Süddeutsche Zeitung

Bundespräsidentenwahl:Beratungen über Gauck-Nachfolge - Koalition setzt sich letzte Frist

  • Dass die Unionsparteien Steinmeier unterstützen, der in Umfragen hohe Popularitätswerte erreicht, ist unwahrscheinlich.
  • Da CDU und CSU in der Bundesversammlung die größte Gruppe stellen, erwarten viele Unionspolitiker einen eigenen Kandidaten.
  • Dem Vernehmen nach haben sich die drei Parteivorsitzenden als neue Zielmarke das kommende Wochenende gesetzt.

Von Nico Fried, Berlin

Konsenskandidat oder Kampfkandidatur? Die Vorsitzenden der Koalitionsparteien haben am Sonntag erfolglos über die Nachfolge von Bundespräsident Joachim Gauck beraten. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), CSU-Chef Horst Seehofer und der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel sprachen am Nachmittag etwa 90 Minuten lang im Kanzleramt. Im Kern ging es um die Frage, wie die große Koalition damit umzugehen gedenkt, dass die SPD mittlerweile auf Außenminister Frank-Walter Steinmeier setzt. Nun will man am kommenden Wochenende noch einmal beraten, hieß es aus Teilnehmerkreisen.

Nach der Ankündigung Gaucks, auf eine zweite Amtszeit zu verzichten, hatten Union und SPD vereinbart, Gespräche über einen gemeinsamen Kandidaten zu führen. Gabriel signalisierte Merkel allerdings von Beginn an, auch das Gespräch mit anderen Parteien zu suchen. Vor allem die Möglichkeit eines von SPD, Grünen und der Linken unterstützten Kandidaten steht dabei im Raum, auch wenn den drei Parteien zu einer absoluten Mehrheit Stimmen fehlen. Die Wahl des neuen Staatsoberhaupts findet am 12. Februar 2017 in der Bundesversammlung statt, die sich je zur Hälfte aus den Abgeordneten des Bundestages sowie Vertretern der 16 Bundesländer zusammensetzt.

Nachdem Gabriel Steinmeier öffentlich als möglichen Nachfolger für Gauck ins Spiel gebracht hatte, erhöhte sich der Druck auf die Union und vor allem auf CDU-Chefin Merkel. Steinmeier wäre für die Grünen durchaus wählbar, auch wenn das Vorpreschen Gabriels in ihren Reihen auf Unmut stieß. Die Linke lehnt Steinmeier zwar wegen seiner tragenden Rolle bei den Agenda-Reformen der Regierung Schröder ab.

Viele Unionspolitiker erwarten einen eigenen Kandidaten

Andererseits könnte sie mit Blick auf die Bundestagswahl 2017 auf eine politische Signalwirkung setzen. Um solche taktischen Überlegungen zu verbrämen, wird von Linken darauf verwiesen, dass Steinmeier ja in der Außenpolitik, zum Beispiel gegenüber Russland, aus Sicht der Linken akzeptable Akzente gesetzt habe. Dass die Unionsparteien Steinmeier unterstützen, der in Umfragen hohe Popularitätswerte erreicht und von Merkel und Seehofer persönlich durchaus geschätzt wird, ist unwahrscheinlich.

Da CDU und CSU in der Bundesversammlung die größte Gruppe stellen, erwarten viele Unionspolitiker einen eigenen Kandidaten. Nachdem Bundestagspräsident Norbert Lammert wiederholt eine Kandidatur ausgeschlossen hat, müssen Merkel und Seehofer eine andere Persönlichkeit finden, die von den eigenen Leuten unterstützt und in der Öffentlichkeit als adäquater Konkurrent gesehen würde.

Besonders gute Chancen dürfte dabei eine Frau haben, da es in allen Fraktionen Befürworter einer ersten Bundespräsidentin gibt. Spekuliert wird nun über Saarlands Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer, Bildungsministerin Johanna Wanka, Kulturstaatsministerin Monika Grütters (alle CDU) sowie CSU-Landesgruppenchefin Gerda Hasselfeldt. Die besten Chancen gegen Steinmeier hätte Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU), zumal ihre Aussicht auf die Nachfolge Merkels als gering gelten. Ein schwarz-grünes Signal mit einem grünen Kandidaten gilt wegen des Widerstandes der CSU als unwahrscheinlich.

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SZ vom 07.11.2016/dayk
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