Joachim Gauck belehrt mindestens so gerne, wie er zuhört. Am liebsten, so mutmaßt man nach Gaucks ersten hundert Tagen im Amt, hört er zu, um anschließend umso einfühlsamer belehren zu können. Das ist nicht unbedingt unpassend für einen Bundespräsidenten, der ja in erster Linie mit dem Wort wirken soll - wenn er das denn kann.
Nun hat Gauck der Kanzlerin nahegelegt, sie solle "sehr detailliert" erläutern, worum es bei der Euro-Rettung geht. Gauck findet offenbar, dass Merkel das bisher versäumt hat. Er benotet sie also: nicht ausreichend, fünf. Zum anderen meint er, der Ego-Pädagoge, man müsse schwierige Sachen den Leuten nur erklären, dann wären sie schon dafür. Es stimmt, Merkel ist nicht die größte Erklärerin. Sie spricht oft, als befinde sie sich vor dem Haushaltsausschuss. Daraus aber zu schließen, das Euro-Problem werde nicht genug erklärt, ist falsch.
Wer bereit ist, sich in Fernsehen, Radio, Zeitungen und Internet Politik überhaupt auszusetzen, der findet Erklärungen aller Positionen. Kein Thema ist so umstritten, keines wird so heftig diskutiert. Nicht die Erklärungen fehlen, sondern die Bereitschaft, den Erklärungen zuzuhören. Die Politikmüdigkeit ist groß in Deutschland - das sieht man an der sinkenden Wahlbeteiligung, an Eskapismus jeder Art, sogar an der Verachtung für den politischen Betrieb. Gerade für den Bundespräsidenten läge hier ein wichtiges Aufgabenfeld.