Friedrich Merz:Der Bundesrat, die unterschätzte Hürde

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Die Länderkammer darf bei vielen Gesetzen mitreden. Hier Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) bei einer Bundesratssitzung im Oktober. (Foto: Fabian Sommer/dpa)

Unions-Kanzlerkandidat Friedrich Merz verspricht seinen Wählern einen „Politikwechsel“. Doch viele seiner Vorhaben benötigen die Zustimmung der Bundesländer. Das könnte schwierig werden – egal in welcher Koalition er regiert.

Von Robert Roßmann, Berlin

Es gibt kaum ein Schlagwort, das in Reden von Friedrich Merz gerade häufiger vorkommt als „Politikwechsel“. Nach einem Wahlsieg der Union müsse es in Deutschland einen deutlichen Politikwechsel geben, findet der CDU-Chef. Das betreffe Wirtschaft, Arbeitsmarkt, Migrationspolitik, innere Sicherheit und auch einige Bereiche der Außen- und Sicherheitspolitik. Wenn dieser Politikwechsel nach der Bundestagswahl nicht gelinge, dann werde man 2029 „nicht noch mal über einen beliebigen weiteren Regierungswechsel in Deutschland“ reden, sagt Merz. „Dann passiert das, was wir in diesen Tagen in Österreich erleben.“

Aber natürlich geht es Merz dabei nicht nur um die Rechtspopulisten und -radikalen. Er macht sich auch Sorgen, dass die CDU nach der Wahl zu wenig von dem umsetzen kann, was sie gerade verspricht. Egal, ob die Union nach einem Wahlsieg mit der SPD oder den Grünen regiert, es dürfte nicht einfach werden, die wesentlichen Teile des Wahlprogramms der Union bei den Koalitionsverhandlungen auch durchzusetzen. Und der Koalitionsvertrag wird nur der erste Schritt auf diesem harten Weg sein. Denn es gibt ja auch noch den Bundesrat.

Nur auf 16 der 69 Stimmen könnte ein Bundeskanzler Merz fest vertrauen

Die Bedeutung der Ländervertretung wird gerne unterschätzt. Dabei spielt der Bundesrat eine wichtige Rolle. Sogenannte zustimmungsbedürftige Gesetzesvorlagen können nur mit seiner Billigung in Kraft treten. Und davon gibt es jede Menge. In der vergangenen Legislaturperiode wurden dem Bundesrat 547 vom Bundestag beschlossene Gesetzesvorlagen zugeleitet, 205 von ihnen waren zustimmungsbedürftig. In der noch laufenden Legislaturperiode kamen bisher 310 Gesetzesvorlagen beim Bundesrat an, 106 waren zustimmungsbedürftig.

Unter die Zustimmungspflicht fallen zum Beispiel alle Gesetze über Steuern, an deren Aufkommen die Länder oder Gemeinden beteiligt sind – und damit auch die Pläne der CDU zur Senkung der Einkommensteuerbelastung, mit denen sie gerade Wahlkampf macht. Genau deshalb muss Merz der Blick auf die aktuellen Verhältnisse im Bundesrat Kummer machen.

Die Länder verfügen im Bundesrat insgesamt über 69 Stimmen, mindestens 35 davon sind nötig, damit eine zustimmungsbedürftige Gesetzesvorlage auch tatsächlich Gesetz wird. Die Länder stimmen im Bundesrat zwar nicht automatisch nach den politischen Farben im Bund ab, sie haben auch Eigeninteressen im Blick. Aber natürlich geben die Parteifarben Orientierung. Ein Bundeskanzler Merz könnte demnach – egal ob er eine schwarz-rote oder eine schwarz-grüne Koalition führt – nur auf 16 Stimmen vertrauen.

Damit ein Bundesland im Bundesrat mit Ja stimmen kann, müssen sich nämlich alle Koalitionspartner einig sein. Im Fall einer schwarz-grünen Bundesregierung könnte Merz deshalb nur auf die Unterstützung der ausschließlich von CDU und Grünen regierten Länder Nordrhein-Westfalen, Schleswig-Holstein und Baden-Württemberg setzen – bei einer schwarz-roten Koalition wären es die ausschließlich von CDU und/oder SPD regierten Länder Hessen, Berlin, Saarland und Sachsen. Selbst wenn man Bayern dazurechnen würde, weil sich die im Freistaat mitregierenden Freien Wähler in Bundesangelegenheiten selten querstellen, könnte Merz im Bundesrat nur auf 22 der 69 Stimmen bauen. Er müsste also selbst in diesem Fall mindestens drei weitere farbfremde Bundesländer auf seine Seite ziehen.

Das seien „dann schon mal beinharte Gespräche“, sagt Seehofer

Horst Seehofer war nicht nur zehn Jahre Ministerpräsident und elf Jahre CSU-Chef. Er saß auch als Bundesminister in Kabinetten von Helmut Kohl und Angela Merkel. Und er war Präsident des Bundesrates. Es gibt nur wenige, die die Verflechtungen zwischen Bundesregierung, Bundestag und Bundesrat so intensiv selbst miterlebt haben.

„Das Kapitel Bundesrat war immer das schwierigste – schon zu Kohl-Zeiten“, sagt Seehofer jetzt der Süddeutschen Zeitung. „Am Abend vor den Bundesratssitzungen treffen sich die Ministerpräsidenten der Union immer mit dem CDU-Chef, um sich abzustimmen.“ Das seien „dann schon mal beinharte Gespräche, weil es auch um Eigeninteressen der Länder geht“. Und das seien, „etwa wenn es um Steuerfragen geht, hoch komplizierte Verhandlungen – ein Geben und Nehmen“. Aber da zeige „sich dann eben auch die Führungskunst eines Kanzlers“. Er müsse „eine Situation herstellen, in der allen klar ist: Wir müssen gemeinsam Erfolg haben im Regieren“.

Seehofer sagt, er traue Merz das zu. Sicher ist aber schon jetzt, dass die Aufgabe sehr schwer werden wird. Damit der deutliche Politikwechsel, den der CDU-Chef verlangt, gelingt, wird er nicht nur die Bundestagswahl gewinnen und erfolgreiche Koalitionsverhandlungen führen müssen. Er wird dann eben in vielen zentralen Fragen auch noch den Bundesrat überzeugen müssen.

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