Bundespräsident unter Druck:Großmann-Konzern kaufte 2500 Wulff-Bücher

Das Interview-Buch von Christian Wulff fand besonderen Anklang bei der CDU - und dem Unternehmen Georgsmarienhütte: Partei und Konzern haben etwa die Hälfte der gesamten Auflage gekauft. Besonders pikant: Alleingesellschafter der Firma ist der RWE-Chef Jürgen Großmann. Wulff drohen weitere unangenehme Fragen: Offenbar lobte er den Partyveranstalter, über den wohl sein Sprecher Glaeseker stolperte.

Oliver Das Gupta

Christian Wulffs eifrigster PR-Mann heißt dieser Tage Peter Altmaier. Der ist Parlamentarischer Geschäftsführer der Unions-Fraktion im Bundestag, müht sich seit Tagen unermüdlich in einer Sache, die eigentlich gar nicht sein originärer Job ist: den Bundespräsidenten zu verteidigen. Zuletzt an diesem Morgen mit einem Auftritt in der ARD. Altmaier sagte mit Blick auf Wulffs gestrige "Aussage des Bedauerns", die Diskussion um den Präsidenten möge wenigstens über die Weihnachtsfeiertage bis ins neue Jahr pausieren. Altmaier sagte: "etwas Druck rausnehmen" und "ad acta legen".

Jürgen Großmann (l) und Ministerpräsident Christian Wulff RWE Bundespräsident

Männer, die sich gut verstehen: Industriemagnat Jürgen Großmann (l) und Ministerpräsident Christian Wulff, hier bei der Besichtigung einer Gas- und Dampfturbinenanlage im Emsland im Frühjahr 2010. Wenige Monate später verlagerte Wulff seinen Lebensmittelpunkt nach Berlin - er war Bundespräsident geworden.

(Foto: dpa)

Das klingt gut, nur Altmaiers frommer Weihnachtswunsch geht wohl nicht in Erfüllung: Es gibt neue Auffälligkeiten in der Causa Wulff. Diesmal geht es nicht um Urlaub bei reichen Freunden oder Kredite, sondern erneut um Wulffs 2007 erschienenes Interview-Buch Besser die Wahrheit. Damals war Wulff niedersächsischer Ministerpräsident, für das Buch hat er kein Geld erhalten, wohl aber zog er politischen Nutzen aus der Veröffentlichung: Denn Besser die Wahrheit erschien zum Beginn des niedersächsischen Landtagswahlkampfes - und es fand schnell Abnehmer.

Von der Gesamtauflage ist ein nicht unbeträchtlicher Teil von einem niedersächsischen Unternehmen aufgekauft worden. Von den 15.000 gedruckten Exemplaren seien 2500 an die Georgsmarienhütte Holding GmbH gegangen, erklärte Günter Berg, Verlagsleiter von Hoffmann und Campe auf Anfrage von sueddeutsche.de und bestätigte damit einen Bericht von Zeit Online.

"Offenbar hat das Unternehmen seinen Mitarbeitern die Darlegungen ihres Ministerpräsidenten gerne schenken wollen", so Berg, und fügt hinzu: "Eine meines Erachtens noble Geste."

Der Bezug zu Christian Wulff liegt nahe: Die "Keimzelle" des Unternehmens ist das Stahlwerk Georgsmarienhütte, das sich nahe Osnabrück befindet - der Heimat von Christian Wulff. Neben dem Konzern kaufte Wulffs Partei CDU 5000 Stück des Buches - in einer eigenen kartonierten Ausgabe, so Verlagsleiter Berg, "also spärlicher ausgestattet".

Allerdings reagiert man bei der Georgsmarienhütte Holding GmbH mit Kopfschütteln auf die Zahl 2500: Man habe lediglich 100 Exemplare des Wulff-Buches "übernommen", sagt Unternehmenssprecherin Iris-Kathrin Wilckens zu sueddeutsche.de: "Die Zahl 2500 kann ich nicht nachvollziehen".

Man habe den Großteil an die damaligen Geschäftsführer der Unternehmensgruppe verteilt: "Wir haben ungefähr noch 20 dieser Bücher im Keller". Ob sie ausschließen könne, dass der aus fast 50 Einzelfirmen bestehende Konzern nicht doch mehr Bücher gekauft habe? Nein, sagt Wilckens, das könne sie nicht.

Aber vielleicht weiß der Alleingesellschafter des Unternehmens mehr: Es handelt sich um Jürgen Großmann, Boss des Energiekonzerns RWE und gut bekannt mit Christian Wulff. Im Oktober 2007 übernahm es Großmann, Wulffs Buch im Haus der Norddeutschen Landesbank in Hannover vorzustellen.

Großmann ist nicht erreichbar - Weihnachtsurlaub

Auch andere Politiker wie der Sozialdemokrat Peer Steinbrück veröffentlichen Bücher bei Hoffmann und Campe, doch solche Großkäufe wie in der Causa Besser die Wahrheit sind alles andere als üblich: Sicher, gelegentlich würden solche Bücher von Parteien und Einzelpersonen verschenkt, so Verlagsleiter Berg, "mal 100 Exemplare, auch mal nur 25 zu Weihnachten" - also weit von der Mengen entfernt, die die CDU und der Großmann-Konzern orderten. Einen ganzen Teil der Auflage, wie in der Causa Wulff, verkaufen wir nur selten als Geschenk an Parteimitglieder oder Firmenmitarbeiter", erklärt Berg.

Konzernlenker Großmann ist nicht nur mit Wulff gut bekannt, sondern auch mit Ex-Kanzler Gerhard Schröder (SPD) befreundet, sie alle zählen zur niedersächsischen Prominenz, über die in den vergangenen Tagen viel berichtet wurde. Auch Carsten Maschmeyer gehört dazu, der Finanzunternehmer, der viel Geld für die Werbe-Anzeigen des Wulff-Buches zahlte - eine Art Freundschaftsdienst, den andere Verlage für fragwürdig halten.

Wulff würdigte den Mann, über den wohl sein Sprecher stolperte

Trifft es zu, dass mindestens die Hälfte der Gesamtauflage von CDU und dem Großmann-Unternehmen erworben wurde, wäre nur ein Teil der Auflage in den freien Handel gekommen.

Bundespräsident Christian Wulff mit Bettinaund Sprecher Glaeseker

Eheleute Bettina und Christian Wulff mit Vertrautem Glaeseker in der omanischen Hauptstadt Maskat am 10. Dezember 2011.

(Foto: dpa)

Gut möglich, dass Großmann ausführlicher antworten kann auf die Frage nach den 2500 Buchexemplaren. Aber der hünenhafte Industrielle ist derzeit nicht erreichbar. Er sei schon im "wohlverdienten Weihnachtsurlaub", sagt seine Sprecherin.

Also könnte es zumindest in diesem Auswuchs der Affäre um den Bundespräsidenten so laufen, wie es sich CDU-Mann Altmaier wünscht: Ruhe für Wulff - zumindest über die Feiertage.

Allerdings sorgt ein anderer Aspekt der Causa Wulff für Unruhe: Die Gründe, die zum Rückzug von Olaf Glaeseker geführt haben, dem langjährigen Sprecher und Vertrauten des heutigen Bundespräsidenten.

Es verdichten sich die Hinweise, dass Glaeseker über kostenlose Urlaubseinladungen des bekannten Partymanagers Manfred Schmidt stürzte. Gemunkelt und geraunt wurde schon seit Tagen, nun will stern.de erfahren haben, dass die Gerüchte handfest sind: Demnach habe das Präsidialamt mit der Amtsenthebung des Sprechers auf einen detaillierten Fragenkatalog des stern vom Donnerstagmorgen reagiert.

Die insgesamt 16 Fragen bezogen sich dem Bericht zufolge unter anderem auf wiederholte kostenlose Urlaubsaufenthalte, die Glaeseker in Anwesen des als Partykönig und Promi-Netzwerker geltenden Schmidt verbracht haben soll. Zeugen hätten dem Magazin gesagt, dass Glaeseker zum Beispiel Ende Oktober 2008 zusammen mit seiner Frau - einer früheren niedersächsischen CDU-Sprecherin - mehrere Tage Gratisurlaub in Schmidts luxuriöser Finca in Nordspanien genossen hatte.

Schirmherr und Partygast

Die Glaesekers sollen daneben auch in einer Luxuswohnung von Schmidt in Barcelona sowie in Ferienwohnungen des Unternehmers in Banyuls-sur-Mer in Südfrankreich geurlaubt haben.

Ex-Journalist Glaeseker war seinerzeit unter Wulff als Regierungssprecher in der Staatskanzlei in Hannover auch dienstlich mit Veranstaltungen von Manfred Schmidt befasst, insbesondere dem so genannten Nord-Süd-Dialog.

Die Verbindungen zu Schmidt dürften auch für den Präsidenten noch unangenehme Fragen zur Folge haben: Wulff ist nicht nur Schirmherr des Nord-Süd-Dialogs gewesen. Er tauchte auch selbst auf den Partys auf - und hielt Reden. Im Dezember 2009 würdigte er laut stern bei einer Ansprache auch Veranstalter Schmidt. Der gelte, so Wulff damals wörtlich, als "sozusagen das Gesicht für guten Gastgeber in Deutschland".

Schmidt hatte am 30. Juni 2010 in Berlin auch eine Siegesfeier für den eben gewählten Bundespräsidenten ausgerichtet, die Christdemokrat Wulff spät am Abend besuchte. Dort feierte dem Spiegel zufolge auch Egon Geerken mit - jener Unternehmer, dessen Gattin Wulffs Eigenheim mit einem Privatkredit finanziert hatte.

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