Bundespolizei in Saudi-Arabien:Hart an der Grenze

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Eigenwilliges Kooperationsmodell: Die Bundespolizei bildet saudi-arabische Grenzschützer aus, die Bezahlung der Beamten läuft über den privaten Rüstungskonzern EADS. Dass privatwirtschaftliche Interessen und hoheitliche Aufgaben derart vermengt werden, scheint selbst dem Bundesinnenministerium nicht mehr ganz geheuer zu sein.

Peter Blechschmidt

Man komme sich manchmal vor wie ein Subunternehmer von EADS, berichtete ein deutscher Polizist laut dem Magazin Stern von dieser Woche über seinen Einsatz in Saudi-Arabien. EADS - das ist der deutsch-französische Rüstungskonzern, dessen Tochterfirma Cassidian dem Wüsten-Königreich umfangreiche Technologie zur Grenzsicherung liefert. Beamte der deutschen Bundespolizei bilden seit Februar 2009 saudische Grenzschützer unter anderem darin aus, diese Geräte sachkundig zu bedienen.

Sowohl das technische Projekt Grenzsicherung als auch der deutsche Polizeieinsatz sind seit langem bekannt. Das jüngst publik gewordene Vorhaben, 200 Leopard-Panzer nach Saudi-Arabien zu liefern, bietet jedoch Anlass, ein wenig genauer auf die Zusammenarbeit in Sicherheitsfragen zwischen Deutschland und Saudi-Arabien zu schauen. Dabei zeigt sich ein Kooperationsmodell, das es in dieser Form nach Auskunft verschiedener Beteiligter noch nicht gegeben hat.

Ungewöhnlich ist, dass Saudi-Arabien alle Kosten des Polizei-Einsatzes bis auf die Grundgehälter der beteiligten Beamten bezahlt und diese Zahlungen über den privaten Konzern EADS abgewickelt werden. Die Inhalte der polizeilichen Ausbildung in Saudi-Arabien würden unter Anleitung von EADS/Cassidian auf die Bedürfnisse des Unternehmens abgestimmt, sagte Jürgen Stark von der Gewerkschaft der Polizei (GdP) der Süddeutschen Zeitung.

In einem internen Informationsblatt des Bundespolizeipräsidiums vom August vorigen Jahres klagte laut Stern ein Beamter, dass die deutschen Polizisten "ständig neue Aufgaben für EADS" übernehmen müssten. In einer weiteren dieser Newsletter genannten Mitarbeiter-Informationen vom März dieses Jahres wird berichtet, dass saudische Einrichtungen im Zuge der Ausweitung des Projekts "unter der Verantwortung von EADS/Cassidian" inspiziert worden seien.

Das zuständige Bundesinnenministerium erklärt diese Nähe heute damit, dass die saudische Regierung das Grenzsicherungsgeschäft und die Polizeiausbildung stets als ein einheitliches Projekt betrachtet habe. Bei den im Sommer 2008 abgeschlossenen Verhandlungen hätten die Saudis darauf bestanden, auf deutscher Seite nur einen Ansprechpartner gestellt zu bekommen.

Deshalb überweist der saudische Generalunternehmer nun das Geld für die Auslandszulage und die Reisespesen der deutschen Beamten an EADS. Die wiederum leitet die Mittel weiter an die deutsche "Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit" (GIZ), die dem Entwicklungsministerium untersteht. Dort müssen die deutschen Polizisten dann ihre Ansprüche auf Auslagenersatz geltend machen. Insgesamt sind bei einer auf fünf Jahre veranschlagten Dauer des Projekts dafür 7,6 Millionen Euro vorgesehen.

Zweifel an der rechtlichen Grundlage

Eine solche Vermengung von privatwirtschaftlichen Interessen und hoheitlichen Aufgaben scheint selbst dem Bundesinnenministerium inzwischen nicht mehr ganz geheuer zu sein. Man strebe einen direkten Geldfluss zwischen beiden Regierungen an, teilte die Bundesregierung Anfang Juni auf eine Anfrage der Linksfraktion zu dem EADS-Projekt mit. "Auf Arbeitsebene" habe es erste "konstruktive Gespräche" gegeben. Nach Informationen der Polizeigewerkschaft aber tut sich die Bundesregierung schwer, einen Gesprächstermin für einen Staatssekretär zu bekommen.

Die Linke stellte auch die naheliegende Frage, ob die Polizeiausbildung Bedingung für die Auftragserteilung an EADS gewesen sei. Die Bundesregierung vermied eine klare Antwort und verwies lediglich darauf, dass Saudi-Arabien beides als ein Projekt betrachte und für beides "Partner möglichst aus demselben Land gesucht" habe. Eine EADS-Sprecherin teilte auf die gleiche Frage der SZ mit, EADS habe "das Projekt im Vergabeverfahren aufgrund der technisch besten Lösung gewonnen". Zur Frage, wer die Ausbildungsinhalte bestimme, erklärte die Sprecherin, die Schulung der Saudis an den Geräten sei "ein wichtiger Teil" der Ausbildung, aber "nicht mit der Polizeischulung gleichzusetzen".

Unterdessen bezweifelt GdP-Mann Stark, dass es für diesen Einsatz der Bundespolizei eine ausreichende rechtliche Grundlage gibt. Ein deutsch-saudisches Abkommen über "Zusammenarbeit im Sicherheitsbereich" vom Mai 2009 hat die Bundesregierung dem Bundestag bislang nicht zur Ratifizierung vorgelegt. GdP-Chef Bernhard Witthaut forderte am Donnerstag Aufklärung über das Zusammenwirken von EADS und Polizei. "Es wäre ein Skandal, wenn Wirtschaft und Industrie Einfluss auf Polizeieinsätze nähmen", erklärte Witthaut.

© SZ vom 15.07.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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