Bus und Bahn:Das Neun-Euro-Ticket kommt, der Streit geht weiter

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Rabatt-Aktion für den Nahverkehr: Das Neun-Euro-Ticket ist zwischen Bund und Ländern hochumstritten. S-Bahn in München. (Foto: Alessandra Schellnegger)

Ein Boykott des Billigtickets wird in letzter Minute verhindert. Doch die Debatte um die Zukunft des Nahverkehrs ist damit nicht beendet. Die Bundesländer kritisieren die Regierung hart.

Von Markus Balser, Berlin

Dass es keine ganz leichte Entscheidung mehr war, hat am Freitag im Bundesrat Winfried Hermann klargemacht. In seiner Familie hätten die Ersten das Ticket ja schon gekauft und wollten damit reisen, sagte Baden-Württembergs Verkehrsminister (Grüne). Frei abstimmen könne er da kaum noch. Dabei hatten die Bundesländer bis zuletzt offen mit einem Boykott der Aktion wegen drohender Finanzlücken im klammen Nahverkehr gedroht. Als der Bund seine Zahlungen um einige Hundert Millionen Euro aufstockte, lenkten die Länder schließlich ein.

Damit kann mit dem Neun-Euro-Ticket in diesem Sommer die größte Rabattaktion im Nahverkehr seit Jahrzehnten starten. Im Juni, Juli und August können Passagiere zu diesem Preis bundesweit alle Busse und Bahnen im Nah- und Regionalverkehr nutzen. Das heißt: Wer in Berlin ein solches Ticket kauft, kann auch in Hamburg oder München einsteigen. Ferienausflüge von München in die Berge oder von Hamburg an die Nord- oder von Berlin an die Ostsee sind ebenfalls drin. Nur Reisen in den Fernzügen der Bahn bleiben ausgenommen.

Die Rabattaktion soll die Bürger wenigstens teilweise von den hohen Energiepreisen entlasten und zum häufigeren ÖPNV-Fahren motivieren. Allerdings wird zur gleichen Zeit auch das Autofahren günstiger. Denn der Bundestag hat für diese drei Monate auch einen Tankrabatt beschlossen. Die Energiesteuer auf Kraftstoffe wird von Anfang Juni bis Ende August auf das in der EU erlaubte Mindestmaß reduziert. Der Preis pro Liter Benzin sollte damit um gut 30 Cent sinken, Diesel um fast 17 Cent.

An dem Neun-Euro-Ticket hatte sich in den vergangenen Wochen ein harter Streit um die Finanzierung des Nahverkehrs entzündet. So heftig wie lange nicht waren Bund und Länder aneinandergeraten. Nur mit einem Trick gelang es, die Rabattaktion schließlich noch zu retten. Das schon fertige Gesetz wurde in letzter Minute um eine Notiz ergänzt, in der die Bundesregierung den Ländern weitere 800 Millionen Euro zusagte.

Doch der Streit um die Zukunft des Nahverkehrs ist damit nicht beendet. Das machte am Freitag die Debatte im Bundesrat klar. Ohne höhere Bundesmittel zum Ausgleich für extrem gestiegene Kosten werde der Sonderrabatt im Sommer in Ticketpreissteigerungen danach münden, warnte Baden-Württembergs Verkehrsminister Hermann eindringlich. Aus Werbung für den öffentlichen Verkehr werde dann Abschreckung.

Etliche Milliarden müssten 2022 fließen, wenn ein ehrgeiziges Ziel erreicht werden soll

Eigentlich war es eine Kampfansage an das Auto, als sich die Verkehrsminister aus Bund und Ländern vor gut einem Jahr darauf einigten, die Zahl der Fahrgäste im öffentlichen Nahverkehr bis 2030 zu verdoppeln. Auch die neue Bundesregierung schrieb sich dieses Ziel in ihren Koalitionsvertrag. Viele Milliarden mehr müssten deshalb schon von diesem Jahr an in den Nahverkehr fließen - um neue Schienen zu verlegen, Busse zu kaufen und Haltestellen zu modernisieren. Doch die Realität sieht ganz anders aus.

Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) schlägt harte Kritik entgegen, weil er eine deutliche Aufstockung der Nahverkehrsmittel bislang ablehnt. Dabei lassen sich die gesetzlichen Klimaziele gerade seines Ressorts nur mit mehr Nah- und weniger Autoverkehr erreichen. Länder und Verkehrsverbünde gehen von jährlichen Zusatzkosten von bis zu sechs Milliarden Euro bis 2030 aus, die für den Umbau des Verkehrssystems nötig wären. Vorgesehen hat Wissing für den Ausbau in den nächsten Jahren allerdings nur zwei bis drei Milliarden Euro. Die Kosten der Ukraine-Krise ließen nicht mehr zu, heißt es.

Die Bundesländer machten am Freitag ihrem Ärger Luft. Die Regierung habe keinen Plan, was nach der Neun-Euro-Aktion Ende August passieren soll, kritisierte Hessens Noch-Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU). Auch dann würden die Energiekosten wahrscheinlich noch sehr hoch sein. Und der Umbau müsse weitergehen. Auch Parteifreunde Wissings äußerten harte Kritik. Mit dem Kompromiss werde langfristig kein einziger Bus mehr fahren, warnte Schleswig-Holsteins Wirtschafts- und Verkehrsminister Bernd Buchholz (FDP). Sein Land müsse so den Nahverkehr eher ausdünnen.

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