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Bundesregierung:Altmaier will Straftäter in Drittstaaten schicken

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Regierung will Abschiebungshindernisse umgehen

Mehr als 21 000 Menschen hat die Bundesrepublik Deutschland nach Angaben des Bundesinnenministeriums im Jahr 2015 abgeschoben. Das waren doppelt so viele wie im Vorjahr. Noch mehr Menschen - 37 000 Personen - reisten freiwillig aus, meist, weil ihre Asylanträge wenig Chance auf Erfolg hatten.

Doch führenden Politikern in der großen Koalition reicht das noch nicht. Seit den Übergriffen von Köln, die Zeugenaussagen zufolge vor allem von nordafrikanisch oder arabisch aussehenden Tätern begangen wurden, hat sich die Debatte um die Abschiebung abgelehnter Asylbewerber verschärft. Der Blick richtet sich insbesondere auf solche Personen, die während oder nach ihrem Asylverfahren in Deutschland straffällig werden.

Diese Flüchtlinge will die Bundesregierung künftig schneller in ihre Heimatländer zurückschicken. Doch bisher gibt es dabei zwei Haupthindernisse: Die betreffenden Staaten müssen der Rückführung zustimmen, was in vielen Fällen nicht gewährleistet ist. Und: In Staaten, in denen das Leben des Flüchtlings durch Krieg, Todesstrafe oder Folter bedroht ist, darf nicht abgeschoben werden. Auch das betrifft sehr viele der Länder, aus denen die meisten Menschen derzeit nach Deutschland kommen, unter anderem Syrien, den Irak und Eritrea.

Peter Altmaier, der Chef des Kanzleramtes und der oberste Flüchtlingskoordinator der Bundesregierung, sucht deshalb nach einem Ausweg aus diesem Dilemma. Er will straffällig gewordene Flüchtlinge auch dann abschieben, wenn eine Rückkehr in die Herkunftsländer nicht möglich ist.

Die Lösung: Sichere Drittstaaten ohne Krieg, Folter und Todesstrafe sollen die Abgeschobenen aufnehmen. "Wir verhandeln mit der Türkei und anderen Ländern über die Rückübernahme auch solcher Flüchtlinge, die aus Drittstaaten kommen", sagte der Kanzleramtschef der Bild am Sonntag. Das könne bedeuten, dass die Flüchtlinge in das Land zurückgeschickt werden, über das sie in die EU gekommen seien.

Unmissverständliche Signale nach Nordafrika

Die Türkei gilt als wichtigstes Transitland für Flüchtlinge, die dann auf der sogenannten Balkanroute versuchen, bis nach Deutschland zu kommen.

Altmaier zufolge ist die Bundesregierung bei Abschiebungen und bei der freiwilligen Ausreise auf einem guten Weg. "Viele kehren wieder um, bevor sie einen Asylantrag stellen, wenn ihnen klargemacht wird, dass das keine Aussicht auf Erfolg hat." Trotzdem müsse man noch besser werden: "Wer kein Bleiberecht hat, muss Deutschland zeitnah verlassen. Wir werden, wie schon in den Balkanstaaten, unmissverständliche Signale senden, dass es sich nicht lohnt, nach Deutschland zu kommen, wenn man Algerier, Tunesier oder Marokkaner ist."

Auch bei der Zahl der neuankommenden Flüchtlinge sieht Altmaier Erfolge: "Die Gesamtzahl der Flüchtlinge, die über die Türkei nach Europa kommen, ist seit Oktober sehr stark gesunken, um mehr als 60 Prozent. Die Zahl der Flüchtlinge aus den Balkanstaaten direkt ist seit dem Sommer sogar um über 90 Prozent gesunken." Dies reiche jedoch noch nicht aus, sagte er. "Wir arbeiten hart, damit die Zahlen Monat für Monat weiter deutlich zurückgehen. Deshalb bestehen wir auch auf einer effektiven Bekämpfung der Schlepper und Menschenhändler in Griechenland und in der Türkei. Durch den Rückgang ist es aber schon jetzt möglich, die Flüchtlinge besser zu registrieren und zu kontrollieren", so der CDU-Politiker.

Merkel fordert mittelfristig Rückkehr vieler Flüchtlinge

Zuvor hatte Merkel auf dem Landesparteitag der CDU in Mecklenburg-Vorpommern gefordert, dass viele Flüchtlinge Deutschland mittelfristig wieder verlassen müssten, wenn sich die Verhältnisse in den Heimatländern stabilisiert hätten. Nach dem Ende des Jugoslawien-Krieges in den Neunzigerjahren seien 70 Prozent der Flüchtlinge wieder in ihre Heimat gegangen.

Der nach der Genfer Flüchtlingskonvention gewährte Schutz für Flüchtlinge sei zunächst auf drei Jahre befristet, sagte die Kanzlerin. Bei allem, was an Integration zu leisten sei, müsse den Betroffenen auch klargemacht werden, dass es sich um einen temporären Aufenthaltsstatus handele. "Wir erwarten, dass, wenn wieder Frieden in Syrien ist und wenn der IS im Irak besiegt ist, dass Ihr auch wieder, mit dem Wissen, was Ihr jetzt bei uns bekommen habt, in Eure Heimat zurückgeht."

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