Selbstbestimmungsgesetz:"Viel Wut und Angst"

Selbstbestimmungsgesetz: Eine Sache des Hausrechts, wie mit "geschützten Räumen" umzugehen ist? Beschmiertes Piktogramm an der Damentoilette eines Münchner Lokals.

Eine Sache des Hausrechts, wie mit "geschützten Räumen" umzugehen ist? Beschmiertes Piktogramm an der Damentoilette eines Münchner Lokals.

(Foto: Alessandra Schellnegger)

Dürfen Transfrauen in die Frauensauna? Der Entwurf für das lang erwartete Selbstbestimmungsgesetz ruft bei Interessenverbänden deutliche Kritik hervor.

Von Karoline Meta Beisel

Es ist eines der zentralen gesellschaftspolitischen Vorhaben der Ampelregierung: das Selbstbestimmungsgesetz, das es trans-, intergeschlechtlichen und nichtbinären Personen leichter machen soll, den Geschlechtseintrag im Pass zu ändern. Wer sich mit seinem biologischen Geschlecht nicht identifizieren kann - oder damit, was in der Geburtsurkunde steht -, soll Vornamen und Geschlechtseintrag im Personenstandsregister künftig durch einen einfachen Antrag beim Standesamt ändern können.

Für Betroffene wäre das ein riesiger Fortschritt: Bisher mussten sie zwei Gutachten von Sachverständigen beibringen, um den Wunsch für eine Änderung des Geschlechtseintrags zu belegen, was viele nicht nur als erniedrigend und diskriminierend empfanden, sondern noch dazu viel Geld kostete.

Nun hat die Abstimmung der beteiligten Bundesministerien begonnen, der Referentenentwurf von Justiz- und Familienministerium für das lang erwartete Gesetz liegt der Süddeutschen Zeitung vor - und ausgerechnet ein harmlos klingender Passus sorgt bei Betroffenenverbänden für Kritik: "Betreffend den Zugang zu Einrichtungen und Räumen sowie die Teilnahme an Veranstaltungen bleiben das Hausrecht des jeweiligen Eigentümers oder Besitzers (...) unberührt", heißt es in Paragraf sechs des Referentenentwurfs.

Streit um Frauentoiletten

Mit diesem Satz findet ein Streit Eingang in den Gesetzestext, der die Debatte um die Reform zuletzt bestimmt hatte: Sollen Transfrauen Zugang zu Frauensaunas oder Damentoiletten bekommen? "Dass dieser Punkt so ausdrücklich aufgegriffen wird, erzeugt ein Fragezeichen im Kopf. Viele andere Rechtsbereiche bleiben ja auch unberührt, ohne dass dies ausdrücklich erwähnt wird", sagt etwa Kalle Hümpfner vom Bundesverband Trans*. Dass Transfrauen in geschützte Räume eindringen und Gewalt ausüben würden, sei allerdings ein transfeindlicher Gemeinplatz.

Das scheint auch der Gesetzgeber zu wissen, heißt es doch in der Gesetzesbegründung, in der Rechtsprechung zum einschlägigen Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) seien "bislang keine Fälle bekannt geworden, die auf ein Problem im Zusammenhang mit der Geschlechtszuordnung bei dem Zugang zu geschlechtsspezifischen Toiletten und Umkleideräumen zurückzuführen gewesen wären". Durch die ausdrückliche Erwähnung im Gesetz und in der Gesetzesbegründung entstehe jedoch der Eindruck, die laute Debatte um dieses Thema sei trotzdem legitim, so Kalle Hümpfner. Die nun bekannt gewordenen Passagen des Gesetzentwurfes riefen "viel Wut und Angst" hervor, teilte per Twitter auch die Deutsche Gesellschaft für Transidentität und Intersexualität mit.

Zuvor hatten Kritiker des geplanten Gesetzes immer wieder auf die angebliche Gefahr hingewiesen, Männer könnten das Selbstbestimmungsrecht ausnutzen, um sich Zugang zu geschützten Räumen für Frauen zu verschaffen. Dabei hatten entsprechende Verbände, etwa für Frauenhäuser, wiederholt darauf hingewiesen: Wer Frauen Gewalt antun wolle, könne das auch tun, ohne vorher seinen Geschlechtseintrag ändern zu lassen. Auch Justizminister Marco Buschmann (FDP) hatte solche Behauptungen erst kürzlich in einem Interview als "Unsinn" bezeichnet. Offenbar fand er sie aber nicht unsinnig genug, um sie im Gesetz zu ignorieren.

Der Verweis auf das Hausrecht im nun vorliegenden Gesetzesentwurf bedeutet, dass Betreiber oder Betreiberinnen einer Einrichtung in dieser Frage das letzte Wort haben sollen. In der Praxis dürfte es auf eine Unterscheidung nach dem optischen Eindruck hinauslaufen, was die Antidiskriminierungsstelle des Bundes bereits vorab als unzulässig kritisiert hatte.

Im Verteidigungsfall bleiben Männer Männer

Auch an anderer Stelle begegnet der Gesetzentwurf Vorwürfen, die Möglichkeit der Änderung des Geschlechtseintrag könne leichtfertig missbraucht werden, etwa um im Verteidigungsfall einer Einziehung in den Kriegsdienst zu entgehen: Wer in einer solchen Lage seinen Geschlechtseintrag von "männlich" auf "weiblich" oder "divers" ändern lasse, gelte für die Dauer des Verteidigungsfalles dennoch weiter als Mann.

Insgesamt aber, das loben auch die entsprechenden Verbände, ändere sich mit diesem Gesetz für die Betroffenen vieles zum Guten. "Endlich wird respektiert, dass jede Person selbst Expert*in für die eigene Geschlechtsidentität ist", sagt Kalle Hümpfner vom Bundesverband Trans *.

Endlich gehe es voran, sagt auch der Bundestagsabgeordnete Jan Plobner aus der Arbeitsgruppe Queerpolitik der SPD. Bei dem Gesetz gehe es vor allem darum, dass Menschen per Selbstauskunft vor dem Standesamt ihren Geschlechtseintrag ändern können - ganz ohne diskriminierende und traumatisierende Verfahren. "Auch wenn die aktuellen Debatten das überlagern: Das ist das Herz dieses Gesetzes, und das ist gut so!"

Nach der nun laufenden Ressortabstimmung soll der fertige Gesetzesentwurf auch offiziell vorgestellt werden. Der Bundestag dürfte sich erst nach der Sommerpause mit dem Gesetz befassen.

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