Bundespartizipationsgesetz:Migrantenorganisationen fordern Vielfalt der Gesellschaft als Staatsziel

Die Bundeskonferenz der Migrantenorganisationen stellt ihren Entwurf zu einem Bundespartizipationsgesetz vor. Es geht um eine Quote in der öffentlichen Verwaltung, ein kommunales Wahlrecht - und eine Änderung des Grundgesetzes.

Von Sara Maria Behbehani, Berlin

"Ohne Teilhabe keine Integration. Ohne Integration keine Perspektive. Ohne Perspektive keine Zukunft": Unter diesem Motto stellte die Bundeskonferenz der Migrantenorganisationen (BKMO) am Dienstag in Berlin ihren Entwurf für ein Bundespartizipationsgesetz vor. Die BKMO ist ein regelmäßiges Diskussionsforum, um Menschen mit Migrationsgeschichte mehr Gehör zu verschaffen. Mit dem Gesetz sollen nun ihre gleichberechtigte Teilhabe und Repräsentation gesetzlich ebenso verankert werden wie ihr Schutz vor Diskriminierung.

Die Forderungen haben nicht weniger als eine Änderung des Grundgesetzes zum Ziel. "Das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland hat bisher die Einwanderungsgesellschaft nicht zur Kenntnis genommen", sagte Rechtswissenschaftler Thomas Groß, der den Gesetzentwurf ausgearbeitet hat. So finde sich darin keine Regelung, die darauf reagiere, dass mehr als ein Viertel der Menschen in Deutschland eine Zuwanderungsgeschichte habe und damit Nachteile und Diskriminierung verbunden seien. In einem neuen Staatsziel müsse daher die Vielfalt der Bevölkerung anerkannt werden, die gleichberechtigte Partizipation aller Menschen gefördert und die Bekämpfung von jeder Form von Rassismus als Aufgabe aller staatlichen Stellen aufgenommen werden.

Ebenso soll eine Quotenregelung dazu beitragen, dass Menschen mit Migrationsgeschichte beispielsweise in der öffentlichen Verwaltung entsprechend der Zusammensetzung der Bevölkerung repräsentiert sind. Bei gleicher Qualifikation sollen demnach Bewerber mit Migrationsgeschichte so lange bevorzugt werden, bis eine angestrebte Quote von 25 Prozent in der jeweiligen Behörde erreicht ist.

Racial Profiling soll verboten werden

Auch Bürger, die nicht aus EU-Ländern stammen, sollen auf kommunaler Ebene wählen können. Und diskriminierende Datenerhebungen wie die der Hautfarbe, Religion, Sprache oder Staatsangehörigkeit sollen verboten werden, insbesondere das Racial Profiling. So seien rassistische Auswahlprozesse beispielsweise bei Personenkontrollen an Flughäfen schon unzulässig, sagte Groß, aber die Praxis sehe eben noch immer anders aus.

"Vielleicht stellen sich manche noch die Frage, warum es ein solches Gesetz braucht", sagte Galina Ortmann, Sprecherin der BKMO. Aber es sei nötig zur Förderung der Teilhabe und zur Bekämpfung der rassistischen Diskriminierung. Es brauche dieses Gesetz, weil Hanau oder die hessischen Chat-Skandale bei Menschen mit Migrationsgeschichte noch immer das Blut in den Adern gefrieren ließen vor Angst. "Wir brauchen dieses Gesetz, weil Afghanistan uns lehrt, dass Einwanderung jederzeit schubweise passieren kann." Auf diese krisenhafte wie auch auf die freiwillige Zuwanderung müsse Deutschland vorbereitet und in der Lage sein, diese für alle erfolgreich zu gestalten. "Die Zeit ist reif, um ein solches Gesetz auf den Weg zu bringen", sagte Ortmann.

Im Gegensatz zu einem Einwanderungsgesetz zielt das Bundespartizipationsgesetz nicht nur auf die Menschen, die neu nach Deutschland kommen, sondern auch auf jene, die schon da sind. Seine Forderung hingegen ist nicht neu, die Türkische Gemeinde in Deutschland legte 2013 einen ersten Gesetzentwurf vor. Die BKMO selbst setzt sich seit 2017 dafür ein. Und einzelne Bundesländer wie Berlin haben ein ähnlich geartetes Landesintegrationsgesetz bereits eingeführt. SPD, Grüne und Linke haben die Forderung in ihre Wahlprogramme übernommen.

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