Der Unternehmer Egon Geerkens war doch in die Verhandlungen über einen Privatkredit an den heutigen Bundespräsidenten Christian Wulff beteiligt. Das bestätigte Wulffs Anwalt Gernot Lehr in einem Schreiben an die Zeitung Welt. Lehr schrieb: "Der Darlehensgewährung vorausgegangen war die Suche des Ehepaars Wulff nach einer geeigneten Immobilie.
Hierin war Herr Egon Geerkens aufgrund seines besonderen Sachverstands und der freundschaftlichen Beziehungen eingebunden. In diesem Zusammenhang ging die Initiative für ein Privatdarlehen von Frau Edith Geerkens aus. Die Modalitäten wurden gemeinsam besprochen, das Darlehen von Frau Edith Geerkens gewährt."
Bislang berief sich der Bundespräsident stets darauf, dass Edith Geerkens die Kreditgeberin war. Zur Frage, inwieweit Egon Geerkens bei den Verhandlungen involviert war, hat der frühere Ministerpräsident Niedersachsens bislang keine Stellung genommen.
Entsprechende Aussagen Geerkens im Spiegel hatten diese Vermutung allerdings nahegelegt. Eine Anfrage des niedersächsischen Landtags Anfang 2010, ob es irgendwelche Geschäftsbeziehungen zwischen Wulff und dem Unternehmer bestanden, hatte der damalige Ministerpräsident mit nein beantwortet.
Vier Anzeigen gegen Wulff
Die Kreditaffäre des Staatsoberhaupts beschäftigt nun auch die Justiz. "Die Staatsanwaltschaft hat vier Anzeigen vorliegen, die überprüft werden", sagte der Sprecher der Behörde in Hannover, Jürgen Lendeckel. In den Anzeigen geht es den Stuttgarter Nachrichten zufolge vermutlich um den Vorwurf der Vorteilsannahme. Die Staatsanwaltschaft muss jede Anzeige prüfen, die bei ihr eingeht.
In der Zwischenzeit gibt es neue Erkenntnisse in der zweiten Affäre, die Wulff unter Druck setzt: Der mit ihm befreundete Unternehmer Carsten Maschmeyer hatte eine Anzeigenkampagne für sein Interview-Buch Besser die Wahrheit bezahlt. Von den Zahlungen will der damalige CDU-Ministerpräsident nichts gewusst haben.
Die Frankfurter Allgemeine Zeitung berichtet nun, dass auf Wunsch von Maschmeyer die Rechnungen für die Wulff-Reklame geändert wurden. Der Verlag Hoffmann und Campe habe dem Blatt bestätigt, dass der Finanzunternehmer die Rechnungen "mehrfach neu auszeichnen" ließ. Die FAZ schreibt, dass der Unternehmer offenbar "seine großzügige Unterstützung" für Wulff habe "verbergen" wollen. Denn aus dem ursprüngliche Rechnungsgrund "Anzeigen" habe Maschmeyer "Beraterleistungen" machen lassen.
Der Publizist Hugo Müller-Vogg, der damals Gesprächspartner Wulffs für dessen Interview-Buch war, hält die von Maschmeyer bezahlten Anzeigen für problematisch. Wäre er von seinem Verleger vorab informiert worden, hätte er zur Vorsicht geraten, sagte Müller-Vogg dem Mannheimer Morgen. "Ich kann nicht ausschließen, dass ein Verstoß gegen die Vorschriften zur Parteienfinanzierung vorliegt." Wulff habe zwar keinen finanziellen Vorteil von dem Interview-Band gehabt. "Doch er profitierte selbstverständlich vom medialen Echo", so der Publizist.
Der grüne Bundestagsabgeordnete Hans-Christian Ströbele sagte in der Mittwochsausgabe der Mitteldeutschen Zeitung: "Wenn Wulff das gewusst hat, dann hätte das nach dem Parteiengesetz deklariert werden müssen. Denn das ist ja auch der Partei im Wahlkampf zugutegekommen. Es handelt sich also um einen wichtigen Vorgang. Er muss vom Bundestagspräsidenten geprüft werden." Wulffs Behauptung, wonach er von der Finanzierung durch Maschmeyer nichts gewusst habe, ist Ströbele zufolge unglaubhaft.
Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) sieht in der Finanzierungmethode hingegen kein Problem. Es gebe keine Anhaltspunkte für einen Verstoß gegen das Parteiengesetz, teilte ein Sprecher Lammerts der Mitteldeutschen Zeitung mit.
Die Anwälte von Christian Wulff wiesen inzwischen Vorwürfe gegen den Bundespräsidenten wegen seines kostenlosen Urlaubsaufenthalts bei dem Versicherungsmanager Wolf-Dieter Baumgartl zurück. Sie versicherten, dass Wulff im Umgang mit dem Aufsichtsratsvorsitzenden des Hannoveraner Versicherungskonzerns Talanx Dienstliches und Privates "immer klar getrennt" habe, berichtete der S tern.
Aus dem schwarz-gelben Regierungslager erhielt der Präsident inzwischen weitere Rückendeckung. Die CSU-Landesgruppenvorsitzende Gerda Hasselfeldt forderte aus Respekt vor dem Amt ein sofortiges Ende der Debatte. Verbraucherschutzministerin Ilse Aigner (CSU) sagte in der Rheinischen Post: "Er hat alles offengelegt und für Tranzparenz gesorgt. Das ist das Wichtigste."
Verteidigungsminister Thomas de Maizière (CDU) sagte der Berliner Zeitung, er habe weiterhin "volles Vertrauen zu diesem Bundespräsidenten". Die Debatte um den privaten Kredit für den Hauskauf sei legitim, er werde sich daran aber nicht beteiligen. "Christian Wulff übt sein Amt hervorragend aus", sagte de Maizière, in der Diskussion "handelt es sich eher um Stilfragen."
Der designierte FDP-Generalsekretär Patrick Döring sagte der Zeitung, er halte die neuen Vorwürfe gegen Wulff im Zusammenhang mit der von einem Unternehmer finanzierten Werbung für ein Buch über Wulff für haltlos. "Nach der jetzigen Faktenlage kann ich nicht sehen, wie die Person von Christian Wulff durch dieses Geschäft des Verlages belastet sein könnte", sagte Döring. "Nur weil jemand 'Feuer' ruft, heißt das nicht, dass es wirklich brennt."
Vollständige Aufklärung verlangte hingegen Bayerns SPD-Chef Florian Pronold. "Die Wahrheit kommt nur scheibchenweise ans Licht", sagte er der Passauer Neuen Presse.
Noch weiter geht der Kölner Kardinal Joachim Meisner: Er legte Wulff indirekt den Rücktritt nahe. Im WDR-Fernsehen sagte Meisner am Dienstagabend, wenn er selbst in einer vergleichbaren Lage wäre, "dann müsste ich meinen Hirtenstab abgeben, dann müsste ich resignieren". An Wulffs Stelle würde er nun erklären: "Ich bin ein armer Sünder, habe versagt." Der erzkonservative Geistliche fügte jedoch hinzu, er könne nicht beurteilen, ob die Vorwürfe gegen Wulff stimmen.