Bundespräsident - Mainz:Steinmeier: "Judenfeindlichkeit darf keinen Platz haben"

Bundespräsident - Mainz: Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und Malu Dreyer (SPD), Ministerpräsidentin in Rheinland-Pfalz. Foto: Arne Dedert/dpa
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und Malu Dreyer (SPD), Ministerpräsidentin in Rheinland-Pfalz. Foto: Arne Dedert/dpa (Foto: dpa)

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Worms/Mainz (dpa/lrs) - Das Ensemble der Schum-Stätten in Worms, Speyer und Mainz soll nach Worten von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier einen festen Platz auf der Landkarte der Erinnerung bekommen. "Wir alle, Bürgerinnen und Bürger, müssen jeder Form von Antisemitismus entschieden entgegen stehen", sagte Steinmeier am Mittwoch beim Festakt zur Aufnahme der Schum-Stätten in das Unesco-Welterbe.

Die Schum-Stätten sind die ersten jüdischen Unesco-Welterbe-Kulturdenkmäler in Deutschland, sie umfassen jüdische Gemeindezentren, Monumente und Friedhöfe in den drei Städten Speyer, Worms und Mainz - Schum ist eine Abkürzung der Anfangsbuchstaben der drei mittelalterlichen hebräischen Städtenamen. Die Städte waren im Mittelalter Zentren jüdischer Gelehrsamkeit.

Die Schum-Stätten erzählten "in einzigartiger Dichte von der tiefen Verwurzelung der Jüdinnen und Juden in unserem Land, vom Aufblühen ihrer Kultur, von Selbstbehauptung und Emanzipation, von Zeiten des friedlichen Zusammenlebens mit der christlichen Mehrheit", sagte Steinmeier in der Neuen Synagoge in Mainz vor rund 150 geladenen Gästen. Darunter waren auch der Präsident des Zentralrats der Juden, Josef Schuster, der Mainzer Bischof Peter Kohlgraf sowie mehrere Minister und Landtagsabgeordnete aus Rheinland-Pfalz.

Die Schum-Stätten erzählten aber auch von Antisemitismus und Judenhass, von Zerstörung und Verfolgung - bis hin zum Zivilisationsbruch der Shoah, sagte Steinmeier. "Und sie erzählen vom großen Mut zum Neubeginn, den Jüdinnen und Juden in Deutschland immer wieder aufbrachten, allen Rückschlägen und Enttäuschungen, allem Schmerz und allem Leid zum Trotz."

Vor dem Festakt hatte Steinmeier einen Spaziergang auf dem Heiligen Sand gemacht, dem ältesten erhaltenen jüdischen Friedhof Europas, in Worms. Die ältesten der oft schräg stehenden und teils eingesunkenen Tafeln stammen aus dem 11. Jahrhundert. Viele tragen Papierbotschaften unter kleinen Steinen.

Steinmeier legte einen Stein auf das Grab von Rabbi Meier von Rothenburg. "Ich habe, wie einst Martin Buber, über die Grabsteine hinweg auf den Dom geblickt und mir staunend bewusst gemacht, das Worms im Mittelalter beides zugleich war: Bischofsstadt und das "Jerusalem am Rhein"", berichtete Steinmeier in Mainz. Anschließend besuchte der Bundespräsident noch den Synagogenbezirk sowie das Raschi-Haus mit einem Gewölbekeller aus dem 12./13. Jahrhundert.

Die Schum-Stätten wurden im Juli 2021 als Welterbestätten anerkannt, wegen der Pandemie überreichte Unesco-Generaldirektorin Audrey Azoulay aus Paris die Urkunde aber erst jetzt.

Steinmeier appellierte an die Bürger, im Erinnern an die Shoah niemals nachzulassen. "Jüdisches Leben in Deutschland ist immer noch bedroht, sogar wieder stärker bedroht", sagte Steinmeier. "Wir alle in Staat, Politik und Gesellschaft müssen gemeinsam dafür sorgen, dass Jüdinnen und Juden sich in Deutschland vollkommen zu Hause fühlen können."

"Um jüdisches Leben in Gegenwart und Zukunft zu schützen, müssen wir die Erinnerung an seine Geschichte wachhalten", sagte Steinmeier. Dabei müssten Brüche und Widersprüche sowie helle und dunkle Seiten in den Blick genommen werden. Es brauche auch Orte der Bildung und der Aufklärung, an denen die Geschichte jüdischen Lebens erlebbar gemacht werde. "Orte, an denen Wissen und Wertschätzung, Toleranz und Respekt wachsen können." Solche Orte seien die Schum-Stätten.

"Ich wünsche mir, dass die Schum-Stätten einen festen Platz auf der Landkarte unserer Erinnerung haben", sagte Steinmeier. Er wünsche sich auch, dass noch mehr Menschen die Orte besuchten - Menschen aus aller Welt, aus allen Religionsgemeinschaften, Gläubige und Nichtgläubige. "Schum als Begegnungsstätte, als lebendiges Symbol für ein friedliches Miteinander, ich glaube, das hätte auch den alten Rabbis gefallen."

80 Jahre nach der Shoa, der Ermordung von Millionen jüdischen Mitbürgern und Mitbürgerinnen und der Zerstörung von mehr als 1000 Synagogen, sei der Welterbestatus auch Auftrag, Antisemitismus zu erkennen, zu benennen und ihm entschieden zu begegnen, sagte Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD). "Deswegen endet unser gemeinsame Weg heute nicht, sondern wir gehen ihn konsequent weiter. Wir wollen vermitteln, dass jüdisches Leben untrennbar zu unserer Gesellschaft gehört und einen wesentlichen Beitrag zu unserer Kultur geleistet hat und leistet."

© dpa-infocom, dpa:230131-99-427659/5

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