Süddeutsche Zeitung

Bundesversammlung:Wahl auf mehreren Ebenen

Fast 1500 Wahlleute entscheiden diesmal über das nächste Staatsoberhaupt, so viele wie nie. Weil zudem Pandemiebedingungen herrschen, ist der Plenarsaal des Bundestags zu klein.

Von Robert Roßmann, Berlin

In der Geschichte der Bundesrepublik gab es bereits 16 Bundesversammlungen - aber eine wie die kommende gab es noch nie. Am 13. Februar sollen die Mitglieder der Versammlung zusammenkommen, um den Bundespräsidenten zu wählen. Das Ergebnis steht praktisch schon fest: Sowohl die Ampel- als auch die Unionsparteien haben sich für eine weitere Amtszeit von Frank-Walter Steinmeier ausgesprochen. Aber die Form der Bundesversammlung wird einzigartig sein. Die Mitglieder werden nicht in einem Saal, sondern verteilt auf fünf Ebenen tagen. Denn statt im Plenarsaal des Bundestags wird die Wahl in der großen Halle des benachbarten Paul-Löbe-Hauses über die Bühne gehen.

Viele der Wahlmänner und -frauen werden dabei keine Chance haben, einen Blick auf Steinmeier zu werfen. Denn zum ersten Mal findet die Wahl des Staatsoberhauptes während einer Pandemie statt. Außerdem hat die große Koalition in der vergangenen Legislaturperiode gepfuscht. Sie hat das Wahlrecht geändert, um den Bundestag zu verkleinern - doch das Parlament ist wegen der mangelhaften Reform noch größer geworden. Seit der Bundestagswahl gibt es 736 Abgeordnete, so viele wie noch nie. Die Normgröße des Parlaments liegt bei 598 Abgeordneten.

Weil die Bundesversammlung aus allen Bundestagsabgeordneten und einer gleich großen Zahl an Vertretern aus den Bundesländern besteht, ist auch sie die größte, die es je gab. Es musste jetzt also ein Weg gefunden werden, wie man mit 1472 Menschen tagt, ohne dass ein Superspreader-Event entsteht. So kam man auf das Paul-Löbe-Haus.

Löbe war nicht nur Reichstagspräsident, sondern auch Alterspräsident des ersten Deutschen Bundestags. Damals gab es übrigens nur 410 Abgeordnete. Das nach ihm benannte Haus liegt direkt neben dem Reichstagsgebäude. In ihm gibt es nicht nur 21 Sitzungssäle und etwa tausend Büros, sondern auch eine große Halle in der Mitte.

Viele werden nur vor einem Bildschirm sitzen

Dort soll auf der einen Längsseite eine Bühne errichtet werden, auf der unter anderem die Bundestagspräsidentin - sie leitet die Versammlung - Platz finden soll. Davor werden Stühle für 470 Wahlleute aufgebaut. Mehr passen unter Wahrung der wegen Corona gebotenen Abstände nicht in die Halle. 227 weitere Wahlleute sollen zwar ebenfalls im Erdgeschoss Platz finden, sie werden aber in angrenzenden Sitzungssälen untergebracht. Die restlichen Wahlleute werden in den Etagen eins bis vier platziert. Die meisten von ihnen werden die Abstimmung deshalb nur an Bildschirmen verfolgen können.

Die Fraktionen bekommen die Zahl ihrer Plätze auf den verschiedenen Ebenen zugeteilt. Wer dann innerhalb dieser Kontingente wo sitzen darf, dürfen die Fraktionen selbst festlegen. Angela Merkel, sie wurde von der CDU-Landtagsfraktion in Mecklenburg-Vorpommern als Wahlfrau nominiert, wird wohl einen attraktiven Platz in der Halle bekommen. Das dürfte auch für die anderen von den Parteien nominierten Prominenten gelten - unter ihnen der Virologe Christian Drosten, der Fußballer Leon Goretzka, der Pianist Igor Levit, der Astronaut Alexander Gerst, Kabarettist Dieter Nuhr, die Schauspielerinnen Fritzi Haberlandt und Sibel Kekilli, Bundestrainer Hansi Flick, Schwimm-Olympiasiegerin Britta Steffen und Fernsehmoderator Klaas Heufer-Umlauf.

Sie alle müssen - wie die anderen Wahlleute - einen tagesaktuellen negativen Corona-Test vorlegen und Maske tragen, um an der Versammlung teilnehmen zu können. Die Bundestagsverwaltung hat außerdem ein "Wegeleitsystem" erdacht, damit sich alle nur auf Einbahnstraßen durch das Gebäude bewegen.

Im Juli 2019 hatte das Paul-Löbe-Haus übrigens schon einmal eine besondere Rolle. Damals wurde gerade der Plenarsaal des Bundestags renoviert. Es musste aber Annegret Kramp-Karrenbauer, die nach dem Weggang Ursula von der Leyens nach Brüssel überraschend Verteidigungsministerin geworden war, vereidigt werden. Deshalb kamen die Abgeordneten ebenfalls in der Halle des Paul-Löbe-Hauses zusammen. Das war allerdings noch ein vergleichsweise einfaches Unterfangen: Denn damals mussten nur die Bundestagsabgeordneten und nicht eine ganze Bundesversammlung untergebracht werden - und es gab noch keine Pandemie.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.5504701
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ/bac
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.