Süddeutsche Zeitung

Bundesrechnungshof:Bundesregierung verschleiert Berater-Kosten

  • Bundesministerien wenden deutlich mehr Geld für externe Beratung aus, als sie bisher zugegeben haben.
  • Das geht aus einem Bericht des Bundesrechnungshofes hervor, der die Angaben der Regierung zu Beratern überprüft hat.
  • Die Prüfer kritisieren außerdem, dass die Vergabe von Aufträgen an externe Berater oft mangelhaft begründet ist und nicht ordentlich ausgeschrieben wird.

Von Thorsten Denkler, Berlin

"Unvollständigkeit" - so lautet die knappe Überschrift des Kapitels 3.4 im "Bericht des Bundesrechnungshofes zu externer Beratung in der Bundesverwaltung". Und diese Überschrift ist eine leichte Untertreibung.

Der Bundesrechnungshof (BRH) benötigt in dem Kapitel nur die ersten 16 Zeilen, um den "Beraterbericht 2013" der Bundesregierung für im Grunde wertlos zu erklären. Nach eigenen Angaben hat die Bundesregierung im Jahr 2013 knapp 33 Millionen Euro für externe Berater ausgegeben. Den Rechnungsprüfern zufolge müssen die Ausgaben aber mindestens doppelt so hoch gewesen sein. Nur eine Stichprobe reichte dem BRH, um die Angaben der Regierung zu widerlegen. Die Berichte von BRH und Bundesregierung liegen SZ.de vor.

Dass sich Ministerien und Behörden externe Berater ins Haus holen, um spezielle Aufgaben zu erledigen, ist heute nichts Ungewöhnliches mehr. Allerdings ist es oft umstritten, schließlich gibt der Staat mit so einer Beratung unter Umständen hoheitliche Aufgaben an Privatunternehmen ab. Damit die Auftragsvergabe in diesem heiklen Bereich wenigstens halbwegs transparent abläuft, muss die Regierung seit 2007 jährlich einen "Beraterbericht" erstellen. Der soll dem Haushaltsausschuss des Bundestages Auskunft darüber geben, in welchem Umfang Aufträge an externe Berater vergeben wurden. In diesem Jahr haben sich die BRH-Prüfer den Bericht aus dem Jahr 2013 vorgenommen.

Fündig wurden sie gleich mit einer Stichprobe: Ein Berater-Rahmenvertrag, den das Bundesverwaltungsamt für die Bundesregierung abgeschlossen hat. Nach dem Beraterbericht 2013 haben die einzelnen Ministerien zusammen 94 Mal auf Leistungen aus dem Rahmenvertrag zugegriffen. Und dafür 13,2 Millionen Euro ausgegeben. Der Bundesrechnungshof hat nachgezählt: Er kam auf 284 Einzelabrufe. Mit einem Volumen von 46,4 Millionen Euro - also 33,2 Millionen Euro mehr als von der Bundesregierung angegeben.

Allein dieser Betrag ist so hoch wie die im Beraterbericht 2013 ausgewiesenen Gesamtkosten der Regierung für Beratung. Und schon haben sich die Ausgaben gegenüber der offiziellen Zahl der Bundesregierung verdoppelt.

Für Ekin Deligöz, Haushaltspolitikerin der Grünen, ist das schwer zu verdauen. Wenn der Bundesrechnungshof schreibe, dass die Ausgaben der Bundesverwaltung für externe Beratungsaufträge "mindestens doppelt so hoch waren, wie angegeben, dann läuten bei mir als Haushälterin alle Alarmglocken", sagt sie zu SZ.de.

Gar nicht mitgerechnet sind in dem Bericht Beraterverträge mit einem Volumen von bis zu 50 000 Euro. Die müssen nämlich im Beraterbericht nach gängiger Praxis nicht aufgelistet werden.

135 solcher Verträge gab es im Jahr 2013, hat der Bundesrechnungshof herausgefunden. Gesamtausgaben: etwa 2,1 Millionen Euro. Aber selbst das sind ungenaue Zahlen: Die Ministerien legen nämlich die Regeln für die Berichtspflicht "verschieden aus", schreibt der Bundesrechnungshof. Was zu sehr verschiedenen Ergebnissen führt.

Wie eigenmächtig einzelne Ministerien mit der Berichtspflichten umgehen, zeigt das Bundesministerium für Forschung und Bildung (BMBF). Der Bundesrechungshof widmet sich dem Thema BMBF und Berater in einem eigenen Bericht, der ebenfalls SZ.de vorliegt. (Das BMBF ist in diesem Zusammenhang schon 2015 negativ aufgefallen.)

Das BMBF etwa hat sich demnach einen eigenen "Negativkatalog" mit Beratungsleistungen zusammengebastelt, die nach Meinung des Ministeriums nicht im Beraterbericht der Bundesregierung auftauchen müssen. Keine Beratungen sind demnach "Beratungen im Zusammenhang mit Forschungs- und Bildungsförderungsförderprojekten". Was in einem Forschungs- und Bildungsministerium so ziemlich alles betrifft.

Im Beraterbericht der Regierung darf das BMBF folglich als das Bundesministerium glänzen, das die allerwenigsten Beratungsleistungen beansprucht. Die Grünen-Politikerin Deligöz stellt nun fest: "Wenn man die Untersuchungsergebnisse des Bundesrechnungshofes in Relation setzt, ist das BMBF plötzlich das Ministerium mit den meisten externen Beratungsaufträgen - und nicht das Schlusslicht."

Deligöz würde gerne von Bildungsministerin Johanna Wanka (CDU) ein paar Details zu den externen Beratern wissen: "Wer sind die Einflüsterer? Was für Eigeninteressen haben Sie? Warum ist es überhaupt nötig, so viel mehr externe Expertise in Anspruch zu nehmen als andere Ressorts?" Es ließe sich noch die Frage nachschieben, warum der Umfang der Beratung derart verschleiert wird.

Der Bundesrechnungshof hat nachgefragt. Aber die Antworten auf dem BMBF haben wohl eher nicht überzeugt. Es fehlen Belege, die Antworten gehen selten über pauschale Allgemeinplätze hinaus.

Das Ministerium hat den Prüfern zufolge in "keinem Fall" die "haushaltsrechtlichen Mindeststandards einer Wirtschaftlichkeitsuntersuchung erfüllt". Das BMBF konnte zudem in "keinem der untersuchten Fälle die Notwendigkeit der externen Beratung zweifelsfrei" darlegen. In vier Fällen mit einem Gesamtvolumen von 1,2 Millionen Euro hat es gar Berater beauftragt, ohne über Ausschreibungen einen Wettbewerb herzustellen.

Die Frage von Deligöz, wer die "Einflüsterer" sind, beantworten übrigens weder das BMBF noch die Bundesregierung. Welche Berater und Firmen beauftragt werden, wird mit Hinweis auf den Datenschutz verschwiegen. Der Bundesrechnungshof hält das für falsch. Zumal sich lediglich sechs Beratungsfirmen etwa zwei Drittel des Kuchens teilen, den die Bundesregierung zu vergeben hat. Große Beratungsfirmen wie etwa McKinsey unterhalten inzwischen längst eigenen Abteilungen, die sich auf den öffentlichen Sektor spezialisiert haben.

Eine gefährliche Konzentration von Macht und Geld, findet der Bundesrechnungshof. Er kommt zu dem Schluss, dass der Umgang der Bundesregierung mit Beratern "potenziell geeignet" sei, die "Integrität der Bundesverwaltung zu gefährden".

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