Bundespräsidentenwahl:Verlegen statt verlockend

Horst Köhler hat bislang nicht vermocht, dass sich etwas Substantielles mit seiner Amtszeit verbindet. Und die SPD hätte aussichtsreichere Gegenkandidaten gehabt als Gesine Schwan. Fazit: Beide Präsidentschafts-Kandidaten überzeugen nicht.

Hans Werner Kilz

Das hat es in 60 Jahren Bundesrepublik noch nicht gegeben: Der Meister der Bundesliga und der Bundespräsident werden an einem Tag gekürt. Das Schicksal zweier Männer liegt in den Händen - oder auch in den Füßen - ganz weniger.

Horst Köhler, Gesine Schwan; ddp

Weder bei Horst Köhler noch bei Gesine Schwan handelt es sich um einen aussichtsreichen Kandidaten.

(Foto: Foto: ddp)

Das Volk hat an diesem Verfassungstag nichts zu sagen, es soll nur jubeln. Und wenn es so ausgeht, wie die meisten erwarten, dann sind es Felix Magath und Horst Köhler, die am Abend ganz oben stehen werden - Magath mit der ersten Meisterschaft der Werksmannschaft VfL Wolfsburg, Köhler mit seiner zweiten Amtszeit als Präsident der Bundesrepublik Deutschland.

Die Deutschen meinen ja, sie hätten bisher Glück gehabt mit ihren Präsidenten, angefangen von Theodor Heuss bis zu Horst Köhler, den vor fünf Jahren kaum einer kannte, den jetzt aber zwei Drittel der Deutschen als Staatsoberhaupt wiederwählen würden, wenn sie denn dürften. Diese große Zustimmung rührt daher, dass Bundespräsidenten die Mediendemokratie für sich nutzen können wie kein anderer Politiker.

Sie halten Reden bei feierlichen wie bei traurigen Anlässen, schütteln vielen Menschen täglich die Hand und machen gern Reisen, mit Vorliebe in Länder der Dritten Welt, wo dann Kameras Bilder einfangen, die der Nation ans Herz gehen. Darauf versteht sich auch Köhler prächtig. Wer als Bundespräsident keine Zustimmung im Volk findet, muss sich ziemlich ungeschickt anstellen. Köhler hätte, wenn es am Samstag eine Direktwahl gäbe, seine Mehrheit sicher.´

Gewählt wird aber von der Bundesversammlung, einem Gremium, das nur alle fünf Jahre und nur zu diesem einen Zweck zusammentritt: den Deutschen einen Präsidenten zu wählen. Das hat historische Gründe.

Das politische Führungspersonal der Nation reichte von den preußischen Reformern über Bismarck und Bebel bis zu Kaiser Wilhelm II. und dem Verbrecher Adolf Hitler. Dass dieser an die Macht kam, war auch die Schuld des Reichspräsidenten Hindenburg, der Hitler 1933 zur Macht verhalf und damit die parlamentarische Demokratie der Weimarer Republik den Nationalsozialisten auslieferte.

Weizsäckers Beliebtheit

Einige wenige, vorwiegend Sozialdemokraten, die sich damals im Reichstag gegen die Nazis stemmten und später die Diktatur überlebten, haben nach dem Krieg am Grundgesetz mitgeschrieben. Die Verfassung begrenzt die unmittelbare politische Wirksamkeit des Bundespräsidenten, belässt ihm nur die Macht des Wortes, durch "öffentliche Rede", wie es Helmut Schmidt ausgedrückt hat, "unserem Volk geistige Orientierung und seelische Kraft zu geben". Diese Aufgabe macht das Amt durchaus politisch.

Die Bundesbürger erwarten von ihrem Präsidenten, dass er sein "symbolisches Kapital" (Jürgen Habermas) nutzt, dass er denen in der Regierung auf die Finger sieht, ihnen notfalls die Leviten liest und Richtungen vorgibt. Ein Bundespräsident, der mehr riskiert, läuft Gefahr zu scheitern. Die Macht liegt beim Kanzler und den Bundesministern, es gibt nur eine parlamentarische, aber keine präsidentielle Exekutive. Der Präsident kann allenfalls dort korrigierend eingreifen, wo Defizite der parlamentarischen Politik spürbar sind.

Aussichtsloser Kandidaten-Wettstreit

Das gelang Richard von Weizsäcker mit seiner Rede am 8.Mai 1985 zum 40. Jahrestag des Kriegsendes, die außenpolitisch und auch im Innern der Republik Wirkung zeigte. Er setzte seine Beliebtheit in den Medien so stark für sich ein, dass Kanzler Helmut Kohl, dem die Weizsäckersche Weltläufigkeit fehlte, hinterher bedauerte, ihn zum Staatsoberhaupt gemacht zu haben. Auch Roman Herzog verstärkte mit seiner Ruck-Rede den Missmut über ausgebliebene Reformen in der Kohl-Ära, schürte die Stimmung im Volke für einen Machtwechsel. Davon profitierte später Gerhard Schröder.

Und Köhler? Er hat es bisher nicht vermocht, dass sich irgendetwas Substantielles mit seiner Amtsführung verbindet. Von seiner Ankündigung vor fünf Jahren, er wolle eine "konzeptionelle und intellektuell-geistige Führung" ausüben, war wenig zu spüren. Aber gerade deswegen, weil er so linkisch wirkt und nicht so hochtrabend daherredet, scheinen ihn die Menschen zu mögen.

Es hätte bessere, auch aussichtsreichere Gegenkandidaten als Gesine Schwan gegeben, aber die SPD hat taktiert und dicke Fehler gemacht. Sie hatte den Ball in der Hand, wollte ihn aber nicht spielen. Sie wollte gar nicht siegen. Beck und Steinmeier hätten ein Aufbruchsignal zum Machtwechsel geben können wie seinerzeit Willy Brandt und Walter Scheel, die 1969 das Ende der Großen Koalition einläuteten und beschlossen, den Sozialdemokraten Gustav Heinemann zum Bundespräsidenten zu wählen.

Weil die SPD-Spitze aber schon früh daran dachte, im Herbst wieder mit der Union zu regieren, wollte sie ursprünglich Horst Köhler mitwählen. Eine selbstbewusste, kämpferisch auftretende Partei hätte einen Kandidaten aufgestellt, der nicht wie eine Verlegenheit, sondern wie eine Verlockung daherkommt.

Frank-Walter Hasenfuß

Henning Scherf, der in Bremen zehn Jahre lang ein exzellenter Bürgermeister war, wäre so einer gewesen. Der Sozialdemokrat hat drei Kinder, mehrere Enkel, lebt in Deutschlands berühmtester Hausgemeinschaft und hätte mit seinem Charisma alle Möglichkeiten gehabt, Stimmen aus verschiedenen politischen Lagern zu gewinnen. So wird es wohl bei Horst Köhler bleiben, weil die SPD-Führung hasenfüßig agierte und nicht das politische Format ihrer Vorgänger bewies. Weil ihr außerdem das Ansehen des Amtes schnurzegal ist, sonst würde sie nicht die eigene Kandidatin bloßstellen, nur weil sie hie und da eine unangepasste Meinung vertritt.

Gesine Schwan macht etwas, was sich vor ihr keiner traute. Sie fordert einen amtierenden Bundespräsidenten heraus, der frühzeitig erklärte, dass er noch einmal kandidieren will. Das ist zwar, anders als die Union und betuliche Sozialdemokraten glauben machen wollen, keine Taktlosigkeit und auch keine Entwürdigung des höchsten Staatsamtes. Es ist ein erlaubter Kandidaten-Wettstreit, allerdings mit fragwürdiger demokratischer Legitimation, denn die Bundesversammlung besteht aus festgefügten Lagern, die parteitaktisch entscheiden und nicht nach Eignung der Kandidaten.

Schwans Kalkül, die bayerischen Landtagswahlen könnten ihre Wahlchancen in der Bundesversammlung verbessern, ist nicht aufgegangen. Weil sie im dritten Wahlgang, wenn es ihn überraschend doch geben sollte, auf die Stimmen der Linken setzt, könnte die Präsidentenwahl zur Belastung für die SPD werden. Sie hätte im Bundestagswahlkampf wieder die Rot-Rot-Grün-Debatte am Hals, die SPD-Kanzlerkandidat Steinmeier loswerden will. Um das auszuschließen, müssten Sozialdemokraten insgeheim für Köhler stimmen. Es wäre ein weiteres Eigentor der SPD in der für sie wenig ruhmreichen Kandidaten-Kür.

Und das würde sie auch wieder vom VfL Wolfsburg unterscheiden. Der kann sein Ziel aus eigener Kraft und mit Toren erreichen, die den Gegner besiegen und nicht aufbauen.

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