Rettung vor Taliban:Bund startet Aufnahmeprogramm für gefährdete Afghanen

Rettung vor Taliban: Afghanen haben für die Bundeswehr gearbeitet, zum Beispiel als Dolmetscher. Seit der Rückkehr der Taliban sind sie in Lebensgefahr.

Afghanen haben für die Bundeswehr gearbeitet, zum Beispiel als Dolmetscher. Seit der Rückkehr der Taliban sind sie in Lebensgefahr.

(Foto: Maurizio Gambarini/picture alliance/dpa)

Die Bundesregierung will Menschen, die um Leib und Leben fürchten müssen, nun zusammen mit zivilen Hilfsorganisationen von Afghanistan nach Deutschland holen.

Von Till Uebelacker, Berlin

Wegen der schleppenden Aufnahme gefährdeter Menschen aus Afghanistan steht die Bundesregierung seit über einem Jahr in der Kritik. Erst vergangene Woche musste sie auf Anfrage der Linken zugeben, dass mehr als 30 ehemalige Ortskräfte inzwischen nicht mehr am Leben und zum Teil gewaltsam umgekommen seien. Seit dem chaotischen Abzug aus Afghanistan sind zwei Drittel der 38 000 Menschen mit einer Aufnahmezusage nach Deutschland gekommen. "Zu wenig und zu spät", kritisieren Menschenrechtsorganisationen, Deutschland werde seiner Verantwortung nicht gerecht. Seit der Machtergreifung der militant-islamischen Taliban im August 2021 müssen frühere Mitarbeiter ausländischer Streitkräfte und Hilfsorganisationen, sogenannte Ortskräfte, mit Verfolgungen rechnen.

Am Montag haben Auswärtiges Amt und Innenministerium nun ein neues Bundesaufnahmeprogramm für gefährdete Afghanen bekannt gegeben. "Bei der Umsetzung gehen wir in der engen Zusammenarbeit mit zivilgesellschaftlichen Organisationen neue Wege und Kooperationsformen ein, die es so bisher nicht gegeben hat", sagte Bundesinnenministerin Nancy Faeser. Bestimmte zivilgesellschaftliche Organisationen, die die Bundesregierung auswählt, sollen künftig gefährdete Personen vorschlagen können. Zur Unterstützung plant die Bundesregierung eine Koordinierungsstelle. Das Vorhaben hatten SPD, Grüne und FDP bereits im Koalitionsvertrag vereinbart, die Umsetzung soll nun "zügig erfolgen" und voraussichtlich bis September 2025 andauern.

Die Zahl der Aufnahmen bleibt auf altem Niveau

Die Bundesregierung hat zwei Zielgruppen für das Programm definiert. Erstens Afghanen, die sich durch ihren Einsatz für Frauen- und Menschenrechte oder in den Bereichen Justiz, Politik, Medien oder Wissenschaft und Sport besonders exponiert haben und deshalb individuell gefährdet sind. Zweitens Personen, die wegen ihrer sexuellen Orientierung, ihres Geschlechts oder ihrer Religion gefährdet sind. In Betracht kämen nur Menschen mit Aufenthalt in Afghanistan, teilte die Bundesregierung mit. Es sei geplant, pro Monat circa 1000 besonders gefährdete Afghanen aufzunehmen - so viele wie bisher.

Nichtregierungsorganisationen kritisierten am Montag, das neue Verfahren sei intransparent, schaffe einen privilegierten Zugang und verhelfe zu wenig Menschen zur Einreise. Seit die Taliban wieder an der Macht sind, hat sich die Menschenrechtslage in Afghanistan massiv verschlechtert, neben den Ortskräften sind insbesondere Frauen, Mädchen, Menschenrechtsaktivisten und Angehörige ethnischer Minderheiten gefährdet. Der Grünen-Politiker Julian Pahlke sagte: "Auch wenn jede einzelne Person zählt, die aufgenommen wird, hätte ich mir einen größeren Umfang gewünscht."

Die Vizevorsitzende der Unionsfraktion, Andrea Lindholz (CSU), kritisierte das Programm ebenfalls. Deutschland erfülle bereits seine Zusagen gegenüber früheren Helfern, das jetzige Programm ziele dagegen auch auf Personen, "die wie Millionen andere Menschen auf der Welt auch bedroht sind." Bayerns Innenminister Joachim Hermann (CSU), der zurzeit die Innenministerkonferenz leitet, sagte: "Der Bund betreibt unter dem Deckmantel der Humanität eine Migrationspolitik zulasten der Länder, Landkreise, Städte und Gemeinden."

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