Süddeutsche Zeitung

Bundespräsident in Erklärungsnot:Merkel preist Wulffs "Offenheit"

Demonstrativ stellt sich die Kanzlerin hinter den umstrittenen Bundespräsidenten, doch abermals gibt es schlechte Nachrichten für das Staatsoberhaupt: FDP-Vorstandsmitglied Kubicki zweifelt an Wulffs Version seines teuren Sylt-Aufenthalts. Und die Staatsanwaltschaft ermittelt angeblich wegen einer zweiten Landesbürgschaft über fünf Millionen Euro - Wulff soll sie als Ministerpräsident zugunsten seines Filmunternehmer-Freundes Groenewold auf den Weg gebracht haben.

Ungeachtet neuer Vorwürfe stellt sich Bundeskanzlerin Angela Merkel demonstrativ hinter den angeschlagenen Bundespräsidenten Christian Wulff. Sie habe volles Vertrauen in den Präsidenten und seine Amtsführung, sagte sie den Ruhr-Nachrichten. Der frühere niedersächsische Ministerpräsident habe viele Fragen beantwortet und Transparenz geschaffen, lobte Merkel, die Wulff maßgeblich zum höchsten Staatsamt verholfen hatte.

Die CDU-Chefin wiederholte damit ihre bisherige Verteidigungsstrategie. "Diese Offenheit kann meines Erachtens Vertrauen zurückgewinnen helfen", sagte Merkel. "Sollte es noch offene Fragen geben, bin ich sicher, dass der Bundespräsident sie ebenso umfassend beantworten wird wie alle Fragen bisher", ergänzte sie.

Später untermauerte Merkels Regierungssprecher diese Haltung: "Die Kanzlerin schätzt die Arbeit des Bundespräsidenten", bekräftigte Steffen Seibert in Berlin. Die Haltung der Bundeskanzlerin habe sich "nicht verändert und unterliegt schon gar nicht den Erhebungen des Politbarometers", bekräftigte Seibert mit Blick auf desaströse Umfragewerte des Bundespräsidenten.

Offenbar bringt nun aber die Verbindung Wulffs zum Filmunternehmer David Groenewold das Staatsoberhaupt in die nächste Erklärungsnot: Es geht nicht nur um Einladungen in teure Hotels, sondern um millionenschwere Bürgschaften des Landes Niedersachsen für Filmfirmen, an denen Groenewold beteiligt war - Bürgschaften, die offenbar dank des damaligen Ministerpräsidenten Wulff zustande kamen.

Der Filmfinanzier soll in einem Fall - entgegen seiner und der Darstellung von Wulffs Anwalt Gernot Lehr - "nachweisbar vom Land finanzielle Hilfe bekommen" haben, schreibt Zeit Online. Entsprechende Unterlagen lägen dem Internetportal vor. Die Staatsanwaltschaft prüfe Ermittlungen gegen den Bundespräsidenten und früheren niedersächsischen Ministerpräsidenten wegen Verdachts der Vorteilsnahme. "Es geht darum, dass Wulff als Gegenleistung dafür, so der Verdacht, einen Vorteil erhalten hat", heißt es in dem Bericht weiter.

Landesbürgschaft über fünf Millionen

Bei einer der Firmen, an denen Gronewold beteiligt war, der Waterfall Productions GmbH, berufen sich die Anwälte Wulffs und Groenewolds darauf, dass die Bürgschaftszusage nicht zum Tragen gekommen sei, "weil das Filmprojekt nicht realisiert wurde".

Aber da gibt es noch eine weitere Tochterfirma, schreibt Zeit Online: Die Get Lost Films GmbH "bekam 2006 gleichfalls eine Landesbürgschaft über fünf Millionen Euro". Das gehe aus der Übersicht über die gewährten Bürgschaften hervor, welche die Landesregierung jedes Jahr strikt vertraulich den Mitgliedern des Haushaltsausschusses des Landtags unterbreitetet.

Abermals werden Rücktrittsforderungen laut: Es werde Zeit, dass er eine Entscheidung treffe und die auch öffentlich mache, sagte der schleswig-holsteinische FDP-Fraktionschef, Wolfgang Kubicki. Der Linken-Politiker Oskar Lafontaine forderte Wulff auf, zu erkennen, "dass es so nicht mehr weitergeht".

Kubicki und Lafontaine reagierten mit ihren indirekten Rücktrittsforderungen auf Berichte, nach denen Groenewold einen gemeinsamen Urlaub mit Bettina und Christian Wulff auf Sylt im Jahr 2007 bezahlt hatte. Wulffs Anwälte hatten aber erklärt, der damalige Ministerpräsident habe die Summe beim Auschecken in bar zurückgezahlt.

Kubicki betonte im Südwestrundfunk, er könne sich kaum vorstellen, dass Wulff seine Übernachtungskosten tatsächlich dem Filmunternehmer in bar überreicht und zugleich die Nebenkosten mit der Kreditkarte bezahlt habe. Diese Darstellung von Wulffs Anwälten sei lebensfremd und "extrem unwahrscheinlich". Die Erklärungen von Wulffs Anwalt hätten zu einer "schweren Belastung" der Glaubwürdigkeit und Wirkungsmöglichkeiten des Staatsoberhaupts geführt, beklagte Kubicki. Der "böse Schein", der im Fall Wulff entstanden sei, würde bei einem einfachen Ministerialbeamten mindestens zu einem Disziplinarverfahren führen, fügte Kubicki hinzu.

Lafontaine sagte der Passauer Neuen Presse, ein Bundespräsident müsse das Vertrauen der Bevölkerung haben. Er erwarte daher ein klärendes Wort von Bundeskanzlerin Merkel. Deren Solidaritätsbekundungen für Wulff seien "ähnlich instinktlos wie die anfängliche Verharmlosung der Plagiate von (Karl-Theodor zu) Guttenberg", sagte Lafontaine in Anspielung auf den im vergangenen Jahr als Verteidigungsminister zurückgetretenen CSU-Politiker.

Der Speyerer Staatsrechtler Joachim Wieland sieht in den neuen Vorwürfen ausreichend Grund für Ermittlungen der Staatsanwaltschaft. Die Behauptung, Wulff habe die Auslagen des Unternehmers Groenewolds umgehend in bar zurückgezahlt, sei eine "offensichtliche Schutzbehauptung", sagte Wieland der Financial Times Deutschland. "Wenn man mit dem Argument der Barzahlung den Verdacht der Vorteilsannahme aus der Welt schaffen könnte, hätte der ganze Paragraph keinen Sinn", sagte der renommierte Jurist.

Die Staatsanwaltschaft hatte am Donnerstag noch nicht entschieden, ob sie ein Ermittlungsverfahren gegen das Staatsoberhaupt einleitet.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.1280465
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
Süddeutsche.de/Reuters/odg/sebi/lala
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.