das Verhältnis zu den USA.

So erklärt sich wohl, dass sich die Bundesregierung zunächst einmal jegliche offene Kritik an dem Angriff verkneift, sondern sogar eher Verständnis signalisiert. "Das amerikanische Vorgehen ist eine Reaktion auf eine ganze Reihe von militärischen Provokationen, für die der Iran Verantwortung trägt", sagte Vize-Regierungssprecherin Ulrike Demmer. "Auch wir sehen die regionalen Aktivitäten des Iran mit großer Besorgnis", betonte sie.

Dennoch macht die Bundesregierung aus ihrer Befürchtung keinen Hehl, dass die Tötung Soleimanis einen militärischen Großkonflikt provozieren könnte. "Wir sind an einem gefährlichen Eskalationspunkt und es kommt jetzt darauf an, mit Besonnenheit und Zurückhaltung zu einer Deeskalation beizutragen", sagte Demmer. Die regionalen Konflikte seien "nur auf diplomatischem Weg zu lösen".

Später meldete sich Außenminister Heiko Maas über den Twitterkanal des Auswärtigen Amtes zu Wort. "Die US-Militäroperation folgte auf eine Reihe gefährlicher Provokationen Irans. Es ist durch die Aktion aber nicht einfacher geworden, Spannungen abzubauen", sagte Maas. Das habe er auch US-Außenminister Mike Pompeo "deutlich gesagt". Es gehe jetzt darum, eine weitere Eskalation zu verhindern, die die ganze Region "in Brand" setzen könne. Deutschland werde gemeinsam mit Großbritannien und Frankreich über Möglichkeiten, die Lage zu beruhigen, beraten.

Welchen Beitrag Deutschland dafür leisten könnte, blieb aber zunächst unklar. Die Bundesrepublik ist derzeit nicht-ständiges Mitglied im UN-Sicherheitsrat. Zu möglichen Plänen für eine Sondersitzung des New Yorker Gremiums konnte das Auswärtige Amt zunächst keine Angaben machen. Man sei mit den Partnern in Kontakt, hieß es lediglich.

Anders als etwa die Niederlande rief das Auswärtige Amt zunächst nicht ausdrücklich alle Deutschen dazu auf, Bagdad zu verlassen. Ein Sprecher verwies aber darauf, dass ohnehin eine Reisewarnung für den Irak bestehe und sich sehr wenige Deutsche im Land aufhielten. Die Reisehinweise würden überdies fortlaufend aktualisiert. Wer sich als Deutscher im Irak aufhalte, solle diese im Blick behalten.

Bereits verschärft hat die Bundeswehr die Sicherheitsmaßnahmen für die 130 Soldatinnen und Soldaten, die im Irak Ausbildungshilfe leisten. So dürfen sie sich vorerst nicht mehr außerhalb militärischer Komplexe in Bagdad und Tadschi 30 Kilometer nördlich der Hauptstadt aufhalten.

"Wir führen Ausbildung weiter fort", sagte eine Sprecherin des Verteidigungsministeriums. Das gelte sowohl für Tadschi als auch für Erbil im nordikarischen Kurdengebiet, wo 90 Angehörige der Bundeswehr Dienst tun. Man werde die Lage weiter genau beobachten. "Die Sicherheit unserer Soldatinnen und Soldaten hat für uns absolut oberste Priorität", versicherte die Sprecherin.

Kritik an der Fortführung des Bundeswehreinsatzes im Irak

Im Bundestag wird die Fortführung des Einsatzes allerdings bereits kritisiert. Die Bundeswehrmission im Irak müsse "sofort ausgesetzt werden, bis klar ist, wie die Sicherheit unserer Soldatinnen und Soldaten gewährleistet werden kann", forderte der außenpolitische Sprecher der Grünen, Omid Nouripour. Dass der Kommandeur der iranischen Al-Quds-Brigaden im Irak getötet worden sei, sei eine "rapide Rutschbahn in eine größere militärische Eskalation".

Eine "völlig neue Bewertung des Bundeswehreinsatzes im Irak" verlangte der FDP-Vizefraktionschef Alexander Graf Lambsdorff. "Mindestens muss die Bundeswehr in die Nato-Mission integriert werden, es war völlig unverständlich, dass die Bundesregierung die Bundeswehr isoliert in den Irak geschickt wird, das war völlig falsch", sagte Lambsdorff.

Verteidigt wird der Einsatz von CDU/CSU-Fraktionsvize Johann Wadephul. "Es gibt keinen Grund, den Einsatz gegen den islamistischen IS-Terror zu beenden", stellte er klar.

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