Bundesparteitag in Kiel:Grüne wollen Reiche stärker zur Kasse bitten

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Zur Bewältigung der Finanzkrise wollen die Grünen die Gutverdiener in Deutschland in die Pflicht nehmen. Die Delegierten auf dem Bundesparteitag in Kiel votierten für einen höheren Spitzensteuersatz und eine Vermögensabgabe, um den Haushalt zu sanieren. Einigen in der Partei gehen die Beschlüsse allerdings nicht weit genug.

Die Grünen wollen Spitzenverdiener und Vermögende zur Kasse bitten, um mehr Geld zur Bewältigung der Finanzkrise zu haben. Ein von den Delegierten auf dem Kieler Parteitag am Samstag verabschiedeter Antrag sieht die Erhöhung des Spitzensteuersatzes von 42 auf 49 Prozent und eine Abgabe auf große Vermögen vor.

Der Vorsitzende der Bundestagsfraktion der Grünen, Jürgen Trittin, forderte Dreiklang aus Sparen, Subventionsabbau und einer Verbesserung der Einnahmen. (Foto: dapd)

Dieser Wert soll bei einem Jahreseinkommen von 80.000 Euro greifen. Die Vermögensabgabe von 1,5 Prozent soll auf zehn Jahre befristet sein und in dieser Zeit rund 100 Milliarden Euro einbringen. Die Wiedereinführung der Vermögenssteuer im Anschluss daran soll geprüft werden. Die Forderung nach einer dauerhaften Vermögensteuer wurde vertagt.

Bundestagsfraktionschef Jürgen Trittin bezeichnete die Pläne als ökologisch, nachhaltig und sozial. "Starke Schultern tragen, was schwache Schultern nicht tragen können." Benötigt werde ein Dreiklang aus Sparen, Subventionsabbau und einer Verbesserung der Einnahmen. Der Bundesregierung warf er vor, sie habe einen "Rettungsschirm für die FDP und die CSU gespannt". Zur Haushaltssanierung wollen die Grünen außerdem umweltschädliche Subventionen im Volumen von rund zehn Milliarden Euro pro Jahr abbauen und Cannabis-Produkte legalisieren und hoch besteuern.

Einigen in der Partei gehen die Beschlüsse aber nicht weit genug. Besonders zur Finanzpolitik hatte es zuletzt einige Kontroversen bei den Grünen gegeben. Landespolitiker und der Nachwuchs hatten weit reichendere Entscheidungen gefordert. Die Grüne Jugend etwa hatte sich für einen Spitzensteuersatz von 53 Prozent stark gemacht. Dafür gab es in Kiel keine Mehrheit.

Aus den Ländern war außerdem die Forderung nach einer dauerhaften Vermögenssteuer gekommen - und der Wunsch, dass sich der Bund deutlich stärker als bislang an den Kosten der Unterkunft für Hartz-IV-Empfänger beteiligt. Diese Fragen - auch Details zu einem möglichen "Bildungs-Soli" - sollen in einer Kommission weiter beraten werden. Ein Antrag mit der Forderung, alle Mehrwertsteuer-Ermäßigungen abzuschaffen, scheiterte.

"Wir sind mit dem Atomausstieg nicht fertig"

Neben der Finanzpolitik lag einer der Schwerpunkte des Parteitags auf dem sozialen und ökologischen Umbau Deutschlands und Europas. Die Einschätzung, mit dem Atomausstieg sei der Partei ihre Kernaufgabe abhandengekommen, sei falsch, sagte Grünen-Fraktionschefin Renate Künast. "Jetzt fangen wir so richtig an." Es gehe nun um eine sozial-ökologische Transformation der Wirtschaft und Gesellschaft. Nötig sei ein tief greifender Wandel, betonte Künast. "Wir sind mit dem Atomausstieg nicht fertig."

Die Grünen beschlossen in Kiel ein Papier zur Zukunft der Wirtschaft. Sie plädieren darin für einen Umstieg der Industrie auf eine kohlenstoffarme und ressourcenschonende Wirtschaftsweise in ganz Europa, den Ausbau der erneuerbaren Energien, für Investitionen in Klimaschutz und Bildung.

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Die Partei wünscht sich außerdem eine ökologische Finanzreform: Das heißt, wer umweltfreundlich produziert und konsumiert, soll weniger bezahlen als jene, die Umwelt und Klima verschmutzen. Umweltschädliche Subventionen und Steuererleichterungen, etwa für Kraftstoffe, Strom und Heizenergie, wollen die Grünen abbauen.

Die Fraktionsvorsitzende von "Bündnis 90/Die Grünen" im Bundestag, Renate Künast: "Wir sind mit dem Atomausstieg nicht fertig." Im Mittelpunkt der Debatten steht die Wirtschafts- und Finanzpolitik. (Foto: dapd)

Außerdem fordern sie nun einen Mindestlohn in Höhe von 8,50 Euro. Bislang hatten sie die Schwelle bei 7,50 Euro gesetzt. Künast mahnte, Deutschland dürfe keine "Dumping-Ökonomie" werden.

Das Land brauche zudem einen Innovationsschub. Der Mittelstand müsse systematisch gefördert werden, und mehr Frauen müssten in Führungspositionen aufrücken. In die Bildung fließe zu wenig Geld, und das Land benötige mehr Fachkräfte aus dem Ausland.

Außerdem gehe es darum, den Atomausstieg wirklich umzusetzen, die Energiewende voranzutreiben und den Ressourcenverbrauch zu drosseln. Grünen-Chef Cem Özdemir sagte: "Wir müssen die Art, wie wir wirtschaften, grundsätzlich ändern."

Auch die Vorstellungen von Wachstum müssten sich wandeln. Nötig sei nachhaltiges Wachstum. Özdemir betonte, Steuersenkungsversprechen könnten Unternehmen von den Grünen nicht erwarten. Die Partei wolle einen höheren Spitzensteuersatz und eine befristete Vermögensabgabe einführen und den Schuldenabbau vorantreiben.

Aber gleichzeitig böten die Grünen der Wirtschaft viele Lösungen an - etwa gegen den Fachkräftemangel, gegen die Bildungsprobleme im Land und für neue Jobs.

Die Wirtschaft nicht überfordern

Der Generalsekretär des Zentralverbands des Deutschen Handwerks, Holger Schwannecke, mahnte bei seiner Gastrede: "Überfordern Sie uns nicht." Die Betriebe dürften nicht mit immer höheren Steuern belastet werden. Das Handwerk sei die stabile Säule der Wirtschaft, "und wir wollen es bleiben".

Der baden-württembergische Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) sagte, es sei wichtig, die Wirtschaft nicht abzuschrecken und die Steuererhöhungspläne nicht zu übertreiben, sondern mit Maß vorzugehen.

Mit ihrem Parteitag starten die Grünen die inhaltliche Vorbereitung für den Bundestagswahlkampf 2013. Die Delegierten beschlossen aber auch eine formelle Neuerung: Die Basis der Grünen kann demnach künftig per Urwahl über die Spitzenkandidaten für Bundestagswahlen mitbestimmen. Die Satzung wurde dafür geändert. Bisher werden die Spitzenkandidaten auf einem Bundesparteitag bestimmt. Nun gibt es die zusätzliche Option einer Urwahl. Ob die Partei davon im Bundestagswahlkampf 2013 Gebrauch machen wird, ist offen.

© sueddeutsche.de/AFP/dpa/dapd/pak - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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