Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat nach wochenlangem Zögern am Montag das Gesetz zur Änderung des bisher geltenden Klimaschutzgesetzes unterzeichnet. Umweltschutzorganisationen beklagen, dass mit der Gesetzesänderung Klimaschutzziele verwässert würden – und die Ampelkoalition damit gegen Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts verstoßen würde.
Die Karlsruher Richter hatten 2021 in einer bahnbrechenden Entscheidung Nachbesserungen beim Klimaschutz verlangt, um die Freiheitsrechte künftiger Generationen zu schützen.
Im Bundespräsidialamt wurde wochenlang um eine Haltung gerungen
Im Bundespräsidialamt wurde lange darum gerungen, wie sich Steinmeier jetzt verhalten soll. Der Bundespräsident darf die Ausfertigung eines Gesetzes nicht nur bei einer Verletzung des Gesetzgebungsverfahrens verweigern, sondern auch dann, wenn er das Gesetz aus anderen Gründen für verfassungswidrig hält.
Außerdem hat er die Möglichkeit, ein Gesetz zwar auszufertigen – dabei aber gleichzeitig verfassungsrechtliche Bedenken kundzutun. Diesen Weg hatte Steinmeier zum Beispiel im Jahr 2017 beim Gesetz zur Neuregelung des bundesstaatlichen Finanzausgleichssystems gewählt. Er unterzeichnete das Gesetz, äußerte aber in Schreiben an die Bundeskanzlerin und die Präsidenten von Bundestag und Bundesrat seine Zweifel an einer Vorschrift in dem Gesetz.
Im Bundespräsidialamt wurde in den vergangenen Wochen geprüft, ob sich Steinmeier auch beim Klimaschutzgesetz derart verhalten sollte. Wie stark um eine Position gerungen wurde, kann man auch an der Dauer der Prüfung erkennen. Der Bundestag hat das Klimaschutzgesetz bereits im April geändert, der Bundesrat hat die Änderung Mitte Mai gebilligt.
Das Präsidialamt teilte jetzt mit, Steinmeier habe das Gesetz „eingehend“ auf seine Verfassungsmäßigkeit geprüft. Im Mittelpunkt dieser Prüfung hätten die Vorgaben gestanden, die das Bundesverfassungsgericht in seinem Klimaschutzbeschluss vom 24. März 2021 aufgestellt habe. Bei seiner Prüfung sei Steinmeier zu dem Ergebnis gekommen, „dass evidente Verfassungswidrigkeit nicht gegeben ist“.
Die Umweltschutzverbände hatten gehofft, dass Steinmeier das Gesetz nicht ausfertigt. „Wir setzen auf die beiden Verfassungsorgane Bundespräsident und Bundesverfassungsgericht“, hatte der Bundesgeschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe (DUH), Jürgen Resch, noch Ende Juni gesagt. Damals kündigte die DUH gemeinsam mit BUND, Greenpeace und anderen Gruppen aber auch an, umgehend in Karlsruhe Verfassungsbeschwerden gegen das neue Gesetz einreichen zu wollen, falls es Steinmeier – wie jetzt geschehen – doch unterzeichnet.
Jetzt ist die Regierung als Ganzes für das Erreichen der Ziele verantwortlich
Durch die Änderung des Klimaschutzgesetzes wird künftig nicht mehr jedes einzelne Ministerium mit sogenannten Sektorenzielen in die Pflicht genommen. Ministerien, die die Klimaziele in ihrem Bereich nicht erfüllen, werden also auch nicht mehr zu Sofortprogrammen verpflichtet. Die Bundesregierung muss nur noch als Ganzes das Erreichen der Klimaziele sicherstellen, kann also Sektoren verrechnen. Von dieser Neuregelung profitiert vor allem das Verkehrsministerium von Volker Wissing (FDP), weil der Verkehrssektor seine Klimaziele bisher nicht erreicht hat.
Das Gesetz in seiner neuen Form komme „einem Freibrief für die rot-gelb-grüne Ampelregierung gleich, keine einzige konkrete Klimaschutzmaßnahme in dieser Legislatur mehr zu ergreifen“, findet die Deutsche Umwelthilfe. „Diesen Liebesdienst für die Öl- und Automobilkonzerne durch Porsche-Minister Wissing“ wolle man mit den Verfassungsbeschwerden verhindern.
Steinmeier habe seine Unterschrift „bis zur allerletzten Sekunde“ hinausgezögert, sagte DUH-Bundesgeschäftsführer Resch. Genau an dem Tag, an dem neue Klimaschutz-Sofortprogramme für die Sektoren Verkehr und Gebäude fällig gewesen wären, helfe „der Bundespräsident nun der Regierung dabei, den Kopf aus der Schlinge zu ziehen“. Er spiele dabei „den willigen Erfüllungsgehilfen von Verkehrsminister Wissing, der einen Freifahrtschein für die Klimaschutzlücke von 180 Millionen Tonnen im Verkehrsbereich erhalten soll“. Das wolle man nicht hinnehmen, „unsere 200 Seiten Klageschrift sind fertig“.