Süddeutsche Zeitung

Bundespolitik:Was das Berlin-Ergebnis für Merkel bedeutet

  • Wie schon in Mecklenburg-Vorpommern muss die CDU auch in Berlin eine Wahlschlappe hinnehmen.
  • Die Partei bemüht sich, das Ergebnis von der Kanzlerin fernzuhalten. Es habe nichts mit ihrer Politik zu tun.
  • Der Fingerzeig für die Bundespolitik ist dennoch klar: Die SPD hat jetzt in zwei Ländern gewonnen, wenn auch mit Einbußen.

Analyse von Nico Fried

Wenn ihre parteiinternen Kritiker Angela Merkel loswerden wollten, dann müssten sie jetzt handeln. Wieder hat die CDU bei einer Landtagswahl eine Schlappe hinnehmen müssen. Historisch schlechtestes Wahlergebnis in Berlin. Die große Koalition in der Landesregierung der Bundeshauptstadt ist Geschichte, Angela Merkels Partei regiert künftig nur noch in sechs Bundesländern, davon in zweien als Juniorpartner.

Bis zum Bundesparteitag der CDU im Dezember finden keine Landtagswahlen mehr statt, etwaige Frondeure müssen keine Rücksicht mehr auf wahlkämpfende Landesverbände nehmen. Aber wahrscheinlich passiert wieder nichts. Michael Grosse-Brömer der Parlamentarische Geschäftsführer der Unions-Fraktion im Bundestag, macht im Fernsehen in ersten Stellungnahmen ein bemüht betretenes Gesicht und räumt die Niederlage ein. Mehr aber auch nicht. Er verweist darauf, dass die CDU zweitstärkste Kraft in Berlin geblieben sei, fügt allerdings hinzu, dass dies auch nur "ein schwacher Trost" sei.

Dann kommt Grosse-Brömer seinem Hauptauftrag nach: das Ergebnis so weit wie möglich weghalten von Angela Merkel und ihrer Regierung. Auf Fragen, was das nun für die Bundespolitik bedeute, antwortet er, solche Schlüsse halte er "für etwas gewagt". Generalsekretär Peter Tauber schiebt die Schuld auf das schlechte Image des Senats, aber der Fisch stinke immer vom Kopf her, deshalb sei der Regierende Bürgermeister Michael Müller auch für die Niederlage der CDU verantwortlich - auf eine so peinliche Ausrede muss man erst einmal kommen. Zur bundespolitischen Stimmungslage sagt Tauber nur, sie sei "sicherlich nicht immer hilfreich" gewesen.

Merkel hilft, dass keiner weiß, wie es ohne sie weitergehen soll

Rechtzeitig zum Wahltag in Berlin hat sich am Wochenende der letzte der insgesamt fünf Stellvertreter Merkels im Parteivorsitz hinter die Kanzlerin gestellt - auch mit Blick auf eine erneute Kandidatur bei den Bundestagswahlen 2017. Volker Bouffier, Armin Laschet, Julia Klöckner und Ursula von der Leyen hatten der Vorsitzenden diese Ehrerbietung schon in den vergangenen Wochen zuteil werden lassen.

Nun sagte auch der Baden-Württemberger Thomas Strobl, Merkel sei eine "starke und international höchst angesehene Kanzlerin, die für unser Land hervorragend arbeitet". Er sei "ziemlich überzeugt: Angela Merkel wird 2017 wieder Spitzenkandidatin sein." Auch Finanzminister Wolfgang Schäuble, der als einziger in der Position wäre, Merkel sofort zu stürzen, hat vor wenigen Tagen im ZDF der Kanzlerin den Rücken gestärkt und vor allem ihre umstrittene Flüchtlingspolitik unterstützt.

Ihr Engagement im Berliner Wahlkampf hielt Merkel in Grenzen. Ihre Identifikation mit dem blassen Spitzenkandidaten Frank Henkel war gering. Die Kanzlerin ließ es sogar zu, dass bei innenpolitischen Streitthemen wie der doppelten Staatsbürgerschaft oder einem Burka-Verbot Differenzen zwischen ihrem Bundesinnenminister Thomas de Maizière und dem CDU-Spitzenkandidaten offenbar wurden.

Immerhin ist die CDU nicht wie in Schwerin hinter die AfD geraten. So etwas gilt heute schon als Erfolg. Vor allem aber profitiert Merkel weiter von der großen Unsicherheit der eigenen Partei darüber, wie es nach einem Abgang der Kanzlerin weitergehen würde. Das gilt sowohl personell als auch politisch.

Alle Beschlüsse der Merkel-Regierung aus den vergangenen Monaten dienten der Begrenzung des Flüchtlingszustroms, Merkel kann sogar darauf verweisen, den Beschluss des CDU-Parteitages im Dezember 2015 umgesetzt zu haben. Kein neuer Kanzler und CDU-Chef könnte mehr bewirken. Selbst das Verhältnis zur Schwesterpartei könnte sich entkrampfen. Schon ist Merkel der CSU mit einer neuen Einordnung ihres Mantras "Wir schaffen das" entgegengekommen.

CSU-Chef Horst Seehofer wiederum zeigte sich am Wochenende optimistisch, dass die Streiterei ein Ende haben könne. Lackmustest wird seine Reaktion auf das Ergebnis der CDU in Berlin sein. Wenn er nur leise schimpft, hat Merkel aus München wenig zu befürchten.

Die große Koalition im Bund wird weiterregieren

Und in Berlin auch nichts. Die große Koalition im Bund wird in ihrer bisherigen Aufstellung weiterregieren. SPD-Chef Sigmar Gabriel wetterte zwar am Wochenende in der Bild am Sonntag heftig gegen CDU und CSU, verwies aber zugleich darauf, dass das Klima in der großen Koalition besser sei, "als man es von außen denkt".

Trotzdem erlaubte er sich, perspektivisch von einer "Mehrheit diesseits der Union" zu träumen. Genau das Signal, das nun auch von Berlin ausgeht. Denn gewonnen ist gewonnen. Was der SPD in Mecklenburg-Vorpommern recht war, ist ihr auch in Berlin billig. "Die AfD spaltet, die Union streitet sich", konstatierte Gabriels Stellvertreterin Manuela Schwesig, da komme es eben auf die SPD an.

Die Sozialdemokraten in der Bundeshauptstadt mögen wie schon die Genossen in Schwerin Prozentpunkte eingebüßt haben, aber sie bleiben stärkste Partei - und Bürgermeister Michael Müller im Amt, vermutlich mit Grünen und Linken. Kein SPD-Spitzenpolitiker sprach am Sonntag von einem Signal für den Bund. Der Fingerzeig ergibt sich von ganz allein.

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SZ vom 19.09.2016/jly
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