Süddeutsche Zeitung

Bundespräsidentenwahl:Die Linke stänkert gegen Gauck

Linkenchef Klaus Ernst ist beleidigt: Seiner Partei verordnet er, gegen Präsidentschaftskandidat Joachim Gauck zu stimmen. Doch in der Union gewinnt dieser an Zustimmung - und bringt Gegenkandidat Christian Wulff ins Wanken.

Linkspartei-Chef Klaus Ernst hat den Bundespräsidentschaftskandidaten von SPD und Grünen, Joachim Gauck, harsch für seine Äußerungen über die Linken kritisiert. "Es ist für einen Kandidaten äußerst ungewöhnlich, diejenigen zu beschimpfen, deren Stimmen man braucht", sagte Ernst dem Hamburger Abendblatt. "Gauck hat in den letzten Wochen eindrucksvoll gezeigt, dass er kein Versöhner ist. Wir werden den Kakao, durch den er uns zieht, nicht auch noch trinken", fügte Ernst hinzu. Gauck sei für die Linkspartei "nicht wählbar".

Gauck hatte in einem Interview mit dem Blatt die Linke auf Bundesebene als regierungsunfähig bezeichnet. Er könne keine Bindung der Linken an das europäische Demokratieprojekt erkennen. Daraufhin hatte Parteichefin Gesine Lötzsch gesagt, Gauck sei auch im zweiten oder dritten Wahlgang der Bundesversammlung nicht wählbar. Als Grund nannte sie seine Unterstützung für den Bundeswehreinsatz in Afghanistan.

Die Linke tritt mit einer eigenen Kandidatin, der Bundestagsabgeordneten Luc Jochimsen, an. Bundestagsfraktionschef Gregor Gysi sagte in der ZDF-Sendung Berlin direkt, falls der Koalitionskandidat Christian Wulff (CDU) die ersten beiden Wahlgänge nicht bestehe, werde seine Partei vor dem dritten über das Abstimmungsverhalten neu nachdenken.

Union müht sich um Geschlossenheit

Während die Linke auf Distanz geht, gewinnt Gauck Sympathien in der Koalition - und die absolute Mehrheit im ersten und auch im zweiten Wahlgang für ihren Kandidaten Wulff gerät ins Wanken. Die Union müht sich deshalb darum, die Wogen zu glätten, die von prominenten Politikern außer Amtes erhobenen Appelle für eine Direktwahl des Bundespräsidenten erzeugt haben. Neben dem ehemaligen sächsischen Ministerpräsidenten Kurt Biedenkopf hatten sich am Wochenende auch die ehemaligen Präsidenten Roman Herzog und Richard von Weizsäcker dafür ausgesprochen.

CDU-Vizefraktionschef Günter Krings bezweifelte im Gespräch mit der Frankfurter Rundschau, ob es so glücklich sei, dass ausgerechnet ein ehemaliger Bundespräsident Forderungen in Bezug auf sein ehemaliges Amt stellt. Ein Zeichen mangelnder Unterstützung für Wulff in den eigenen Reihen sehe er nicht.

Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen hat davor gewarnt, die Bundespräsidentenwahl als Schicksalsfrage der schwarz-gelben Koalition zu betrachten. Wie auch immer die Abstimmung in der Bundesversammlung am 30. Juni ausgehe - "die Regierung steht da nicht in Frage", sagte die CDU-Politikerin.

Von der Leyen unterstützt den Koalitionskandidaten Wulff. "Man sollte der Wahl des Bundespräsidenten jetzt nicht eine völlig überhöhte Bedeutung beimessen", führte sie in der Sächsischen Zeitung aus. Die Regierung werde "an ihren eigenen Taten gemessen". Ähnlich hatten sich zuvor auch Wulff und der Kandidat von SPD und Grünen, Joachim Gauck, geäußert.

Selbst SPD-Chef Sigmar Gabriel äußerte sich in diese Richtung. Die Wahl habe nichts mit der Regierungsmehrheit zu tun, schrieb er in einem Beitrag für die Zeitung Die Welt. "CDU/CSU und FDP haben auch nach der Wahl von Joachim Gauck eine breite Mehrheit im Bundestag."

Der Nachfolger des zurückgetretenen Horst Köhler wird von der Bundesversammlung in geheimer Abstimmung gewählt. Das Gremium besteht aus den Mitgliedern des Bundestages und der gleichen Anzahl von Delegierten, die von den Landesparlamenten gewählt werden - darunter nicht nur Landtagsabgeordnete, sondern auch Prominente. Von den 1244 Wahlleuten entfallen auf Schwarz-Gelb 644 Sitze - das sind 21 Stimmen mehr als die absolute Mehrheit von 623 Stimmen. Kann ein Kandidat diese im ersten und zweiten Wahlgang nicht erringen, gibt es eine dritte Abstimmung. Dabei reicht die einfache Mehrheit.

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