Bundespräsident in Bedrängnis:SPD verhöhnt "Pinocchio" Wulff

Immer neue Enthüllungen treiben Christian Wulff in die Defensive. Nun verschärft die SPD ihren Ton gegenüber dem Bundespräsidenten. SPD-Generalsekretärin Nahles spricht von einem "Pinocchio im Bundespräsidialamt" - und Parteichef Gabriel sinniert darüber, ob inzwischen nur noch eine Festnahme Grund genug für einen Rücktritt sein könne.

Angesichts immer neuer Enthüllungen über Querverbindungen zwischen Wirtschaftsvertretern und Bundespräsident Christian Wulff oder zumindest seinem engeren Umfeld verschärfen die Sozialdemokraten den Ton gegenüber dem Staatsoberhaupt.

Gedenkstunde im Bundestag

"Pinocchio im Bundespräsidialamt"? Die SPD verschärft ihren Ton gegenüber Bundespräsident Wulff.

(Foto: dpa)

SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles bezichtigte Bundespräsident Christian Wulff indirekt der Lüge. Mit Blick auf neue Berichte über Wulffs Beziehungen zu dem niedersächsischen Unternehmer Egon Geerkens sagte Nahles im Sender N24: "Wir haben jetzt doch offensichtlich einen Pinocchio im Bundespräsidialamt."

Sie halte Wulffs Verhalten für "peinlich". Sie habe den Eindruck, dass der Bundespräsident angesichts der scharfen Kritik an ihm "wohl offensichtlich Wachs in den Ohren hat". Zu befürchten sei, "dass das kein Ende nimmt, dass es immer weiter geht".

Zuvor war bekannt geworden, dass Geerkens Mandant und Vermieter einer Rechtsanwaltskanzlei gewesen sei, für die Wulff über Jahre hinweg tätig gewesen sei. Wulff steht seit Wochen in der Kritik, weil er dem Landtag auf die Frage nach einer Geschäftsverbindung mit Geerkens verschwiegen hatte, dass er als Ministerpräsident in Niedersachsen von Geerkens Ehefrau einen Kredit von 500.000 Euro für den Kauf seines Hauses erhalten hatte.

Auch die Verbindungen über die Kanzlei hatte er nicht erwähnt. Die Osnabrücker Anwaltskanzlei Funk, Tenfelde und Partner wies allerdings darauf hin, dass Geerkens ausschließlich von einem anderen Anwalt beraten und vertreten worden sei.

Gabriel beklagt Ablenkungsmanöver

Drastisch äußerte sich auch SPD-Parteichef Sigmar Gabriel zu Wulff: "Der Herr ruiniert gerade so ziemlich alles, was man an Ansehen in 60 Jahren für dieses Amt aufgebaut hat, in kürzester Frist", sagte er dem Radiosender B5aktuell am Montag. Er habe sich in den letzten Tagen gefragt: "Was ist denn überhaupt noch ein Grund für einen Rücktritt? Doch nur noch, wenn das SEK direkt ins Büro marschiert und jemanden festnimmt. Das scheint ja inzwischen die einzige Möglichkeit zu sein."

Ebenfalls am Montag hatte Gabriel Wulff vorgeworfen, er habe versucht, "sich Niedersachsen zur Beute zu machen". Er bezeichnete es als "Tiefpunkt der politischen Kultur", dass zur Aufklärung des Systems Wulff/Glaeseker nun auch Hausdurchsuchungen beim Bundespräsidenten gemacht würden.

"Früher sind Minister wegen Verfehlungen von Untergebenen oder Mitarbeitern zurückgetreten", sagte er. Heute sei es umgekehrt: "Da versucht einer, vom eigenen Versagen auf Kosten der Mitarbeiter abzulenken", sagte er mit Blick auf Wulff.

Harsche Kritik aus Niedersachsen

Auch der Fraktionsvorsitzende der Grünen im niedersächsischen Landtag, Stefan Wenzel, kritisierte Wulff harsch - und bezichtigte ihn der Lüge: "Es wird immer offensichtlicher, dass Wulff nicht nur die halbe Wahrheit gesagt hat, sondern den Landtag nach Strich und Faden hinters Licht geführt hat", sagte Wenzel der Frankfurter Rundschau.

Wulffs Verbindung mit Geerkens über die Rechtsanwaltskanzlei zeige "eine weitere geschäftliche Beziehung, die dem Landtag verschwiegen wurde", sagte Wenzel. Er hoffe, dass nun auch CDU-Politiker im Bund erkennen, dass es mit Wulff so nicht weitergehe. "Jeder Beamte, der solche Geschäftsbeziehungen verschweigt, muss mit dem Verlust seines Arbeitsverhältnisses rechnen", sagte Wenzel.

Der Grünen-Politiker hatte Wulff in der Debatte über Beteiligungen der Landesregierung an dem umstrittenen Promi-Treff Nord-Süd-Dialog bereits zuvor heftig kritisiert. "Wulff ist ein Lügner, und er sollte seinen Hut nehmen, bevor er Recht und Gesetz und Anstand noch mehr in den Dreck zieht", hatte der Grünen-Fraktionschef gesagt. Der Vorwurf hat keine juristischen Konsequenzen.

Der Staatsrechtler Hans Herbert von Arnim kritisierte die Zurückhaltung der Staatsanwaltschaft im Fall Wulff. "Während sie gegen den früheren Sprecher Olaf Glaeseker ermittelt, wird der Verdacht gegen den Bundespräsidenten in Abrede gestellt. Das ist sehr merkwürdig", sagte von Arnim der Passauer Neuen Presse. "Beim Bundespräsidenten liegt nach allem, was man weiß, mindestens der Anfangsverdacht einer strafbaren Vorteilsannahme vor."

Nach Informationen der Frankfurter Rundschau wird sich die Generalstaatsanwaltschaft Stuttgart mit dem BW-Bank-Kredit von Wulff befassen müssen. Es seien zwei Beschwerden gegen den Beschluss der Staatsanwaltschaft Stuttgart eingegangen, kein Ermittlungsverfahren gegen Verantwortliche der Bank und den Bundespräsidenten wegen des Verdachts der Untreue oder der Vorteilsannahme einzuleiten, sagte Staatsanwältin Claudia Krauth dem Blatt. Die Generalstaatsanwaltschaft müsse innerhalb von vier Wochen prüfen, ob die Beschwerden begründet seien.

Wie man in Niedersachsen empfindet

Niedersachsens Ministerpräsident David McAllister (CDU) sieht sich unterdessen in der Lobby-Affäre um Glaeseker von Wulffs Ex-Sprecher getäuscht. Glaeseker habe eine unorthodoxe Arbeitsweise gehabt "und er hat offenkundig außerhalb der üblichen Kontrollen gehandelt", sagte McAllister der Bild-Zeitung.

Finanzminister Hartmut Möllring (CDU) hatte am 20. Januar am Rande der Plenarsitzung Glaeseker heftig kritisiert: "Ich fühle mich von Olaf Glaeseker beschissen." Dieser Ausdruck drücke "das allgemeine Empfinden der Landesregierung aus", sagte McAllister dem Blatt.

Der unter Korruptionsverdacht stehende Glaeseker hat McAllister zufolge für die umstrittene Lobby-Veranstaltung Nord-Süd-Dialog "wohl einiges nicht nur vom Büro aus geregelt. Wir haben in der Staatskanzlei nur wenige Unterlagen gefunden, und wenn, zumeist da, wo man sie nicht vermuten würde." Die Landesregierung werde aber alle nötigen Unterlagen der Staatsanwaltschaft übergeben. McAllister hatte nach eigenen Angaben seit Monaten keinen Kontakt mehr zu Glaeseker. Für die Staatskanzlei sei der Wulff-Vertraute seit Wochen nicht zu erreichen, sagte der Ministerpräsident.

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