Bundespräsidentenwahl in Österreich verschoben:Eine Pressekonferenz, die Loriot gefallen hätte

Lesezeit: 3 Min.

Österreichs Innenminister begründet die Verschiebung der Bundespräsidentenwahl mit dem "technischen Gebrechen" des Klebers. Wenn das nicht so peinlich wäre, wäre es ziemlich lustig.

Von Oliver Das Gupta

Einer der ersten Journalisten, die den Herrn Minister nach der Pressekonferenz befragen dürfen, kommt aus dem Ausland. "Deutsches Fernsehen", stellt sich der Mann vor und wendet sich an Wolfgang Sobotka. "Fürchten Sie um das Ansehen Österreichs?", fragt er. Und dann noch einmal praktisch die selbe Frage, jetzt auf wienerisch: "Steht die Nation nicht ein bisserl deppert da?"

Was soll man darauf antworten als Bundesminister für Inneres der Republik Österreich, wenn man gerade verkündet hat, dass man für den rechtskonformen Ablauf der Bundespräsidentenwahl am 2. Oktober nicht garantieren könne? Wenn man gerade wegen defekter Wahlunterlagen den Urnengang gekippt hat, der ja seinerseits schon eine Wiederholung hätte sein sollen - die Wiederholung der Bundespräsidentenwahl vom Mai, die wegen grotesker Schlampereien annulliert wurde?

Sobotka windet sich. Ja, das Ansehen Österreichs habe Schaden genommen, sagt er, "das ist gar nicht wegzudiskutieren". Und "wer den Schaden hat, hat den Spott". Aber dass das Land jetzt deppert dastehe, das will Sobotka dann doch nicht bestätigen. "Ich glaube", schwurbelt er, "wenn wir den Prozess so transparent wie derzeit gestalten, dann ist das der Beweis, dass Österreich ein moderner Rechtsstaat auf hohem Niveau ist."

Sobotka referiert über die "technische Situation des Klebers"

Als geradezu vorbildlich transparent haben sich bisher vor allem Hunderte Briefwahlumschläge präsentiert, die sich trotz aufwändiger Herstellung ohne größeres Zutun von selbst öffneten und die politische Präferenz des Briefwählers freigaben. Wie viele Exemplare insgesamt defekt sind, weiß man nicht. Sobotka weiß nur: Österreich sollte lieber nicht am 2. Oktober wählen. Darum ersucht der Minister nun das Parlament, den Termin zu verschieben und das Wahlgesetz von 1971 zu ändern.

Loriot hätte seine Freude an dieser Pressekonferenz gehabt. Sobotka referiert über die "technische Situation des Klebers" oder über dessen "technisches Gebrechen". Herrlich komische Fomulierungen wären das, wenn es nur nicht so peinlich wäre. Die Republik hat seit Monaten kein reguläres Staatsoberhaupt mehr.

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Beim Wahlgang im Mai, den der frühere Grünen-Chef Alexander Van der Bellen hauchdünn vor dem FPÖ-Kandidaten Norbert Hofer gewonnen hatte, gab es eine beachtliche Anzahl von Regelverstößen in den Wahllokalen und während der Auszählung. Die rechte FPÖ hatte die Wahl angefochten - und vor dem Verfassungsgerichtshof Recht bekommen. Und nun wird die austriakische Sedisvakanz noch verlängert, weil der Leim nicht hält.

Sobotka ist vorsichtig in seinen Formulierungen und das muss er auch sein. Rein rechtlich ist das, was er in puncto Wahlverschiebung sagt, nur ein Vorschlag an das Parlament, den Nationalrat. Gleich nach der Pressekonferenz will er mit den Parlamentsklubs sprechen, so heißen in Österreich die Fraktionen. Bis zur Entscheidung des Nationalrats bleibt der 2. Oktober offizieller Termin. Immer wieder betont der Minister diesen Vorbehalt, allerdings lässt er sich auch entlocken, wie es nun weitergehen könnte.

Vier zentrale Aspekte, die sich nach den Worten Sobotkas nun ändern sollen:

  • Der Wahltermin. Der Minister nannte als mögliche Termine den 27. November oder den 4. Dezember. Letzterer Termin gilt als der wahrscheinlichere, die Nachrichtenagentur APA meldet, dass der Zweite Advent fix wäre. Allerdings schloss Sobotka auch eine Neuwahl im Januar 2017 nicht aus.
  • Die Kuverts. Es soll neue Umschläge für die Briefwahlunterlagen geben. Sobotka will die Wahlkarten künftig wie früher in der Staatsdruckerei fertigen lassen. Das würde weniger Zeit in Anspruch nehmen, außerdem gelten die Umschläge als robust.
  • Die Wahlberechtigten. Bei der wiederholten Stichwahl sollen alle abstimmen dürfen, die mit dem vollendeten 16. Lebensjahr die Wahlmündigkeit erreicht haben. Bislang gilt, dass nur diejenigen berechtigt sind, die schon beim ersten Durchgang wahlmündig waren.
  • Die Auszählung. Künftig sollen die Briefwahlstimmen auch am Wahlabend ausgezählt werden, so dass so schnell wie möglich ein Gesamtergebnis vorliegt. Bislang waren die Wahlkarten erst am Tag nach dem Urnengang in Augenschein genommen worden.

Auf der Wiener Pressekonferenz werden noch weitere Details zu den defekten Wahlkarten genannt. Die "Klebestellen" an der oberen Kante und Seitenkante lösten sich auf, die Lasche lasse sich auch nach 20 Minuten immer noch auf- und zumachen.

Der finanzielle Schaden dürfte sich auf etwa zwei Millionen Euro summieren, sagt der Minister. Die Frage nach Schadenersatzforderungen an die beauftragte Druckerei wolle er erst beantworten, wenn alle Erkenntnisse vorlägen. Dann werde man "im Sinne des Steuerzahlers" aktiv werden und versuchen, den Schaden zu minimieren.

Sabotagegeraune des FPÖ-Anhangs

Der Minister steht eingerahmt zwischen zwei weiteren Herren, die ihm sekundieren. Links ein elegant Uniformierter des österreichischen Bundeskriminalamtes, der sagt, man kenne noch nicht die genaue Ursache für den Leimdefekt, aber dafür das Ergebnis. "Wenn man mit der Hand ins Kuvert hineinfährt, kann es sein, dass es an der Seite aufgeht."

Außerdem beteuert der Kriminaler das, was auch der Minister zu dem Sabotagegeraune sagt, das beim verschwörungstheorieverliebten Anhang der FPÖ laut wird. Es gebe keinerlei Hinweise auf kriminelle Handlungen bei den bislang überprüften Wahlunterlagen.

Zur Rechten Sobotkas steht ein hochgewachsener Sektionschef des Ministeriums. Wenn er etwas sagen soll, bohrt der Minister gerne seinen ausgestreckten Zeigefinger in die Richtung seines Untergebenen. Der erwähnt gegen Ende der Pressekonferenz das deutsche Nachbarland, deren Bewohner die Österreicher auch gerne Piefke nennen. Verschiedene Kleber seien bei den defekten Wahlkarten verwendet worden, sagt der Beamte, "auch aus der Bundesrepublik Deutschland". Genug Klebstoff also für ein Loriotsches Dramolett.

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