Bundespräsidentenwahl:Lafontaine attackiert Gauck

"Ein Mann, der Sozialabbau befürwortet": Der frühere Vorsitzende der Linkspartei, Oskar Lafontaine, greift Joachim Gauck scharf an. Und die FDP will den Präsidentschaftskandidaten gar nicht erst einladen.

P. Blechschmidt, D. Brössler, S. Höll

Die FDP-Bundestagsfraktion will nicht von sich aus auf den Präsidentschaftskandidaten von SPD und Grünen, Joachim Gauck, zugehen. Nachdem am Mittwoch spekuliert wurde, die FDP habe Gauck um ein Gespräch gebeten, sagte Fraktionschefin Birgit Homburger der Süddeutschen Zeitung: "Nein, es ist nicht geplant, Herrn Gauck einzuladen." Nachdem Gauck selbst die Bereitschaft zu Treffen mit allen Fraktionen signalisiert hatte, hatten auch einige FDP-Abgeordnete die Ansicht vertreten, man solle sich dem nicht verweigern.

Oskar Lafontaine

Oskar Lafontaine Der scheidende Parteivorsitzende Oskar Lafontaine spricht am Samstag, 15. Mai 2010, auf dem Bundesparteitag der Partei 'Die Linke' in Rostock. Der Parteitag waehlt heute einen neuen Parteivorstand. (apn Photo/Frank Hormann) ----- Acting chairman of the left party 'Die Linke', Oskar Lafontaine, is speaking during a federal party convent in Rostock, northern Germany, Saturday, May 15, 2010. (apn Photo/Frank Hormann)

(Foto: ap)

Unterdessen hat der frühere Vorsitzende der Linkspartei, Oskar Lafontaine, Gauck scharf angegriffen. "Offenbar weiß die SPD immer noch nicht, was sie will, und präsentiert einen Mann, der Sozialabbau befürwortet", sagte Lafontaine der SZ. Gauck habe gerade erst den früheren Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) für die sozialen Einschnitte gelobt und praktisch eine Neuauflage der Agenda 2010 und der Hartz-IV-Gesetzgebung gefordert, sagte Lafontaine. "Ein solcher Mann ist für Hartz-IV-Empfänger oder Menschen mit niedrigen Renten und Löhnen als Bundespräsident unzumutbar."

Lafontaine sagte, die frühere Tätigkeit Gaucks als Chef der Behörde zur Aufarbeitung der Stasi-Verbrechen in der DDR sprächen für ihn nicht gegen Gauck. "Die Aufklärung der Stasi-Vergangenheit war nach der Wende erforderlich. Die Stasi war eine Krake. Heute sollte aber zählen, was ein Mann zu wichtigen politischen Fragen zu sagen hat." Gauck kenne die soziale Dimension der Freiheit nicht, so Lafontaine. "Was er unter Freiheit und Aufklärung versteht, da stehen mir die Haare zu Berge." Lafontaine stellte klar, dass aus seiner Sicht Gauck wegen seiner Positionen für die Linke auch in einem möglichen zweiten oder dritten Wahlgang nicht wählbar sei.

Gauck, der in Umfragen auf größere öffentliche Zustimmung stößt als der Kandidat von Union und FDP, Christian Wulff, machte deutlich, dass er angesichts der Mehrheitsverhältnisse nicht mit einem Sieg bei der Wahl am 30. Juni rechnet. Dazu bedürfe es eines Wunders, sagte Gauck als Gast bei einer Veranstaltung des konservativen SPD-Flügels Seeheimer Kreis am Dienstagabend. "Es ist vermessen, wenn sich Menschen auf Wunder einrichten. Dann geht's schief", sagte der evangelische Theologe.

In einem Interview gab Gauck zu, er habe eine "menschliche Sekunde" darüber nachgedacht, ob er aus Rücksicht auf Bundeskanzlerin Angela Merkel auf seine Kandidatur verzichten solle. "Warum soll ich jene ärgern, die dir eigentlich nahe stehen? Das ist doch schade", habe er sich gefragt. Dann habe er aber den Gedanken verworfen: "Wenn du davon die Entscheidung abhängig machst, ist das ein wenig verspielt und ganz sicher unerwachsen." Gauck fügte hinzu: "Ich durfte nicht Nein sagen. Das hätte ich nicht verantworten können."

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