Affäre Böhmermann:Bundesregierung erlaubt Strafverfolgung Böhmermanns

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Bundeskanzlerin Merkel hat mitgeteilt, dass die vom türkischen Präsidenten geforderten strafrechtlichen Ermittlungen gegen den ZDF-Satiriker zugelassen werden. Der umstrittene Paragraf 103 soll abgeschafft werden.

Die Bundesregierung hat strafrechtliche Ermittlungen gegen den ZDF-Satiriker Jan Böhmermann wegen Beleidigung des türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdogan zugelassen. Das hat Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) in Berlin mitgeteilt.

Die Ermächtigung sei weder eine Vorverurteilung noch eine vorgreifende Entscheidung über Grenzen der Kunst-, Presse und Meinungsfreiheit, sagte die Kanzlerin. Im Rechtsstaat sei die Justiz unabhängig. Hier sei es "nicht Sache der Regierung, sondern von Staatsanwaltschaften und Gerichten, das Persönlichkeitsrecht des Betroffenen und andere Belange gegen die Presse- und Kunstfreiheit abzuwägen", sagte Merkel. Das letzte Wort sollte nicht die Regierung haben, sondern die unabhängige Justiz.

"Es gab unterschiedliche Auffassungen zwischen den Koalitionspartnern Union und SPD", räumte Merkel ein. Sie bezog sich damit auf die Einschätzung etwa von Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD), der sich skeptisch gezeigt hatte, ob das Strafrecht der richtige Weg sein könnte. "Im Ergebnis", so erklärte Merkel nun, "wird die Bundesregierung im vorliegenden Fall die Ermächtigung erteilen."

Die Bundeskanzlerin fügte allerdings hinzu, die Regierung sei zu der Überzeugung gekommen, dass der Paragraf 103 des Strafgesetzbuches zur Beleidigung von Organen und Vertretern ausländischer Staaten "für die Zukunft entbehrlich" sei. Der Paragraf ist die Grundlage der aktuellen Entscheidung. Noch in dieser Wahlperiode werde ein entsprechender Gesetzentwurf verabschiedet, der 2018 in Kraft treten solle, sagte die Bundeskanzlerin. Vor der Entscheidung hatte sich eine Reihe von Politikern parteiübergreifend für die Abschaffung des Paragrafen ausgesprochen.

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Ihre Erklärung nutzte Merkel auch dazu, Sorge über die Lage der Medien in der Türkei und die Einschränkung des Demonstrationsrechtes dort zu äußern. Die Bundesregierung werde auch in Zukunft auf allen Ebenen die Postulate von Rechtsstaatlichkeit, Gewaltenteilung und Pluralismus gegenüber der Türkei anmahnen.

Bis zur tatsächlichen Strafverfolgung des Moderators wird es noch einige Tage dauern. Die Ermächtigung der Bundesregierung sei noch nicht zur Akte gelangt, sagte eine Sprecherin der Staatsanwaltschaft Mainz. Ebenso stehe noch eine Begründung des Strafantrags durch den Rechtsbeistand des türkischen Ministerpräsidenten Recep Tayyip Erdogan aus.

Strafantrag auch nach Paragraf 185

Der Satiriker Jan Böhmermann hatte bei Neo Magazin Royale ein drastisches Schmähgedicht auf den türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdoğan vorgetragen. Er betonte in der Sendung selbst mehrfach, dass er mit dem Text die Grenzen dessen überschreite, was Satire dürfe.

Die türkische Regierung forderte daraufhin eine Strafverfolgung nach Paragraf 103. Bei einer Verurteilung drohen bis zu drei Jahren Haft oder eine Geldstrafe. Bei Verleumdung sind sogar fünf Jahre Haft möglich.

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Gegen Jan Böhmermann soll es ein Strafverfahren wegen Majestätsbeleidigung geben. Der türkische Präsident Erdoğan hatte sich nach der Schmähkritik auf den Paragraf 103 berufen. Dem ZDF-Moderator droht nun eine Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren.

Zusätzlich stellte Erdoğan selbst einen Strafantrag wegen Beleidigung nach Paragraf 185 gegen Böhmermann. Dieser bleibt von der Entscheidung der Bundesregierung unberührt. Erdoğan will Böhmermann vor Gericht sehen und notfalls durch alle Instanzen gehen. Dies kündigte sein Anwalt Michael-Hubertus von Sprenger an.

Das ZDF löschte das Gedicht am 1. April aus der Mediathek.

© SZ.de/AFP/dpa/epd - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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