Haushaltsstreit:Die Frist läuft ab

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Finanzminister Christian Lindner, Wirtschaftsminister Robert Habeck und Kanzler Olaf Scholz (von links) führen derzeit intensive Gespräche – teilweise aus dem Urlaub heraus. (Foto: Christoph Soeder/dpa)

Trotz monatelanger Verhandlungen ist der Entwurf für den Bundeshaushalt 2025 immer noch nicht fertig. Bundeskanzler Scholz und Finanzminister Lindner geraten in Zeitnot.

Von Claus Hulverscheidt, Berlin

Man muss den alten Babyloniern wahrlich dankbar sein, dass sie in grauer Vorzeit damit begannen, das Jahr, den Tag und die Nacht in jeweils zwölf Abschnitte einzuteilen. Gäbe es diese Orientierung nämlich nicht, würde der Streit der Ampelkoalition über den Bundeshaushalt 2025 wohl bis in alle Ewigkeit weitergehen. So aber ist klar: Bis Freitag muss eine Lösung her, wie die noch bestehende Lücke im Etatentwurf von 17 auf neun Milliarden Euro und damit auf ein Maß reduziert werden kann, das Budgetkenner für vertretbar halten. An diesem 16. August, 24 Uhr, nämlich läuft die Frist ab, innerhalb derer die Regierung das Haushaltsgesetz an den zunächst zuständigen Bundesrat übermitteln muss.

Das Kabinett müsste alle Änderungen sogar schon am Mittwoch beschließen, die Frist endet also de facto noch zwei Tage früher. Entsprechend intensiv sind die Gespräche, die Kanzler Olaf Scholz (SPD), Vize Robert Habeck (Grüne) und Finanzminister Christian Lindner (FDP) derzeit führen – teilweise aus dem Urlaub heraus.

Sozialausgaben kürzen? Das käme in der SPD nicht gut an

Um die fehlenden acht Milliarden Euro aufzubringen, sollten nach bisheriger Planung Restmittel aus der Finanzierung der Gaspreisbremse umgewidmet sowie geplante Zuschüsse an die Bahn und die staatliche Autobahn GmbH in Darlehen verwandelt werden. Solche Kredite haben den Vorteil, dass Lindner sie ohne Rücksicht auf die Schuldenobergrenze des Grundgesetzes selbst auf Pump finanzieren dürfte. Aus Angst vor einer neuerlichen Niederlage vor dem Bundesverfassungsgericht beauftragte der Minister jedoch zwei Gutachter damit, die Vorschläge juristisch zu prüfen. Seit die Expertisen vorliegen, überziehen sich Kanzleramt und Finanzministerium nun mit gegensätzlichen Deutungen.

Wenige Tage vor Fristablauf ist damit weiter offen, welches Instrument genutzt werden kann und ob weitere Einsparungen an anderer Stelle, etwa im Sozialetat, nötig sind. Klar ist nur, dass die angedachte Umwidmung der Gaspreisbremsen-Gelder wohl verfassungswidrig wäre und deshalb nicht weiterverfolgt wird.

Eine weitere Kürzung der Sozialausgaben wiederum könnte Scholz in seiner eigenen Fraktion kaum durchsetzen. Damit richtet sich das Augenmerk wieder auf die Darlehen an Bahn und Autobahn GmbH. Beide Kredite könnten nach Angaben aus der Koalition jeweils vier Milliarden Euro umfassen und müssten so konstruiert sein, dass man sie nicht als „verdeckte Zuschüsse“ einstufen könnte, die allein der Umgehung der Schuldenbremse dienen.

Bei der Bahn, die schon häufiger solche Kredite erhalten hat, wäre das relativ leicht möglich. Sie müsste einen – eher niedrigen – Zins entrichten und das Darlehen über etwa 34 Jahre zurückzahlen. Das entspricht der durchschnittlichen Lebensdauer eines Schienenwegs. Lindner hat alternativ eine weitere Erhöhung des Eigenkapitals um 3,6 Milliarden Euro ins Gespräch gebracht. Damit die Überweisung als schuldenbremsenneutral gilt, müsste die Bahn dieses Kapital aber so einsetzen, dass es eine ordentliche Rendite bringt. Die Folge wäre womöglich, dass der Konzern die Trassenpreise erhöht, die er Wettbewerbern in Rechnung stellt. Das aber will der Bund vermeiden.

Die Autobahn GmbH könnte an den Mauteinnahmen beteiligt werden

Problematischer ist der Kredit an die Autobahn GmbH. Sie verfügt bisher über keine eigenen Einnahmen und könnte das geliehene Geld somit nicht zurückzahlen. Die Koalition hatte deshalb erwogen, der Gesellschaft die nötigen jährlichen Tilgungsmittel per Zuschuss zur Verfügung zu stellen – eine Konstruktion, die verfassungsrechtlich als zumindest angreifbar gilt.

Stattdessen wird nun diskutiert, das Unternehmen in geringem Umfang an den Erlösen des Bundes aus der Lkw-Maut zu beteiligen und ihm damit die geforderten „eigenen Einnahmen“ zu verschaffen. Ein Rechenbeispiel: Erhielte die GmbH ein Darlehen von vier Milliarden Euro, ergäben sich bei der üblichen Abschreibungszeit für eine Fernstraße von 30 Jahren jährliche Tilgungszahlungen von gut 130 Millionen Euro. Das entspräche nicht einmal einem Hundertstel der gesamten Mauterlöse in Höhe von gut 15 Milliarden Euro im Jahr.

Erwogen wird auch, statt vier gleich sechs Milliarden Euro zur Verfügung zu stellen, weil trotz aller Zuwendungen des Bundes immer noch Geld für die Autobahnsanierung fehlt. In dem Rechenbeispiel erhöhte sich die Tilgungslast so auf immer noch überschaubare 200 Millionen Euro.

Strittig war zwischen Kanzler und Finanzminister allerdings bis zuletzt, ob die nötigen Gesetzesänderungen bis zur Verabschiedung des Haushalts kurz vor Weihnachten umsetzbar wären. Vielleicht hilft Scholz, Lindner und Habeck ja ein Blick in den Kalender – den gregorianischen am besten.

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