Bundespräsident:Herunter vom Podest

Horst Köhler ist der erste Bundespräsident, der zuvor nicht Politiker war - doch jetzt will er politisch agieren. Damit rüttelt erstmals seit Heinrich Lübke wieder ein deutsches Staatsoberhaupt an dem Rahmen, den die Verfassung ihm setzt.

Von Heribert Prantl

Dem Bundespräsidenten Horst Köhler haftet der Makel an, eine Erfindung von Angela Merkel zu sein.

Wie man einen solchen Makel hinter sich lässt, hat einst Theodor Heuss, der erste Bundespräsident, gezeigt. Er war eine Erfindung Konrad Adenauers - und ist dann das Leitbild für alle Nachfolger geworden.

Seit Heuss werden Präsidenten in Deutschland daran gemessen, ob es ihnen gelingt, die großen Streitfragen "intellektuell ins Schweben zu bringen und handliche Begriffe in den Diskurs zu werfen", wie das der Politologe Hans-Peter Schwarz so schön gesagt hat. Horst Köhler ist weniger ein Mann der geschmeidigen Rede denn ein Mann der Tat.

Er ist der erste Bundespräsident, der zuvor nicht Politiker war, er will jetzt politisch agieren: An diesem Dienstag empfängt er die Vorsitzenden der gescheiterten Föderalismus-Kommission; er hat sich selbst als eine Art Schlichter im Föderalismus-Streit ins Gespräch bringen lassen.

Er will die Föderalismus-Reform zu einem guten Ende bringen, aber nicht durch die Kraft des Wortes, nicht dadurch, dass er eine kluge Rede hält über die Zukunft der Bildungspolitik, darüber also, ob hier mehr oder weniger Föderalismus notwendig ist.

Auch für den Output zuständig

Er will nicht nur für den Input, sondern für den Output zuständig sein, er will operativ tätig werden.

Zum erstenmal seit Heinrich Lübke, dem zweiten Bundespräsidenten, rüttelt wieder ein deutsches Staatsoberhaupt an dem Rahmen, den die Verfassung ihm setzt.

Er will nicht nur ein politischer Präsident sein, sondern selber Politik machen. Lübke hatte keinen Gefallen daran, die fehlende Macht des Amtes durch persönliche Autorität auszugleichen. Er wollte mitmischen.

Köhler wandelt auf seinen Spuren. Das zeigte sich erstmals, indem er dem Bundeskanzler öffentlich und via Zeitung in die Parade fuhr, als der den Nationalfeiertag auf einen Sonntag verlegen wollte.

Und das zeigt sich jetzt, beim Föderalismus-Streit. Den Vorwurf, sich in die Tagespolitik einzumischen, kann er allerdings leicht abschütteln: Es geht in der Föderalismus-Kommission um elementare Fragen, um die neue Konstruktion der Republik. Womöglich interessiert sich Köhler in diesem Zuge auch für eine Neugestaltung seines Amtes.

Das Grundgesetz hat das Staatsoberhaupt geschaffen wie Gott den Adam: Nackt und bloß. Das Amt ist wenig, die Person alles. Die Mütter und Väter des Grundgesetzes wollten es so, weil sie noch in Erinnerung hatten, wie Reichspräsident Paul von Hindenburg in der Weimarer Zeit mit Notverordnungen die Regierungsarbeit unterhöhlte.

Solche Gefahr besteht nicht mehr. Gleichwohl: Die Bundesrepublik ist mit der eingeschränkten Rolle des Präsidenten gut gefahren. Der machtlose Präsident gehört zum Mobile der deutschen Verfassungsorgane.

Im Zuge von Reformdebatten ist freilich gelegentlich vorgeschlagen worden, dem Präsidenten die Mittel zu geben, politische Blockaden zu überwinden; das wäre auch die Sprengung der jetzigen Verfassung. Köhlers Aktivitäten zielen kaum in diese Richtung.

Aber er will, auch um Profil zu gewinnen, nicht nur im Hintergrund politisch aktiv sein. Er will herunter vom Podest des gesamtstaatlichen Integrators. Lübke ist das damals nicht gut geglückt. Als politischer Gestalter ist er jedenfalls nicht in Erinnerung geblieben.

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