Süddeutsche Zeitung

Bundespräsidentenwahl:Österreichische Schlammschlacht, die zweite

Der Kampf um das Präsidentenamt geht in eine neue Runde - und er wird noch härter. Auch weil die Regierung dem Rechtspopulisten Hofer die Themen streitig macht.

Analyse von Leila Al-Serori

Eigentlich hätte Alexander Van der Bellen, der gemächliche linke Professor mit Hang zum Kettenrauchen, die Wiener Hofburg längst beziehen sollen. Doch das Ergebnis der österreichischen Bundespräsidenten-Stichwahl wurde wegen unzähliger Schlampereien vom Verfassungsgericht aufgehoben. Und so hat Österreich seit Anfang Juli keinen Bundespräsidenten mehr. Das Land befindet sich im Dauerwahlkampf - der die nächsten Wochen noch ungemütlicher wird.

Die Zeit spielt dabei gegen Van der Bellen. Durch die Themenlage der vergangenen Wochen mit Türken-Demos, Terroranschlägen und Asyldebatten könnte sich seine Chancen auf einen erneuten Sieg am 2. Oktober schmälern, der Grüne im Duell mit Norbert Hofer, dem Kandidaten der rechtspopulistischen FPÖ, doch noch unterliegen. Es war die FPÖ, die die Wahl wegen Unregelmäßigkeiten angefochten hatte - und vor Gericht Recht bekommen hat. Das stärkt den Burschenschafter zusätzlich. Hat Hofer schon so gut wie gewonnen?

"Die aktuelle Themenlandschaft gibt ihm vielleicht einen Mobilisierungsvorteil", sagt der renommierte österreichische Politologe Peter Filzmaier von der Donau-Universität Krems. Doch gewonnen habe Hofer noch lange nicht: "Sonst wird immer über Umfragen diskutiert, diesmal gab es durch die aufgehobene Stichwahl eine Totalerhebung." Diese ging sehr knapp, nämlich 50,3 zu 49,7 Prozent für Van der Bellen aus. Aussagekräftige Umfragen gibt es derzeit tatsächlich keine. "Das Rennen ist völlig offen."

Regierung nimmt mit rechten Themen FPÖ Platz in den Medien weg

Die Kandidaten könnten unterschiedlicher nicht sein: Auf der einen Seite der grüne Wirtschaftsprofessor Van der Bellen, der als Kind estnischer Flüchtlinge nach Österreich kam, auf der anderen Seite der rhetorisch versierte Rechtspopulist Hofer, die rechte Hand von FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache.

Bei gleicher Beteiligung wie am 22. Mai genügt es Van der Bellen, wenn sich jeder seiner Wähler wieder für ihn entscheidet. Allerdings wollten viele nicht unbedingt ihn in die Hofburg bringen, sondern schlicht Hofer draußen halten. Der FPÖ-Kandidat wiederum wird noch zugespitzter vor Einwanderung und islamistischen Terror warnen, um Anhänger und Unentschlossene zu mobilisieren. Das muss er auch deshalb, weil die Regierungsparteien zuletzt ihre Standpunkte scharf in Richtung rechts rückten. ÖVP-Außenminister Sebastian Kurz will die Burka verbieten und das Integrationsgesetz verschärfen lassen. SPÖ-Kanzler Christian Kern fordert ein Ende der türkischen EU-Beitrittsverhandlungen. "Kurz und Kern nahmen der FPÖ dadurch Platz in den Medien weg. Die größte Tageszeitung des Landes stellte die Frage, ob sie von der Regierung an den Rand gedrängt würde. Das gab es seit Jahren nicht", betont Filzmaier. Die FPÖ muss also noch lauter als sonst werden.

Experte Filzmaier: "Es ist Schlimmes zu befürchten"

Das deutet auf einen ungemütlichen September hin: "Es ist Schlimmes zu befürchten", sagt Politologe Filzmaier. Schon im Mai polarisierte die Frage, für welche der beiden man sein Kreuz machen werde. Die Wahl offenbarte eine Spaltung der Bevölkerung, nicht nur in rechts und links, sondern vor allem in unten und oben, in Land und Stadt.

Ein neuer Bundespräsident sollte das Land wieder einen - dazu kam es bis heute nicht. Im Gegenteil, der gehässig geführte Wahlkampf ging in die Verlängerung, neue Lagerkämpfe folgten - und natürlich auch eine Prise Dirty Campaigning. "Beide Kandidaten haben sich vordergründig für Fairness ausgesprochen, doch gegen Van der Bellen gab es bereits eine Schmutzkampagne über angebliche Krankheiten. Wer immer dahinter steckt, Hofer-Unterstützer waren die Schlammwerfer sicher", erklärt Filzmaier. Zudem gifteten sich die Kampagnenleiter beider Seiten kürzlich über Presseaussendungen an.

Dritte Wahl innerhalb von sechs Monaten

Die Protagonisten selbst hielten sich in den vergangenen Wochen bis auf einige Dorffeste (Hofer) und eine medientaugliche Wanderung in den Tiroler Alpen (Van der Bellen) zurück. Das liegt natürlich an der Jahreszeit, aber auch an einer Wahl(kampf)müdigkeit der Bevölkerung. Die Wahl im Oktober ist schließlich die dritte dieser Art innerhalb von sechs Monaten. Seit Anfang des Jahres dreht sich die innenpolitische Berichterstattung fast ausschließlich um die Frage, wer Bundespräsident wird. Eine sehr lange Zeit, vor allem wenn man bedenkt, dass das Amt hauptsächlich repräsentativen Charakter hat. Sehr verinnerlicht sind zudem die vielen teils grotesken TV-Formate vom Frühjahr, die hart an der Grenze zur Lächerlichkeit waren, wie ein TV-Duell der Kandidaten ohne Moderator.

Für die nächsten Wochen ist nun ein kurzer, aber intensiver Wahlkampf zu erwarten. Die Kandidaten bereiten gerade ihre Auftakte vor - die Plakatkampagne Van der Bellen startet Ende August, Hofer verstärkt zudem seine Social-Media-Aktivitäten. Mobilisieren müssen sie vor allem Nichtwähler bzw. Unterstützer anderer Lager. "Beiden Seiten muss es nun um die bürgerlichen, konservativen Wähler gehen - vor allem im ländlichen Raum", betont Experte Filzmaier. "Sie werden das Zünglein an der Waage sein."

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