Bundespräsidentenwahl 2017:Und dann wünscht Seehofer nur viel Glück

Bei Steinmeiers offizieller Nominierung als Bundespräsident bedankt sich Gabriel artig. Merkel lobt den Kandidaten über den Klee, Seehofer blickt zu Boden. Und Steinmeier? Der findet die richtigen Worte.

Von Thorsten Denkler, Berlin

Seehofer atmet kurz aus, als er nach Sigmar Gabriel an der Reihe ist. Der CSU-Chef macht es kurz. Die CSU unterstützt Frank-Walter Steinmeier in seiner Kandidatur für das Amt des Bundespräsidenten. Er sei "geeignet als Mensch und Politiker" und habe die nötige "Ruhe und Besonnenheit". Er sei ein Mann des Ausgleichs. "Dies alles brauchen wir in dieser Zeit", sagt Seehofer. Und wünscht Steinmeier: "Viel Glück."

Glück? Das klingt aus dem Mund von CSU-Chef Horst Seehofer doch wieder fast wie eine Drohung. Hat Seehofer seine CSU-Leute in der Bundesversammlung nicht im Griff?

Steinmeier ignoriert die kleine Spitze. "Ja!", sagt er überraschend laut. Er will sich jetzt auch kurz vorstellen: "Nicht nötig, werden manche sagen", sagt Steinmeier. Er sei ja ohnehin jeden Abend präsent auf den Fernsehschirmen. Aber heute stehe er eben nicht als Außenminister da, sondern als Kandidat für das Amt des Bundespräsidenten. "Das macht den Moment, auch für jemanden, der seit langem in der Öffentlichkeit steht, zu einem besonderen." An solche komplexen Sätze werden sich die Deutschen jetzt gewöhnen müssen. Aber Steinmeier hat eben andere Qualitäten als den einfachen und kurzen Satz.

Er sagt, seine Freude auf die Aufgabe sei groß. "Mein Respekt davor noch größer." Und erzählt von der Begegnung mit einem Mann, der ihn fragte, ob er angesichts der vielen Krisen in der Welt jetzt Angst haben müsse. Keine einfache Frage, sagt Steinmeier. "Mit Blick von uns nach draußen kann ich das nachvollziehen. Aber mit Blick von außen kann ich nur zuversichtlich sein." Die Deutschen hätten gelernt, dass aus Krieg Frieden werden könne. Und dass nach der Raserei der Ideologien etwas einkehren kann wie politische Vernunft.

"Die Ereignisse unserer Zeit" seien "politische Erdbeben". Diese "rütteln an uns, aber sie können uns auch wachrütteln". Seine Vision für das Amt: Er will über Parteigrenzen hinweg und vor allem über soziale Grenzen hinweg vermitteln, dafür werben, "respektvoll miteinander umzugehen". Es sind genau die richtigen Worte am Tag einer Nominierung. Nicht zu viel. Nicht zu wenig.

Merkel hat zuvor mehr zu Steinmeier zu sagen. Sie muss schließlich einen Mann verkaufen, den sie schätzt, den sie aber gerne als Kandidaten verhindert hätte. Sie kennen sich lange, Steinmeier war Außenminister in der großen Koalition von 2005 bis 2009, war Merkels Gegenkandidat zur Bundestagswahl 2009, saß der Kanzlerin dann vier Jahre als Oppositionsführer im Bundestag gegenüber. Seit 2013 ist er wieder Außenminister.

Steinmeier sei "der richtige Kandidat in dieser Zeit", sagt Merkel. Er sei ein Mann, dem die Bürger "vertrauen können". In der Opposition blieb er "immer sachlich und fair", sagt Merkel. In der Regierung hätten sie eine "denkbar enge und vertrauensvolle Zusammenarbeit gehabt". Sie lobt einfach alles, was es an Steinmeier zu loben gibt.

Das macht Sigmar Gabriel auch. Nur mit mehr Freude. Steinmeier ist sein Coup. Monate hat es gedauert, bis der Kandidat am Montag feststand. Merkel hat bis zum Schluss versucht, einen eigenen Kandidaten zu präsentieren, einen aus der CDU. Oder zumindest einen, der der CDU nahesteht.

Sie haben alle abgesagt: Ursula von der Leyen, Norbert Lammert, Andreas Voßkuhle und noch einige mehr. Ihnen reichte wohl der Blick auf die Mehrheitsverhältnisse in der Bundesversammlung, in der Abgeordnete und gesellschaftliche Persönlichkeiten aus Bund und Ländern zusammenkommen. Die Union aus CDU und CSU ist da zwar stärkste Kraft. Aber für die absolute Mehrheit reicht es nicht. Im dritten Wahlgang würde die einfache Mehrheit reichen. Aber da hätte theoretisch ein Linksbündnis angeführt von der SPD die Nase vorn.

Seehofer weiß: Das ist eine Niederlage

Gabriel hat früh Steinmeier als Kandidaten ins Spiel gebracht. Er hat darauf spekuliert, dass Merkel keinen besseren Kandidaten würde finden können. Merkels Idee, mit dem Grünen Winfried Kretschmann zwar keinen CDU-Kandidaten aber eben doch einen eigenen Kandidaten präsentieren zu können, scheiterte an Seehofer.

Seehofer weiß: Das ist eine Niederlage. Vor allem für Merkel. Mit seiner auffällig kurzen Würdigung Steinmeiers zeigt er aber auch: Er wird es ihr auch künftig nicht leichter machen.

Gabriel sagt also: "Natürlich freue ich mich darüber." Er bedankt sich artig für die Unterstützung der Regierungskoalition. Und natürlich bei den Bürgern für das Vertrauen, das sie jetzt schon in Steinmeier setzen. Denn "darauf kommt es letztlich an". Er dankt auch Merkel und Seehofer für die Unterstützung eines SPD-Kandidaten. Die sei nicht "automatisch und selbstverständlich". Seehofer schaut nach unten, als fühle er sich wenig angesprochen.

Gabriel hält eine kleine Versöhnungsrede. Es gehöre zur Tradition, dass die "Parteizugehörigkeit zurücktritt", wenn es um die Wahl des Bundespräsidenten gehe. Da träten andere "Eigenschaften in den Vordergrund". Vertrauen und Integrität etwa. "Die brauchen wir gerade heute im Land."

Steinmeier werde vermitteln zwischen "Wohlhabenden und solchen, die soziale Härten" erfahren hätten. Und darum sei Steinmeiers Nominierung "eine gute Nachricht für Deutschland". Und vor allem ist sie eine gute Nachricht für einen Sigmar Gabriel, den manche schon kurz vor dem Rücktritt sahen.

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