Süddeutsche Zeitung

Bundespräsident:Stunde der Gunst

Die Linksfraktion signalisiert, Frank-Walter Steinmeier eventuell bei der Wahl zum Bundespräsidenten zu unterstützen.

Von Constanze von Bullion, Berlin

Er ist ein Routinier auf internationalem Parkett, gilt als ausgleichend, und selbst in der Linkspartei können manche sich Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) inzwischen als nächsten Bundespräsidenten vorstellen - zumindest falls kein besserer Vorschlag kommt. "Steinmeier ist nicht unser Kandidat. Wir werden erst entscheiden, wen wir wählen, wenn klar ist, wer wirklich kandidiert", sagte der Fraktionsvorsitzende der Linksfaktion im Bundestag, Dietmar Bartsch, am Sonntag der Süddeutschen Zeitung. Für indiskutabel und unwählbar aber hält er den amtierenden Außenminister nicht - anders als Linken-Parteichef Bernd Riexinger. Steinmeier habe "außenpolitisch durchaus positive Akzente gesetzt", betonte Bartsch. Dazu zähle sein Bemühen um europäischen Zusammenhalt, sein Engagement für das Abkommen mit Iran sowie "seine Positionierung zu Russland".

Auch Co-Fraktionschefin Sahra Wagenknecht, zu deren besten politischen Feinden bis zuletzt die SPD zu gehören schien, zeigte sich vorsichtig offen für die Idee, in dem Sozialdemokraten Steinmeiner einen rot-rot-grünen Kandidaten in der Bundesversammlung zu unterstützen. Dort wird am 12. Februar 2017 ein neues Staatsoberhaupt gewählt. Einen gemeinsamen Kandidaten haben Union und SPD noch nicht gefunden. Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) soll nach Medienberichten noch nicht fündig geworden sein, weshalb sich die Blicke am Wochenende auf den derzeitigen Außenminister richteten. Merkel hat zwar signalisiert, die Union unterstütze Steinmeier nicht bei einer Kandidatur für das höchste Amt. Sollte sie aber keine Persönlichkeit aufbieten können, auf die sich CDU, CSU und SPD verständigen, könnte im dritten Wahlgang ein Kandidat mit rot-rot-grünen Stimmen gewählt werden - gegen die Union. Im dritten Wahlgang reicht eine einfache Mehrheit in der Bundesversammlung.

Merkel will Steinmeier nicht unterstützen. Aber bislang hat sie noch keinen eigenen Kandidaten

Angesichts der schwierigen Lage für Merkel rückt das links-grüne Lager etwas näher zusammen. SPD-Chef Sigmar Gabriel hatte Steinmeier als Gauck-Nachfolger vorgeschlagen. Linken-Chef Riexinger lehnte jedoch umgehend ab, Steinmeier sei für die Linke "unwählbar". Die Linksfraktionschefs aber korrigieren das nun, sie wollen die rot-rot-grüne Option offenhalten. "Steinmeier hat in der aktuellen Russland-Politik vernünftige Akzente gesetzt, im Gegensatz zum schwarz-grünen Säbelrasseln", sagte auch Fraktionschefin Wagenknecht der Bild am Sonntag. Zwar stehe er als ein Initiator der Agenda 2010 und als Befürworter von Militäreinsätzen für eine Politik, welche die Linke ablehne. "Aber warten wir mal ab, ob und gegen wen er überhaupt antritt."

Zunächst aber werden andere entscheiden. Am 7. November, wenn Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel von seiner China-Reise zurückgekehrt sein wird, wollen sich die Parteichefs von CDU, CSU und SPD treffen, um einen gemeinsamen Kandidaten zu finden. Nach einem Bericht der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung werden die Chancen einer Einigung in der Union eher skeptisch beurteilt. Scheitere die Verständigung in der Frage der Gauck-Nachfolge, werde die Union wohl oder übel einen Politiker aus den eigenen Reihen aufstellen - zur Kampfkandidatur. Wer das sein könnte, ist allerdings ebenfalls offen.

Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU), der neben der SPD auch Teilen der Linken und der Grünen vermittelbar wäre, soll der Bundeskanzlerin laut Spiegel mitgeteilt haben, er stehe für eine Kampfkandidatur nicht zur Verfügung. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) wiederum stößt in Teilen der FDP auf Widerstand. Vor die Wahl gestellt, Schäuble oder Steinmeier zu wählen, würde er sich für Steinmeier entscheiden, sagte FDP- Parteivize Wolfgang Kubicki dem Spiegel.

Auch SPD-Vize Olaf Scholz nutzte die Gunst der Stunde für Steinmeier-Werbung. Er sei "der Politiker, den sich die meisten Deutschen als Staatsoberhaupt wünschen", sagte er dem Tagesspiegel am Sonntag. SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann sagte der Passauer Neuen Presse, bevor sich Union und SPD nur auf den kleinsten gemeinsamen Nenner verständigen könnten, "sollte jede Partei mit ihrem eigenen Kandidaten antreten". Die SPD habe in Steinmeier "den besten Kandidaten".

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SZ vom 31.10.2016
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