Süddeutsche Zeitung

Bundespräsidentenwahl:Ganz schön link

Oskar Lafontaine ist es gegangen wie der Kanzlerin: Er hat sich bei der Kandidatenwahl für die Bundespräsidentschaft verrechnet. Durchgesetzt hat sich Linken-Chefin Lötzsch - doch sie wird dafür bezahlen müssen, dass sie die Kandidatin Klarsfeld durchgeboxt hat. Das Chaos bei der Linken zeigt, dass die Parteikollegen nicht miteinander können.

Daniel Brössler

Abgeschoben an den Rand des politischen Geschehens und beseelt vom legitimen Wunsch mitzuspielen, ist der Linken bei der Kandidatensuche für die Präsidentschaftswahl zumindest eines wieder geglückt: der Beweis, dass sie es noch schlechter machen kann als die anderen.

Oskar Lafontaine, dem starken Mann der Linken, ist im Kleinen unterlaufen, was Angela Merkel im Großen vorgemacht hat: Er hat sich total verrechnet. Der Saarländer hat geglaubt, dass er Beate Klarsfeld, die legendäre Kämpferin gegen alte Nazis, als Kandidatin würde verhindern können. Ausgerechnet Gesine Lötzsch hat ihn eines Besseren belehrt.

Die Parteivorsitzende spielt hier, treibt man die Analogie ein bisschen weiter, die Rolle des Philipp Rösler. Indem sie den Namen Klarsfeld unabgestimmt ins Gespräch brachte, schuf sie Fakten, an denen weder Lafontaine noch der Vorsitzende seines Vertrauens, Klaus Ernst, vorbeikamen. Deren Wunschkandidat, der Kölner Armutsforscher Christoph Butterwegge, verstärkte das ungute Gefühl ostdeutscher Genossen, die SPD der siebziger Jahre wolle Auferstehung feiern. Gegen die antifaschistische Ikone Klarsfeld konnte Lafontaine so wenig ausrichten wie Merkel gegen Gauck. Er hat nur deutlich länger gebraucht, das einzusehen.

Warum haben sich Lafontaine und Ernst gegen Klarsfeld gesträubt?

Rätselhaft mag zunächst erscheinen, warum Lafontaine und Ernst sich überhaupt gegen Klarsfeld gesträubt haben. Beiden ist abzunehmen, dass sie das Lebenswerk der Deutsch-Französin schätzen und auch nichts gegen die späte Anerkennung haben, die ihr durch eine Präsidentschaftskandidatur zuteil wird. Beider Motive führen vielmehr in die Untiefen einer Partei, in der für manche ein klares Bekenntnis zu Israel, wie es Klarsfeld äußert, nicht zum guten Ton gehört.

Lafontaine fürchtet vermutlich nicht zu Unrecht Kontroversen, die ihn im saarländischen Wahlkampf stören. Überhaupt wünscht er die Konzentration auf das Soziale, auf das Thema, in dem er den Daseinszweck der linken Partei sieht. In der Stellvertreterschlacht um die Präsidentschaftskandidatur ging es daher um nicht weniger als Führung und Richtung.

Lötzsch wird für ihr Vorpreschen bezahlen müssen

Ähnlich wie Rösler wird Lötzsch für ihr Vorpreschen vermutlich noch einen Preis zu bezahlen haben. Im Juni möchte sie wieder gewählt werden als Vorsitzende. Doch die Zahl jener, die das unbedingt verhindern wollen, ist nach dem von ihr maßgeblich mitzuverantwortendem Kandidatenchaos noch einmal gestiegen. Zu den Ost-Reformern im Anti-Lötzsch-Lager gesellen sich nun etliche West-Linke. Das wird erst recht so sein, sollte sich in den nächsten Wochen erweisen, wie wenig die Pariserin Klarsfeld und die deutsche Linkspartei in Wahrheit zusammenpassen.

Was also folgt aus der Kandidatenkür? Mindestens die Gewissheit, dass die wichtigsten Protagonisten in der Linken einfach nicht miteinander können. Wäre die Linkspartei eine Koalition, bliebe ihr immer noch der Bruch.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.1295084
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 28.02.2012/str
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.