Süddeutsche Zeitung

Bundesparteitag:Worüber die AfD streitet

  • In Stuttgart hat der Bundesparteitag der AfD begonnen.
  • Die Partei will über ihr erstes Parteiprogramm abstimmen. Es soll die Richtung für die Bundestagswahl 2017 vorgeben.
  • Die Parteiführung fordert die Mitglieder zu Geschlossenheit auf.
  • Es gibt zahreiche Streitpunkte, beispielsweise der Umgang mit dem Islam und die Auflösung des Landesverbandes Saarland.

Von Antonie Rietzschel

Geschlossenheit - das wünscht sich AfD-Vize Alexander Gauland für diesen Bundesparteitag. "Lassen Sie uns nicht über jedes Komma streiten", sagte er zu den 2000 anwesenden Mitgliedern. Auch AfD-Chef Jörg Meuthen erklärte in seiner Rede, man lasse sich nicht mehr auseinanderdividieren. Gleichzeitig seien Diskussionen durchaus erwünscht. "Wir sind hier doch keine CDU-Duracell-Klatschhäschen", so Meuthen.

In Stuttgart will die AfD ihr Programm beschließen. 1000 Mitglieder haben an einem ersten Entwurf gearbeitet, der seit mehreren Wochen einzusehen ist und bereits für Kontroversen sorgt. Außerhalb - aber auch innerhalb der Partei. Auf mehr als 1400 Seiten erstrecken sich die zahlreichen Anträge von Verbänden und Mitgliedern. Die Basis will am Ende des Treffens eine finale Version zur Abstimmung stellen. Doch ob der Plan aufgeht, ist unklar. Es gibt im derzeitigen Parteiprogramm einige strittige Punkte, die zu zahlreichen Diskussionen führen.

Umgang mit dem Islam

"Der Islam gehört nicht zu Deutschland", heißt es beispielsweise in dem Programm. Die Autoren fordern unter anderem ein Verbot von Minaretts, der Vollverschleierung und des Muezzin-Rufes. Bereits vor dem Treffen in Stuttgart erklärte AfD-Vize Beatrix von Storch, der Islam sei verfassungsfeindlich. Nach Einschätzung von Alexander Gauland handelt es sich beim Islam nicht um eine Religion, sondern um eine Ideologie. Vorstandssprecherin Frauke Petry betonte in einem Interview ebenfalls die islamkritische Haltung der Partei - gleichzeitig nahm sie eine Einladung zu einem Treffen mit muslimischen Verbänden an.

Abgrenzung nach rechts

Die Diskussion über den Umgang mit dem Islam könnte zu einem Richtungsstreit innerhalb der Partei ausarten. Schon jetzt suchen einzelne Gruppen die Nähe zur islamfeindlichen Pegida-Bewegung. Innerhalb der Partei tummeln sich Islamhasser, Verschwörungstheoretiker und offen Rechtsradikale. Eine klare Abgrenzung nach rechts? Frauke Petry spricht von einer "roten Linie", die nicht überschritten werden darf. Der thüringische AfD-Landeschef Björn Höcke sieht das anders. Er selbst unterstützte einen aus Niederbayern stammenden Gegenentwurf zum Programm. Darin heißt es, der "Bau und Betrieb von Moscheen" seien zu untersagen. Sie dienten "nicht nur dem gemeinsamen Gebet, sondern auch der Verbreitung der auf die Beseitigung unserer Rechtsordnung gerichteten islamischen Lehre".

Während des Parteitages wurde bekannt, dass sich der AfD-Abgeordnete Marcus Pretzell im Europa-Parlament mit der rechtsextremen Partei Front National zusammenarbeiten will. Er wolle Mitglied der Fraktion Europa der Nationen und der Freiheit (ENF) werden, sagte Pretzell. Zur ENF gehören neben dem Front National auch die Freiheitspartei des niederländischen Islam-Gegners Geert Wilders, die italienische Lega Nord und die rechtspopulistische FPÖ aus Österreich. Pretzell wollte ursprünglich, dass der Parteitag über seine Mitgliedschaft in der ENF abstimmen sollte. Dies lehnte eine Mehrheit der über 2400 Mitglieder ab, um Zeit zu sparen. Daraufhin kündigte der Pretzell den Anschluss an die Parteiengruppe an. In der AfD ist eine Zusammenarbeit mit der FN umstritten. So hatte etwa Parteichef Jörg Meuthen Vorbehalte geäußert. Die zweite AfD-Abgeordnete im EU-Parlament, Beatrix von Storch, war bereits früher in die Fraktion Europa der Freiheit und der direkten Demokratie (EFDD) gewechselt, zu der auch die EU-skeptische britische Partei Ukip um Nigel Farage gehört.

Auflösung Landesverband Saarland

Ein Antragssteller fordert, die Auflösung des Landesverbandes Saarland vom Bundesparteitag bestätigen zu lassen. Der Bundesvorstand unterstützt dies. Ein strittiges Thema, wie sich schon zu Beginn des AfD-Parteitages in Stuttgart zeigt. Vertreter des Landesverbandes fordern, den Punkt nicht weiter zu verhandeln, da man sich ansonsten vor den Augen der Presse zerfleische. Dennoch stimmt die Mehrheit der Teilnehmer dafür, das Thema auf die Tagesordnung zu setzen. Die Bundesführung um Parteichefin Frauke Petry hatte im März die Auflösung des Landesverbandes beschlossen. Deren Vorsitzende haben Verbindungen zu rechtsextremen Kreisen. Ein Parteischiedsgericht stoppte die Auflösung jedoch. Das Verhältnis zwischen Landes- und Bundesvorstand ist mittlerweile nachhaltig beschädigt. Ob sich das bis zur Landtagswahl im März 2017 kitten lässt, ist fraglich.

Arbeitsmarkt und Sozialpolitik

Auch beim Thema Arbeit und Soziales gab es im Vorfeld Diskussionen innerhalb der Partei. "Wir können nicht nur eine Partei der Geringverdiener und Arbeitslosen sein", sagte Co-Chef Jörg Meuthen. Zwar bekenne sich die AfD zur sozialen Marktwirtschaft, sei aber "entschieden gegen jede soziale Vollkasko-Mentalität". Nur wenn jemand in existenzieller Not sei, sei der Staat gefragt. Dabei hatte Petry nach den Landtagswahlen die AfD noch als "Partei des sozialen Friedens" bezeichnet, die für "Solidarität gegenüber den Schwachen" stehe.

Streit könnte sich konkret am Thema Mindestlohn entzünden. Im Programmentwurf heißt es, der solle beibehalten werden. Er schütze "vor dem durch die derzeitige Massenmigration zu erwartenden Lohndruck". Eine Mehrheit innerhalb der Partei unterstützt den Mindestlohn. Meuthen und Petry lehnen ihn dagegen ab.

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